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Wie krisensicher und verantwortungsbewusst ist die Modebranche?

Von Simone Preuss

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Welche Verantwortung haben Unternehmen? Und wie können Kooperationen und innovative Arbeits- und Produktionsprozesse zu mehr Nachhaltigkeit und einem Systemwandel führen? Diese Fragen hat die derzeitige Corona-Krise beschleunigt und Unternehmen versuchen, sie für sich sinnvolle Weise zu beantworten.

Auf der jüngst zu Ende gegangenen nachhaltigen Messe Neonyt, die zum ersten Mal ganz virtuell abgehalten wurden, sprach Content Director Max Gilgenmann mit der langjährigen Neonyt-Partnerin und Fair-Fashion-Pionierin Kristin Heckmann von Hessnatur, Lisa Jaspers vom Fair Fashion Label Folkdays Berlin und Mandie Bienek vom Fashion Council Germany über das globale Problem von Unterbrechungen in der Lieferkette und Auftragsstornierungen in Produktionsstätten und wie man die derzeitige Krise dazu nutzen kann, langfristige Veränderungen zu erreichen. FashionUnited hat die Höhepunkte des Gesprächs “The new value of responsibility and resilience in Fashion”, das am 16. Juli 2020 veröffentlicht wurde, zusammengefasst.

Lisa Jaspers von Folkdays Berlin wies auf die Tatsache hin, dass die Produktion in den letzten Jahrzehnten weit internationaler geworden ist und ein Geschäftsmodell unterstützt, das nicht nur nicht mehr verantwortlich ist, sondern auch nicht mehr funktioniert, wie Überproduktion, schlechte Produktqualität, unfaire Arbeitsbedingungen und oft horrende Umweltstandards zeigen. “Das System hängt am seidenen Faden”, sagt Bienek. “Widerstandsfähigkeit hat viel damit zu tun, ehrlich über die bestehenden Auswirkungen zu sein und zu versuchen, sie zu berechnen. Alle Kosten, die Hersteller, die Umwelt und Entsorgungsfirmen derzeit haben - niemand bezahlt dafür und es rechnet sich alles zusammen.” Für sie wäre ein umfassendes Lieferkettengesetz, wie es in Deutschland geplant ist, keine komplette Lösung, aber zumindest ein Ansatzpunkt.

Wie kann man Lieferketten krisensicherer machen?

Auf die Frage, wie man Lieferketten krisensicherer machen kann, antwortet Kristin Heckmann von Hessnatur mit dem Ausgangspunkt, dass man sowohl Widerstandsfähigkeit als auch Verantwortung brauche: “Ein nachhaltiges Unternehmen geht Hand in Hand mit einer nachhaltigen Produktion. Die Natur, die Menschen und die Umwelt müssen einbezogen werden.” Bei Hessnatur heißt dies, dass Schlüsselelemente wie langjährige Partnerschaften, höchste ökologische Produktionsstandards, faire Produktion und die Einbeziehung der gesamten Lebensdauer eines Produkt heute genauso gelten wie zu den Gründungszeiten des Unternehmens. “Die Message ist eigentlich sehr einfach: Unsere Aktivitäten und unsere Produkte müssen im Einklang mit der Natur, mit der Umwelt und mit den Menschen stehen. Und wenn wir damit Erfolg haben - und das ist es, was uns jeden Tag erneut antreibt - dann wird unser Unternehmen erfolgreich sein”, fasst Heckmann zusammen.

Mandie Bienek weist auf die problematische Konnotation des Begriffs ‘Krisensicherheit’ hin: “Es hört sich an, als suchten wir nach Lösungen, wie wir uns besser für den nächsten Zusammenbruch vorbereiten können. Wir müssen zwar über die Auswirkungen sprechen, aber noch dringender über die Auslöser. Krisensicherheit kann kein Ansatzpunkt für ein Unternehmen sein. Wir müssen uns über den Kern der Branche Gedanken machen, über den endlosen Konsum.”

Für sie bringt eine Krise wie die derzeitige Corona-Pandemie alle Ungerechtigkeiten zu Tage, die sich in der Lieferkette zeigen und die radikal verändert werden müssen: “Es beginnt mit unserer Denkweise, dem globalen, kollektiven Bewusstsein, wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Es geht nicht so sehr um einen Wechsel von global zu lokal, es geht mehr darum, über die Logik des Wirtschaftswachstums nachzudenken. Wenn junge Designer sich zum Beispiel fragen ‘Wozu dient mein Produkt, wie können Menschen, Umwelt und Planet von diesem Produkt profitieren?’ Wir brauchen ein System, das Menschen, Produkte und den Planeten in der Zukunft in ein Gleichgewicht bringen kann", fasst sie zusammen.

Wie kann man das derzeitige System ändern?

Heckmann weist darauf hin, dass alle an einem Strang ziehen müssen, um das System selbst verändern zu können. “Wenn jeder diese Haltung einnehmen würde, hätten wir viel erreicht. Stattdessen sind die Menschen überwältigt und sagen: ‘Aber was kann ich tun? Ist das wirklich wichtig? Macht es wirklich einen Unterschied?’ Das tut es. Ökologische und faire Produktion sollte zur Regel werden und nicht zur Ausnahme und würde dadurch widerstandsfähiger werden. Die Krise hat gezeigt, wie unausgewogen die Lage ist.”

Als mittelgroßes Unternehmen setzt Hessnatur auf langjährige Partnerschaften und die häufige Kommunikation mit Partnern, um eine transparente Lieferkette zu gewährleisten. So kann vieles flexibler angegangen werden. Was die Materialseite angeht, brauchen Veränderungen wie Krisensituationen sie erfordern jedoch Zeit, da es sich um hochwertige Spezialmaterialien handelt.

Als kleines Unternehmen hat Folkdays es geschafft, von Anfang an global zu sein und arbeitet mit Partnern in Afrika, Südostasien und anderen, oft abgelegenden Gegenden der Welt zusammen. “Unser Ausgangspunkt war nicht, eine Modemarke zu werden, sondern ein Mittel, um soziale und wirtschaftliche Veränderungen hervorbringen zu können. So versuchen wir, eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten funktioniert. Dies hört sich kompliziert an, macht das Arbeiten aber im Gegenteil sehr einfach, da man Entscheidungen trifft, die immer auf den gleichen Prinzipien beruhen und das Ziel klar ist. Dies macht uns gleichzeitig auch flexibel”, erklärt Jaspers.

Was wird sich als zukunftssicher erweisen?

Für Bienek sind Innovationen und Technologie die Zukunft einer nachhaltigen Modebranche, gerade im Bezug auf eine Kreislaufwirtschaft. Hier zahlen sich ihrer Meinung nach Kollaborationen aus und sie verweist auf einen ihrer Kunden, die nachhaltige Modemarke Ecoalf, die im Bereich Fasern und Recyclingsysteme mit fantastischen Partnern zusammenarbeitet. Zudem steht eine effektive und weitreichende Kommunikation im Zentrum, die die sozialen Medien auf positive Weise nutzen kann.

“Wenn uns Nachhaltigkeit im Blut liegt, dann kümmern wir uns um andere”, gibt Gilgenmann zu bedenken und fragt, ob man unter diesem Aspekt lokal mit global in Bezug auf Lieferketten verbinden kann.

Für Heckmann geht es im Endeffekt um die Verantwortlichkeit, die man als Unternehmen für seine Lieferketten und Produkte übernimmt. Bei Hessnatur entwickelte sich dies im Laufe der Jahre und durch spezielle Materialien und Fasern wie Hanf und Alpaca. Die Hälfte der Produktion geschieht in Europa und es ist wichtig, dass die Partner ebenfalls neue und innovative Wege finden wollen. Das Gleichgewicht mit der Natur und Umwelt ist für sie entscheidung für den Erfolg eines Unternehmens.

Jaspers hofft auf das neue Lieferkettengesetz, dass eine große Veränderung bedeutet. “Aber Unternehmen wie Hessnatur werden den Weg weisen müssen”, sagt sie. “Ich bin ziemlich optimistisch. Ein Gesetz zu haben bedeutet, Verantwortung auf vielen Ebenen zu übernehmen, und es wird den Weg für grundlegende Veränderungen ebnen.”

Bienek fordert Branchenakteure auf, sich dem Fashion Council Germany anzuschließen. “Wir brauchen vereinte Kräfte auf allen Ebenen, denn wir können das System nicht als Einzelne verändern. Corona hat gezeigt, dass wir gemeinsam stärker sind.”

Bilder: Screenshots Neonyt-Talk, Folkdays Webshop, Fashion Council Germany, Hessnatur

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