Vernichten oder Weiterverkaufen - was passiert mit Restposten?
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Wohin verschwindet all die Kleidung, die am Ende der Saison immer noch in den Geschäften hängt und keinen Abnehmer gefunden hat? Das Geschäft mit den Restposten ist sehr diskret.
Je schneller der Modewechsel – desto mehr Restware
Wer am Ende der Saison einen aufmerksamen Blick in den Handel wirft, dem wird auffallen, dass die Menge an Restware unmöglich komplett abverkauft werden kann. Selbst wenn der Preis ins Bodenlose fällt, irgendwann ist Schluss: das blassgelbe T-Shirt, die unbequemen Schuhe oder die Jeans in Größe 32 finden einfach keinen Käufer. Spätestens dann, wenn die neue Ware nachrückt, muss Platz geschaffen werden, und das Spiel beginnt von Vorne. Es wiederholt sich nicht nur jede Saison, sondern sogar jede Woche. Fast Fashion Anbieter bringen jede Woche neue Ware ins Geschäft. Fehlt der Platz, muss alte Ware weichen. Nur - wohin damit?
Ist Recycling für H&M nur ein PR Gag?
Die Frage danach, was mit all den Warenüberhängen geschieht, drängte sich erst im Oktober massiv ins Bewusstsein der Verbraucher. Das dänische Fernsehen enthüllte, dass H&M und die Bestseller Gruppe tonnenweise Restposten verbrennen – seit Jahren. Ein starkes Stück für ein Unternehmen wie H&M, das sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt und deshalb von seinen Kunden Altkleider einsammelt um sie zu recyceln. Es habe sich dabei um verschimmelte Ware gehandelt, oder um solche, bei der zu hohe Giftstoffe gemessen wurden, lautete die Erklärung von H&M.
In vielen Presseberichten wurde das kategorisch bezweifelt. Dabei sind die genannten 12 oder 20 Tonnen Neuware im Jahr nicht viel, sagen Insider, die mit Restposten Geschäfte machen. Schon gar nicht für ein globales Unternehmen wie H&M. Für sie ist es durchaus glaubhaft, dass es sich dabei nur um Ware handeln kann, die wirklich nirgends verkäuflich ist. Dass die Ware nicht recycelt werden kann weil sie giftig ist, macht die Sache natürlich nicht besser, enthebt H&M aber von dem Vorwurf, seine Recyclingambitionen seien nur ein PR-Gag.
Alle Restware lässt sich weiter verkaufen
Das Ziel eines Handelsunternehmens ist es, Ware zu verkaufen und nicht zu vernichten. „Die oberste Prämisse lautet: Wir wollen so viel wie möglich vom eigentlichen Warenwert zurück holen!“ sagt Frank Surholt von der Otto Group im Namen von Corso. Corso Restposten-Großhandel ist eine Marke von Otto, die sich um die Verwertung von Restposten des Otto Konzerns kümmert.
Aber wie lohnenswert ist es überhaupt, Billigware wie die von z.B. H&M noch weiterzuverkaufen? Alles ist verkäuflich, es kommt nur auf den Preis an, heißt es bei Corso. „Es gibt keine Mindestpreise“, bestätigt Andreas Meyer von der Captiva GmbH, einem Restwarenhändler aus Neuss. Wenn man nicht mehr mit Stückpreisen kalkulieren kann, nimmt man Tonnenpreise. „Wer er zu uns kommt, muss seine Ware loswerden, wir kaufen die Ware jenseits des EK und noch weit unter dem Kostenpreis ein.“ Der Preis richtet sich dabei nach vielen Kriterien. Meyer: „Welche Marke ist es, wohin darf sie verkauft werden, handelt es sich um Ware die noch zur aktuellen Saison passt oder muss ich sie ein paar Monate einlagern bis hin zu der Frage, wie schnell braucht der Händler Geld und wie wichtig ist es ihm, seine Marke zu schützen?“
Die Marke muss geschützt werden
Wer seine Marke schützen will, der sorgt dafür, dass die Altware nicht in den Märkten wieder auftaucht, wo die Marke selbst verkauft wird. Dass das nicht immer klappt, wird immer dann ersichtlich, wenn z.B. bei Kik Teile von Superdry oder anderen Markenanbietern angeboten werden. „Unsere Kunden wollen die Ware nie mehr wieder sehen“, sagt Meyer und meint das im wörtlichen Sinne. Wenn nötig verkauft er sie bis in die Mongolei. Auch das Entfernen von Etiketten und Labels ist nicht unüblich und schlägt sich ebenfalls im Preis nieder. Schmuddelig ist das Business dennoch nicht: Meyer verfügt über ein hochmodernes vollautomatisches Warenlager, bis zu 500.000 Teile finden bei ihm Platz, fünf Millionen Teile verkauft er im Jahr. Ab einer Größenordnung von etwa 5.000 Teilen wird es interessant, kleinere Mengen lohnen sich für ihn kaum. Klar ist dabei immer: „Was wir weiterverkaufen, findet irgendwo wieder einen Käufer, die Ware wird nicht vernichtet.“
Es gibt aber auch Marken, die mehr oder weniger offen zugeben, dass sie Ware vernichten, wenn sie nicht verkauft wurde. Von Luxusmarken wie z.B. Louis Vuitton oder Hermes heißt es, dass sie lieber ihre Restanten zerschreddern oder verbrennen, als sie in dunkle Kanäle abzugeben, wo sie weit unter dem UVP verramscht werden. Luxuslabels haben verständlicherweise ein großes Problem damit, wenn sie zugeben müssen, dass ihre Kollektionen eben nicht so heiß begehrt sind wie behauptet oder wenn Menschen sie sich leisten können, die ganz und gar nicht zur Zielgruppe passen.
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