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Wie die EU gegen Missstände in der Modebranche vorgehen will

Von FashionUnited

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EU-Fahnen. Bild: Unsplash

Nach Jahrzehnten von Versäumnissen der Bekleidungs- und Textilbranche gegenüber Umweltauflagen, soll sich jetzt - zumindest in Europa - gesetzlich etwas ändern. Das Europäische Parlament ist derzeit damit beschäftigt, gegen die sozialen und ökologischen Auswirkungen durch eine Reihe von Initiativen vorzugehen.

Vor einer Woche stimmte das EU-Parlament einem Plenumsbeschluss zum EU-Lieferkettengesetz (EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive - CSDDD) mit Mehrheit zu: 366 Parlamentsmitglieder stimmten dafür, 225 dagegen und 38 enthielten sich.

CSDDD

Die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit soll sicherstellen, dass große Unternehmen gegen Zulieferbetriebe vorgehen, die sich nicht an bestimmte Regeln in Bezug auf ihre sozialen und ökologischen Praktiken halten und befasst sich mit Bereichen wie Kinderarbeit, Sklaverei, Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung, Umweltzerstörung und Verlust der biologischen Vielfalt.

„Unternehmen werden verpflichtet, die negativen Auswirkungen ihrer Tätigkeiten in diesen Bereichen zu ermitteln und gegebenenfalls zu verhindern, zu beenden oder abzumildern. Sie müssen auch die Auswirkungen ihrer Partner:innen in der Wertschöpfungskette überwachen und bewerten, und zwar nicht nur bei den Zulieferbetrieben, sondern auch in den Bereichen Verkauf, Vertrieb, Transport, Lagerung, Abfallentsorgung und anderen Bereichen“, erklärte das Europäische Parlament in einer Pressemitteilung.

Die Vorschriften würden für alle in der EU ansässigen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro sowie für Muttergesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten. Dies stieß gerade beim deutschen Mittelstand und Verbänden auf erhebliche Kritik.

Darüber hinaus würden die Regeln auch für Nicht-EU-Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten, wenn mindestens 40 Millionen Euro davon in der EU erwirtschaftet werden.

Sanktionen und Schadensersatz drohen

Aber das ist noch nicht alles; die Richtlinie würde Unternehmen auch dazu verpflichten, einen Übergangsplan einzuführen, der mit dem Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, im Einklang steht. Für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden wird sich die Erfüllung der Ziele direkt auf die variable Vergütung der Führungskräfte auswirken.

Unternehmen, die sich nicht an die Vorschriften der Richtlinie halten, wären schadenersatzpflichtig und könnten von den nationalen Aufsichtsbehörden mit Sanktionen belegt werden. Zu diesen gehören etwa die „Benennung und Anprangerung“, die Rücknahme der Waren des Unternehmens vom Markt oder Geldstrafen von mindestens 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes. Unternehmen außerhalb der EU würde der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen in der EU drohen. Der Vorschlag stützt sich auf ein ähnliches Vorhaben der Europäischen Kommission, das den Verkauf von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, auf dem EU-Markt verbieten soll und über das der Ausschuss noch entscheiden muss.

In einem nächsten Schritt wird das Europäische Parlament nun seine Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über den endgültigen Text der Gesetzgebung aufnehmen. Diese hatten ihren Standpunkt zum Richtlinienentwurf bereits im November 2022 festgelegt.

„Die Unterstützung des Europäischen Parlaments ist ein Wendepunkt im Denken über die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft. Ein Gesetz zur Unternehmensverantwortung muss sicherstellen, dass die Zukunft bei Unternehmen liegt, die Menschen und Umwelt auf gesunde Weise behandeln - und nicht bei Unternehmen, die aus Umweltschäden und Ausbeutung ein Einkommensmodell gemacht haben“, kommentiert die niederländische Politikerin Lara Wolters.

„Die meisten Unternehmen nehmen ihre Pflicht gegenüber Mensch und Umwelt ernst. Wir helfen diesen Unternehmen mit diesem ‘Fair-Business-Gesetzt’. Und gleichzeitig schalten wir die wenigen großen Cowboy-Unternehmen aus, die sich nicht an die Regeln halten“, fügt Wolters hinzu.

Auch Fast Fashion geht es an den Kragen

Ein wichtiger Teil der aktuellen Bemühungen der EU, Probleme in der Modebranche anzugehen, besteht in Form von Gesetzen und Vorschlägen, die in erster Linie darauf abzielen, „Fast Fashion“ ein Ende zu setzen. Zuletzt hatte das Parlament Empfehlungen für die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien angenommen, in denen gefordert wird, dass in der EU verkaufte Textilerzeugnisse „haltbarer, leichter wiederverwendbar, reparierbar und recycelbar“ sein sollen. In der gesamten Lieferkette sollte die Produktion auch die Menschen-, Sozial- und Arbeitsrechte sowie den Umwelt- und Tierschutz respektieren.

Der Vorschlag ist Teil des europäischen Green-Deal-Pakets, dessen Ziel es ist, fast alle materiellen Güter auf dem EU-Markt während ihres gesamten Lebenszyklus umweltfreundlicher, zirkulär und energieeffizient zu machen. Zu den weiteren Vorschlägen des Pakets gehören die Schaffung eines Rechtsrahmens, um sicherzustellen, dass die Klimaziele erreicht werden können, sowie neue Vorschriften, die Verbraucher:innen mehr Informationen an die Hand geben, damit sie nachhaltigere Entscheidungen treffen können.

ESPR

Im vergangenen Jahr verabschiedete die Europäische Kommission auch eine neue Verordnung über die umweltgerechte Gestaltung nachhaltiger Produkte (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR), die jetzt im EU-Parlament zur Debatte steht und 2025 in Kraft treten könnte. Der Gesetzentwurf sieht die Einführung eines digitalen Passes für eine Reihe von Produkten vor, darunter auch Kleidung, und würde die Vernichtung unverkaufter Kleidung verbieten.

„Verbraucher:innen allein können den globalen Textilsektor nicht durch ihre Kaufgewohnheiten reformieren. Wenn wir dem Markt erlauben, sich selbst zu regulieren, öffnen wir die Tür für ein Fast-Fashion-Modell, das Menschen und die Ressourcen des Planeten ausbeutet. Die EU muss die Herstellungsbetriebe und großen Modeunternehmen gesetzlich verpflichten, nachhaltiger zu wirtschaften. Die Menschen und der Planet sind wichtiger als die Profite der Textilindustrie”, erklärt Delara Burkhardt, Mitglied des Europäischen Parlaments, die Notwendigkeit der ESPR.

Wie dringlich eine strengere Regelung ist, zeigt ein in dieser Woche veröffentlichter Bericht der EU-Kommission, in dem sie 18 Mitgliedstaaten identifiziert, die Gefahr laufen, eines oder beide der Ziele für die Wiederverwendung und das Recycling von Verpackungsabfällen für 2025 und die Deponierung für 2035 zu verfehlen. Zu diesen Ländern gehörten Portugal, Spanien, Schweden, Frankreich, Irland, Griechenland und Irland. Neun Staaten, darunter Österreich, Belgien, Deutschland, Italien und die Niederlande, sind dagegen auf dem besten Weg, die Ziele für 2025 zu erreichen. Der Bericht stellt fest, dass es in der EU erhebliche Unterschiede in der Abfallbewirtschaftung gibt, und fügte hinzu, dass Reformen erforderlich seien, um die Quoten zu verbessern.

Weitere gesetzliche Initiativen

Andere neue Gesetze, die das Europäische Parlament anstrebt, zielen insbesondere auf den Umgang mit Textilien ab, die negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, Mikroplastik zum Beispiel. Dieses Thema wurde ein durch Anfang des Jahres veröffentlichtes Grundlagenpapier vorangetrieben, in dem die EU aufgefordert wird, Filter in Waschmaschinen vorzuschreiben. Im April begrüßte die EU-Kommission auch die positive Abstimmung über einen Vorschlag des Reach-Ausschusses zur Beschränkung von Mikroplastik, das Produkten absichtlich zugesetzt wird. Der Vorschlag unterliegt derzeit einer dreimonatigen Prüfung durch das Europäische Parlament und den Rat, bevor er von der Kommission angenommen werden kann.

Die Europäische Union hat sich auch darauf geeinigt, die Einfuhr von Produkten zu verbieten, die mit der Abholzung von Wäldern in Verbindung gebracht werden, und plant die Einführung strenger Kontrollen sowie strenge Sorgfaltspflichten für Unternehmen, die entsprechende Produkte auf den EU-Markt bringen wollen. Im Einklang mit dem Gesetz müssen Unternehmen auch genaue geografische Informationen über die Anbauflächen sammeln, aus denen ihre Materialien stammen, damit diese auf ihre Konformität hin überprüft werden können.

Schließlich hat das Europa-Parlament auch für strengere Regeln bei Online-Einkäufen gestimmt, die Verbraucher:innen vor gefährlichen Produkten schützen und schnellere Rückrufe ermöglichen sollen.

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