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Vestiaire Collective: „Die Menschen über die Bedeutung von nachhaltiger Mode aufzuklären, ist eine echte Herausforderung“

Von Sharon Camara

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Business|Interview
Vestiaire Collective

Mit über elf Millionen aktiven Mitgliedern weltweit gehört Vestiaire Collective zu den Vorreitern im Bereich luxuriöser Secondhand-Mode. Durch die Pandemie, die sich stark positiv auf Online-Verkäufe ausgewirkt hat, konnte Vestiaire Collective seine Position unter den führenden Unternehmen im Markt ausbauen. Die Gesamtzahl der eingegangenen Bestellungen stieg insgesamt um mehr als 90 Prozent. Um seine Ambitionen weiter zu verfolgen, hat Vestiaire Collective kürzlich in einer vom Softbank Vision Fund geleiteten Finanzierungsrunde 178 Millionen Euro eingesammelt. Der Marktplatz startete außerdem eine Kampagne mit prominenten Testimonials, um für Secondhand-Luxusmode zu werben.

FashionUnited traf Vanessa Masliah, Vizepräsidentin für Marketing und Branding bei Vestiaire Collective Frankreich, um mit ihr über die Strategie der Plattform zu sprechen.

Vanessa Masliah, Vizepräsidentin für Marketing und Branding bei Vestiaire Collective France.

Mit der Pandemie haben sich die Konsumgewohnheiten der Menschen erheblich verändert. Wie sehen Sie diese Entwicklung und den aktuellen Markt für Secondhand-Mode?

Wir sehen, dass die Krise eine echte Veränderung mit sich gebracht hat, vor allem auf dem Second-Hand-Markt, der sehr trendy geworden ist. Er ist im Aufschwung begriffen. Das beschert uns aber auch mehr Konkurrenz. Die Modebranche spricht von einem Bewusstseinswandel, dennoch haben die großen Marken anfangs nicht besonders auf Secondhand-Mode geachtet. Heute kommen die großen Luxusmarken zu uns und bitten uns, sie bei ihren Secondhand-Aktivitäten zu begleiten.

Wir haben zum Beispiel mit Alexander McQueen zusammengearbeitet, was es der Kundschaft von Vestiaire Collective ermöglichte, Teile auf der Plattform einzustellen und Gutscheine direkt in den Geschäften der Marke zu erhalten. Wir sind auch mit MyTheresa eine Partnerschaft eingegangen, auch wenn es sich dabei selbst um eine E-Commerce-Plattform und nicht eine Marke handelt. Jetzt gibt es also Luxusmarken, die sich der [Secondhand]-Sache bewusst sind, und das geschieht auf mehreren Ebenen. Alle versuchen, einen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Welt zu machen. Wir tun das in der Mode, aber es gibt verschiedene Wege, diesen Schritt zu gehen. Aktuell gibt es ein echtes Bewusstsein für die Probleme, die die Modeindustrie verursachen kann. Letztendlich ist die Mission von Vestiaire – die Mission, die wir heute haben – ein bescheidener Versuch, die Modeindustrie zu verändern.

Sie sind ein Online-Marktplatz, daher wurden Sie von der Pandemie anders beeinflusst, als der stationäre Einzelhandel. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Welche Strategie haben Sie verfolgt?

Vestiaire Collective gehört zu den Unternehmen, die nicht zu bedauern sind, auch wenn es eine weltweite Tragödie war. Als E-Commerce-Plattform hat sich unser Geschäft eindeutig beschleunigt, da wir geöffnet bleiben konnten, das ist er erste Punkt. Zweitens hatte diese Pandemie auch einen großen Einfluss auf das kollektive Bewusstsein, jeder wollte sich wieder auf die wichtigen Dinge konzentrieren. Das Verhalten der Menschen hat sich verändert, da es unmöglich geworden war, in die Geschäfte zu gehen. Deshalb begannen viele Menschen, sich bei uns umzusehen und einzukaufen. Es kamen auch neue Verkäufer:innen dazu. Die Leute hatten Zeit, in ihre Schränke schauen und sich sagen, dass sie ein bisschen aufräumen müssen, während sie sich gleichzeitig eine neue Einkommensquelle erschlossen haben.

Was die Strategie betrifft, so betraf sie sowohl die Mitarbeitenden als auch die Kundschaft. Es wurde ein neues Protokoll eingeführt. Wenn die Artikel zur Authentifizierung gingen, gab es in unseren Lagern in Europa ein ganzes System, das eingerichtet wurde, um sicherzustellen, dass weder für unsere Mitarbeitenden noch für die Kundschaft ein Kontaminationsrisiko bestand. Wir machen keine Angaben zu unseren Umsätzen, aber ich kann sagen, dass wir ein Wachstum von über fünf Prozent hatten. Wir konnten unsere Umsätze und Bestellungen verdoppeln.

Im Klartext heißt das, dass wir zu den Unternehmen gehören, die das Glück hatten, weiterarbeiten zu können, ein gutes Wachstum zu haben und sich daher im karitativen Bereich engagieren zu können. Wir haben Aktionen mit Prominenten organisiert, deren Erlöse an verschiedene Organisationen wie zum Beispiel die französischen Krankenhäuser gingen.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Wir haben zwei Zielgruppen: die erste Zielgruppe – die uns von Anfang an kennt – sind im Allgemeinen sind das alle Mode- und Markenliebhaberinnen, unabhängig von ihrem Alter. Es ist ein vornehmlich weibliches Publikum. Die Männersparte ist nicht sehr entwickelt, auch wenn sie in Planung ist. Die 35- bis 45-Jährigen sind diejenigen, die uns von Anfang an kennen und die eine sehr starke Bindung an die Marke haben. Wir sprechen aber auch eine viel jüngere Generation an, die 20- bis 30-Jährigen, die vor allem aus Gründen der Kaufkraft hier sind, sie sind bei Umweltthemen sehr engagiert. Man muss zugeben, dass der Sektor momentan sehr dynamisch ist, was eine Durchmischung auf der Ebene der Zielgruppe schafft.

Welchen Stellenwert haben Soziale Netzwerke in Ihrer Marketing- und Kommunikationsstrategie?

Auch wenn wir unsere eigene Plattform haben, sind Soziale Netzwerke natürlich wichtig. Dadurch können wir die Nähe zu unseren Mitgliedern aufrechterhalten. Unsere Strategie konzentriert sich hauptsächlich auf Facebook und Instagram, wo wir fast zwei Millionen Follower zählen. Wir sind auch auf TikTok aktiv, aber auf eine andere Art und Weise. Das ist für uns sehr interessant, da wir den Influencer:innen freie Hand lassen können, ihren eigenen Look zu kreieren. Auf Instagram haben wir also ein Programm mit Videos mit Verbänden und engagierten Influencer:innen gestartet, die sich mit Schlüsselfragen auseinandersetzen, zum Beispiel der Frage, ob die Fashion Week nachhaltig sein kann. Das Ziel ist es, Interaktion zu schaffen.

Auf Linkedin haben wir eine Corporate-Strategie. Die Idee ist es, über Unternehmensnachrichten zu berichten, dort sprechen wir zum Beispiel über das Conscious Festival, unsere Verpflichtungen und unsere verschiedenen Roadmaps.

Zusammengefasst nutzen wir die Sozialen Netzwerke auf drei Ebenen: Für Bildung und Editorial Instagram, für Corporate-Themen LinkedIn und für spielerische Interaktion TikTok.

Im vergangenen September haben Sie am Conscious Festival teilgenommen, mit welchem Ziel?

Wir wollten das Engagement von Vestiaire Collective einem möglichst breiten Publikum bekannt machen und unsere Strategie für kreislauffähige Mode enthüllen. Es ist auch eine Gelegenheit, unsere Mitglieder zu treffen. Wir haben elf Millionen, es ist unmöglich, sie alle zu treffen, aber die Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist eine Möglichkeit, ihnen näher zu kommen. Wir waren auch mit dem Wunsch dort, etwas zu bewegen. Die Idee war es, andere Einflussnehmende zu treffen, sich auszutauschen, auch wenn es sich um unterschiedliche Bereiche handelt. Die Bilanz unserer Teilnahme ist sehr positiv, es ist eine schöne Initiative und es war das erste Mal, dass sie in Frankreich stattfand.

Was sind heute die größten Herausforderungen für Vestiaire Collective?

Wir haben zwar Herausforderungen zu meistern, aber es gibt auch unsere Erfolge, die genauso wichtig sind. Wir haben eine einzigartige Positionierung auf dem Markt für Luxus-Secondhand mit drei Millionen Produkten und 10.000 Marken - 20.000 Produkte werden jeden Tag neu eingestellt. Wir haben eine Zertifizierung, mit der wir die Artikel in Bezug auf Umwelt, Soziales und Ökologie bewerten. Was unsere Erfolge betrifft, so haben wir erfolgreich Fundraising betrieben, das es uns ermöglichen wird, noch weiter zu gehen.

Was unsere Herausforderungen betrifft, so wollen wir immer mehr Menschen anziehen. Wir wollen die Kundschaft dazu bringen, Secondhand-Mode den Vorzug zu geben, indem wir ihnen zeigen, dass es ein Vergnügen sein kann, sie zu kaufen. Die Menschen über die Bedeutung von nachhaltiger Mode aufzuklären, ist eine echte Herausforderung. Wir fragen uns immer, welche Methode die beste ist, um mehr Wirkung zu erzielen.

Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

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