Was die Modebranche vom Fashion Reboot 2023 lernen kann
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Der vom Institut Français de la Mode (IFM) alljährlich organisierte Fashion Reboot bringt die Fachwelt zu verschiedenen Themen wie Inflation, Kaufkraft und Massenmarkt vs. Luxusbranche zusammen. Es werden relativ neue Wörter in das Modevokabular eingeführt - etwa Entkopplung, Shein, Framing-Effekt, Kuration, Künstliche Intelligenz, Rückverfolgbarkeit, Modepolitik - die Perspektiven für 2024 aufzeigen können.
„Das Schlimmste liegt vielleicht nicht hinter uns“ - dieser Satz, den Gildas Minvielle, Direktor des IFM Economic Observatory, bei der Veranstaltung Fashion Reboot 2023 äußerte, hallte den ganzen Tag über in einem Hörsaal wider, der mit Fachleuten gefüllt war, die Ende 2023 eher gedämpfter Stimmung waren. Die wirtschaftliche Lage ist schwierig, was die Vortragenden immer wiederholten, wobei sie verschiedene Gründe dafür anführten.
Alain Frachon, Kolumnist der Zeitung Le Monde, und Denis Ferrand, Generaldirektor des Marktforschungsinstituts Rexecode, berichteten über die Erosion des chinesischen Marktes. „Ohne soziale Sicherheit und Familiensolidarität aufgrund der Ein-Kind-Politik sparen die Chines:innen eher, als dass sie kaufen. Außerdem bricht der chinesische Immobiliensektor zusammen, da das Ziel die Wiedergewinnung der nationalen Industrieanlagen ist. Auf der anderen Seite des Globus konsumieren die Amerikaner:innen weiterhin, investieren aber in ihre Produktionsanlagen, um die Energiewende und die Ankunft der künstlichen Intelligenz in den Arbeitsprozessen zu antizipieren.“
„Glücklicherweise entstehen neue Märkte wie Indonesien oder Mexiko“, sagt Ferrand, und vielleicht sollten die französischen Unternehmen bei ihrer internationalen Entwicklung in diese Richtung schauen.
„Entkopplung“ oder die Verringerung des französischen Konsums
Im Vergleich zu den zuvor genannten Ländern befindet sich Frankreich in einer „Entkopplungsphase“. Dieses Wort, das von den Vortragenden oft wiederholt wurde, hat mehrere Bedeutungen, aber hier kann man es so verstehen, dass Frankreich eine andere Haltung einnimmt: Es spart eher, als dass es konsumiert. Umgekehrt haben die Unternehmen des Landes im Jahr 2023 investiert und Personal eingestellt, was darauf hinausläuft, dass ihre Liquidität 2024 möglicherweise angespannt ist.
Diese Frugalität des französischen Marktes wird durch eine Preisinflation verstärkt, die nach Ansicht von Ferrand, dem Verfasser der Studie, nicht abreißen wird. Dies gilt angesichts der inflationstreibenden Faktoren Energiewende und den anhaltenden hohen Zinssätzen. Es wird erwartet, dass die Inflation Ende 2024 bei etwa 1 Prozent liegen wird.
Durch Inflation steht Kleidung bei Budgetkürzungen an erster Stelle
Minvielle zieht dann seine traditionelle sozioökonomische Bilanz (auf die Fashionunited bei Gelegenheit zurückkommen wird). Die wichtigsten Ergebnisse der Umfragen in der Branche gehen davon aus, dass der Bekleidungsmarkt 2023 einen Gesamtwert von 27 Milliarden Euro (ohne Accessoires) erreichen wird, wobei das Verkaufsvolumen im Vergleich zu 2022 um 4 Prozent sinken wird.
Da die Preise im Jahr 2023 um 4 Prozent (gegenüber 6 Prozent im Jahr 2022) stiegen, gaben 73,7 Prozent der Befragten an, dass die Inflation ihr Einkaufsverhalten verändert habe. In der Tat wird der Kauf von Kleidung oder Schuhen hinter Cafés/Restaurants, Haushaltswaren und Freizeitaktivitäten zurückgestellt. Nach einem Boom während der Einsparungspolitik aufgrund der Covid-Krise erlebten auch die Onlineverkäufe einen Rückschlag mit einem Rückgang um 7,1 Prozent, liegen aber immer noch über dem Niveau von 2019 (+6 Prozent).
In diesem Zusammenhang stellt Minvielle die Frage nach den Auswirkungen der Ultra-Fast-Fashion-Neueinsteiger, angefangen bei Shein (eine häufig genannte Marke), Lidl oder auch Temu. Yann Rivoallan, Präsident der Fédération du Prêt-À-Porter Féminin (Verband für Prêt-À-Porter-Damenmode), ging auf dieses Thema ein und forderte eine radikale Lösung.
Als Gegengewicht zu diesem etwas düsteren Befund weist Minvielle auf eine ermutigende Perspektive hin: Französische Mode wird exportiert und weist einen Anstieg um 11 Prozent pro Jahr von 2020 bis 2023 auf. Anders als man meinen könnte, entfällt nur ein Drittel der Exporte auf den Luxussektor.
Welche Möglichkeiten gibt es, um zögerliche Verbraucher:innen zu motivieren?
Thomas Delattre, Professor und Leiter des Fashion Entrepreneurship Center des IFM, ließ dann junge Unternehmer:innen durch seinen Film zu Wort kommen, der im Hörsaal gezeigt wurde. Auf diese Weise soll der Weg zu neuen kreativen Brennpunkten geebnet werden.
Was ist die Herausforderung? Das Massenmarktangebot mit etwas anderem zu kompensieren. Mit anderen Worten: sich an die Realität der Kaufkraft anzupassen. Der Professor weist auf drei Wege hin: neue Technologien wie die künstlichen Intelligenz, gezielte Kommunikation sowie ein multidisziplinäres Angebot mit fairer Preispolitik und attraktiven Styles.
Delattre weist auf die Bedeutung des Framing-Effekts hin, den die Akteur:innen der Fast-Fashion-Branche nutzen: Es ist eine kognitive Verzerrung, die bewirkt, dass wir auf Botschaften oder Entscheidungen, die uns vorgelegt werden, je nach der Art und Weise, wie sie uns präsentiert werden, unterschiedlich reagieren. Als Beispiel nannte er die Tatsache, dass Verbraucher:innen einen Pullover mit 25 Prozent Kaschmiranteil eher kaufen als denselben Pullover mit 75 Prozent Polyamidanteil.
Das Schlüsselwort, um die Irrationalität des Kaufverhaltens einzudämmen, ist „Kuratieren“, das heißt die Auswahl und Hervorhebung des Angebots, so Léa Germano vom Kleiderverleih Studio Paillette und Timothée Richard, Gründer von Choose, einer datengesteuerte Anwendung für zeitnahe Verkäufe. Diese neue Generation erfindet die Kund:innenberatung digital neu.
Die Versuchung, sich zu diversifizieren, wird von Anouck Duranteau-Loeper, CEO von Isabel Marant, schnell abgetan: „Es könnte zum Beispiel ein Marketingcoup sein, in den Möbelbereich zu gehen.“
Künstliche Intelligenz und ökologische Wende: die Säulen der Transformation für 2024
„Wir hatten NFT, dann das Metaverse, dieses Jahr ist es die Künstliche Intelligenz, gibt es einen neuen Modetrend?“, fragt Moderator Lucas Delattre, Professor am IFM, berechtigt. „Nein“, antwortet Grégory Boutté, Kerings Direktor für Digitales und Kund:innenbeziehungen, und legt seine Argumente dar: Die KI ermöglicht die Personalisierung zwischen Verkaufspersonal und Kundschaft und die Konkretisierung der Einkäufe.
Auf Unternehmensseite würde sie die Art und Weise, wie Projekte durchgeführt werden, effizienter machen, indem sie vorhersagt, wie sich Artikel verkaufen werden, um entsprechend produzieren zu können (zumindest diejenigen, die jede Saison neu produziert werden). Laut dem Digitalexperten ist die KI vor allem ein Rationalisierungsinstrument, das die Kreativteams nicht ersetzt, sondern „Test and Learn“ statt „Wait and See“ fördert.
Wird diese neue Technologie der Modebranche helfen, die obligatorische Energiewende zu schaffen? Möglicherweise ja. Die Oritain-Software ist in der Lage, die Rückverfolgbarkeit eines Stoffes zu beurteilen, selbst wenn dieser aus mehreren Fasern besteht. Dieser Prozess, der sich auf physische Tests stützt, ist rationaler als Zertifizierungen, die auf Erklärungen beruhen und denen „Unternehmen zu sehr vertrauen“, so Michela Mossali, Business Development Managerin von Oritain.
Rückverfolgbarkeit gilt auch für die französische Lederbranche, die die Einschränkungen der allgemeinen Agrarpolitik sprengen muss, um unter Einhaltung der Tierschutzbestimmungen die Herstellung erstklassiger Produkte zu ermöglichen.
Isabelle Guichot, Generaldirektorin der SMCP (FashionUnited wird Gelegenheit haben, darauf näher einzugehen), gab in sieben Lektionen einen ersten Überblick über den Tag, an dem es darum ging, „die Modebranche neu zu überdenken“. Anschließend übergab sie das Mikrofon an Olivia Grégoire, die stellvertretende Ministerin für kleine und mittlere Unternehmen, Handel, Handwerk und Tourismus. Ihre Rede, die wie die Skizze einer Modepolitik für 2024 klingt, ist auf [FashionUnited.fr](https://fashionunited.fr/actualite/business/fashion-reboot-2023-olivia-gregoire-annonce-l-ebauche-d-une-politique-publique-de-la-mode/2023120133692) zu lesen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.fr. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.