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Von der Schale bis zum Garn: Das Geschäft mit Taiwans Kakao-Textilien

Von Rachel Douglass

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Die Marke Spfloe von GrandeTex, die das Kakaogarn Secao verwendet. Bild: Spfloe.

Im Bereich der funktionellen Sportbekleidung steht Taiwans Textilindustrie an erster Stelle. Einer der Marktführer in diesem Bereich ist kein Geringerer als GrandeTex, das ebenso wie sein Materialportfolio vielseitig ist. Das 2010 gegründete Unternehmen ist in der Vorproduktion, der Postproduktion und allem, was dazwischen liegt, tätig und hat ein umfangreiches Sortiment an Hochleistungsmaterialien für einige der größten Namen der Sportbekleidungsbranche entwickelt.

„Wir sind Lösungsanbieter“, fasst Mel Chen, Geschäftsführer für globale Geschäftsentwicklung des Unternehmens, in einem Interview mit FashionUnited zusammen. Schon beim Besuch des Firmensitzes in einem Außenbezirk von Taipeh wird die geradlinige Perspektive des Unternehmens und seines Führungsteams deutlich. Hinter dem Eingangsbereich, in dem traditionelle holzgeschnitzte Skulpturen jede Wand säumen, befindet sich ein Ausstellungsraum, in dem eine ganze Wand mit Materialmustern ausgestellt ist. Jedes einzelne von ihnen wurde sorgfältig mit speziellen Eigenschaften hergestellt, von Moskitoabwehr über UV-Schutz bis hin zu Antibakterialität. „Alle Marken haben unterschiedliche Anforderungen. Wir können darauf eingehen und die richtige Produktionsmethode, den richtigen Stoff und die richtige Funktion finden“, so Chen weiter.

Die Marke Spfloe von GrandeTex, die das Kakaogarn Secao verwendet. Bild: Spfloe.

Neben einer beeindruckenden Reihe von Zertifizierungen, darunter Bluesign und Öko-Tex Standard, die beide das Engagement des Unternehmens für humanökologische Anforderungen anerkennen, ist GrandeTex wirklich stolz darauf, ein Alleskönner zu sein. Das ist etwas, das Chen immer wieder betont, ebenso wie die Bestätigung, dass der gesamte Produktionsprozess von GrandeTex vor Ort in Taiwan, dem Heimatland des Unternehmens, stattfindet. Obwohl das Unternehmen hier zu Hause ist, gehört es zu den weltweit größten Akteur:innen im Bereich Funktionstextilien. Dies gilt übrigens auch für das Land als Ganzes, wobei Schätzungen der letzten Jahre darauf hindeuten, dass Taiwan sogar über 70 Prozent des Weltmarktes für solche Produkte hält.

Taiwans Weg zur Produktion von Funktionstextilien

Diese Zahl mag für diejenigen, die mit der taiwanesischen Industrie nicht vertraut sind, unerwartet sein, doch der Aufbau dieser spezialisierten Sparte innerhalb der Textilindustrie war seit Beginn ihrer Entwicklung in den 1950er Jahren ein zentrales Anliegen. Neben dem wirtschaftlichen Aufschwung des Landes erlebte auch der taiwanesische Textilsektor einen großen Aufschwung, der erst in den 90er Jahren etwas abflaute, als die Billigproduktion in China und Südostasien sowohl für globale Modemarken als auch für einheimische Unternehmen attraktiver wurde und viele von ihnen ihre Produktion dorthin verlagerten, um günstigere Methoden zu nutzen.

Ein Wandel vollzog sich jedoch in Form einer neuen, auf Innovation ausgerichteten Regierungspolitik, die technologisch fortschrittliche Verfahren und damit auch Funktionstextilien in den Vordergrund rückte und es Taiwan ermöglichte, diesen Nischenmarkt zu bedienen. Da Taiwan nicht über so beliebte Materialien wie Baumwolle und Wolle verfügt, konzentriert es sich auf synthetische Stoffe. Dies geht einher mit der Stärkung exportorientierter Geschäftsmodelle und einer verstärkten Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), die heute als Fundament der taiwanesischen Industrie gelten.

„Die Kompostierung von Kakaoschalen ist viel langsamer als ihr Wachstum…“

Mel Chen, Geschäftsführer für globale Geschäftsentwicklung, GrandeTex

Die Marke Spfloe von GrandeTex, die das Kakaogarn Secao verwendet. Bild: Spfloe.

Ein definitives Ergebnis dieses expansiven Wachstums sind „intelligente“ Textilien, die klassische Textilien mit neuen Technologien kombinieren - ein Konzept, das einen festen Platz im Portfolio von GrandeTex hat. Neben seinem allgemeinen Angebot an funktionellen Materialien, für das es bereits Sportmarken wie Bergans, Ternua und Held Bikeway zu seiner Kundschaft zählt, hat der Hersteller die Produktion eines Textils aus Kakaoabfällen erhöht und sich damit auf die Begeisterung für „intelligente“ Textilien eingestellt.

Warum Kakao? Vom Prozess zum Produkt

Allein im Süden Taiwans werden jedes Jahr 2.000 Tonnen Kakao exportiert, eine Menge, die dem Gewicht von 2.000 afrikanischen Büffeln entspricht, wie Mel Chen anmerkt. Das Problem und die daraus resultierende Lösung von GrandeTex liegt jedoch nicht in der Fülle des Produkts. Während 20 Prozent des Fruchtfleischs und der Samen der Kakaobohnen verarbeitet werden, wird die restliche Schale zu landwirtschaftlichen Abfällen. „Wir haben in Taiwan nur begrenzte Anbauflächen“, erklärt Chen. „Die Kompostierung von Kakaoschalen ist viel langsamer als ihr Wachstum, und ihre Verbrennung würde zu Luftverschmutzung führen.“

Für GrandeTex’ CEO Eric Chang lag die Lösung auf der Hand. GrandeTex machte sich daran, Wege zu finden, um Mülldeponien aufzuräumen und die Schalen als Rohstoff in der Textiltechnologie zu verwenden, was ihnen in Form des patentrechtlich geschützten „Secao“-Materials zu neuem Leben verhalf. Seit seiner Markteinführung im Jahr 2022 erfolgt die Herstellung des Kakaogarns in Zusammenarbeit mit dem taiwanesischen Forschungsinstitut für landwirtschaftliche Technologie. Bei der Herstellung des Produkts wird eine biologische Methode angewandt, bei der der hohe Feuchtigkeitsgehalt der Schale durch Fermentierung und Zersetzung genutzt wird, um eine Vorlagemenge zu erzeugen, die zu einem endgültigen Garn verzogen werden kann. „Diese Schritte stellen sicher, dass der Stoff nach dem Vergraben auf einer Mülldeponie von Mikroorganismen in der Umwelt zersetzt werden kann“, erläutert Chang.

Kampagnenbild für die von den Olympischen Spielen inspirierte Kollektion „Olympic Dreamers“ von Spfloe. Bild: Spfloe.

Das Produkt stammt von lokalen taiwanesischen Kakaobäuer:innen im Süden des Landes. Wie die funktionellen Materialien floriert auch der Schokoladensektor, da sich die internationale Nachfrage nach taiwanesischer Schokolade seit nach der Pandemie im Aufschwung befindet. Diese Bäuer:innen sind zwar nicht direkt in den Prozess eingebunden, nachdem sie ihre Abfälle an Secao geliefert haben, aber der Nachhaltigkeitsaspekt beeinflusst sie, so Chen.

Das Team von GrandeTex hat die vorangehende technische Phase gut durchdacht und weist darauf hin, dass Secao im Gegensatz zur Herstellung herkömmlicher Fasern einen Ansatz verfolgt, bei dem auf Karbonisierung verzichtet wird, um Luftverschmutzung zu vermeiden. Das Ergebnis ist ein weiches Material, das sich ähnlich wie Baumwolle anfühlt, aber dennoch über alle besonderen Eigenschaften verfügt, die für eine sportbegeisterte Kundschaft erforderlich sind.

Derzeit muss das vollständig eigenfinanzierte Unternehmen noch kleine Mengen an Nylon und Polyester in das Endprodukt einarbeiten, aber das Endziel ist natürlich ein Material, das zu 100 Prozent aus Kakao besteht. Die Herausforderung besteht darin, dass Kakaoschalen nicht ohne Weiteres als Faser dienen, wie es bei anderen Materialien wie Baumwolle der Fall ist. Die Schale selbst ist extrem trocken und muss für den Herstellungsprozess zerkleinert werden, was eine Änderung der Lösung selbst erforderlich macht. Chen meinte, dass es zehn Jahre dauern könnte, bis dieses Ziel erreicht wird.

Kampagnenbild für die von den Olympischen Spielen inspirierte Kollektion „Olympic Dreamers“ von Spfloe. Bild: Spfloe.

Das Entstehen einer Kakaomarke

Während die eindeutigen Vorteile von Secao in Kombination mit den engen Beziehungen von GrandeTex zu internationalen Sportbekleidungsherstellenden bereits ein Erfolgsrezept für das innovative Material sein sollten, wie die Herausforderungen lokaler europäischer nachhaltiger Herstellenden zeigt, hat sich die globale Skalierung des Next-Gen-Materials als schwierig erwiesen. Kund:innenorientierte Maßnahmen wie ein Rebranding und ein neues Logo haben dazu beigetragen, das Produkt ästhetisch besser zu positionieren. Um jedoch die Qualitäten des Materials weiter unter Beweis zu stellen und zu fördern, hat GrandeTex seine eigene Marke lanciert, wobei Secao im Mittelpunkt des Designmodells steht.

„Spfloe“, ein individuell geführtes Label unter der kreativen Leitung eines dreiköpfigen Teams, integriert Secao organisch in seine von Streetwear inspirierten Designs und zeigt die Multifunktionalität des Materials mit dem Ziel, sowohl einen eigenen Kund:innenstamm aufzubauen als auch mögliche zukünftige Kund:innen für GrandeTex zu gewinnen. Das Designteam hat jedoch vor allem Ersteres im Sinn. „Wir wollen Funktionskleidung neu definieren, die manchmal zu sportlich sein kann“, erklärt Corinna, eine der Designer:innen der Marke. „Wir wollen Funktionsstoffe in alle Bereiche des Lebens einbringen, so dass man sie zum Beispiel auch bei der Arbeit tragen kann.“

„Wir wollen Funktionsstoffe in alle Bereiche des Lebens einbringen.“

Corinna, eine Designerin hinter der Marke Spfloe

Kampagnenbild für die von den Olympischen Spielen inspirierte Kollektion „Olympic Dreamers“ von Spfloe. Bild: Spfloe.

Das Streben nach tragbarer, alltagstauglicher Kleidung spiegelt den Trend zum „ganzheitlichen Lebensstil“ wider, der bei taiwanesischen Verbraucher:innen nach der Pandemie zu beobachten ist. So findet sich das Material sowohl in T-Shirts, Biker-Shorts und Hoodies als auch in Kleidern, Cargohosen und Röcken wieder. Während die Marke bereits eine Auswahl dieser Produkte online verkauft, um ihren Hauptmarkt Taiwan zu bedienen, betreibt sie auch einen Showroom in London, wo sie eine engere Verbindung zu ihrem gewünschten Kund:innenstamm sowie zu den in der Stadt ansässigen relevanten Influencer:innen pflegen kann. Die Beziehung zu diesen ausgewählten Personen ist eine bewusst enge, wobei ihre Meinungen und ihr Feedback in die nächsten Schritte der Marke und ihrer Produktentwicklung einfließen.

Pariser Pop-ups und internationale Messen am Horizont

Diese Ausrichtung auf den westlichen Markt wird noch verstärkt, wenn Spfloe zusammen mit anderen Marken aus Asien vom 5. bis 13. Juli an einem Pop-up-Store-Event in Paris teilnimmt, das passenderweise mit den bevorstehenden Olympischen Spielen zusammenfällt. Dort werden das Label und sein Team auch eine Kollektion rund um das internationale Sportereignis vorstellen: „Olympic Dreamers“. Dies spiegelt nicht nur die Absicht von Spfloe wider, sich zu internationalisieren, sondern auch die entsprechende Mission der Muttergesellschaft GrandeTex, für die der internationale Markt bereits ein großer Gewinn ist.

Kampagnenbild für die von den Olympischen Spielen inspirierte Kollektion „Olympic Dreamers“ von Spfloe. Bild: Spfloe.

Auch wenn Interesse auf dem heimischen Markt vorhanden ist, setzt GrandeTex die globale Vermarktung seiner Produkte fort, indem es die Vorteile europäischer und US-amerikanischer Textilmessen nutzt, um mehr Kund:innen aus allen Bereichen des Sports - von Golf über Radfahren bis Skifahren - zu gewinnen. Im Juli wird das Unternehmen zum Beispiel an der Texworld in Paris und der Function Fabric Fair in New York teilnehmen, bevor es im September zu LA Textile geht.

Ein faszinierender Wachstumsweg ist jedoch die Möglichkeit, mit Einzelhändler:innen zusammenzuarbeiten, die bereits Schokolade liefern. Ohne den Namen eines konkreten Einzelhandelsunternehmens zu nennen, merkt das Team von GrandeTex an, dass es mit einem globalen Kaufhaus über die Herstellung von Verbindungen gesprochen habe, die ihr Schokoladenangebot mit dem einer zugehörigen Bekleidungskollektion aus Secao-Material verbinden würden. Auf diese Weise, so Mel Chen, könne man den Kund:innen „neue Geschichten erzählen“, während sich der Kreis des Angebots durch die aus Schokolade hergestellte Kleidung schließe. Sollte dies gelingen, wäre dies eine bemerkenswerte Erweiterung der Möglichkeiten für Next-Gen-Materialien.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.

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