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Wie sich die Sustainable Terms of Trade Initiative für fairere Einkaufspraktiken einsetzt

Von Simone Preuss

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Business |Interview

Handschlag. Bild: Cytonn Photography / Pexels

Wenn es hart auf hart kommt, sind es oft die herstellenden Betriebe am Ende der Lieferkette, die die Hauptlast zu tragen haben: Aufträge werden storniert, Zahlungen verzögert oder Lieferzeiten immer kürzer. Im September 2021 wurde die Initiative für nachhaltige Handelsbedingungen (Sustainable Terms of Trade Initiative - STTI) gegründet, eine globale, herstellergesteuerte Initiative, die sich auf die Schaffung fairerer Einkaufspraktiken in der Textil- und Bekleidungsindustrie konzentriert. 

Mehr als zwei Jahre später wurden bereits viele Meilensteine erreicht und Hürden überwunden. FashionUnited sprach mit dem Generalsekretär der International Apparel Federation, Matthijs Crietee, über einige der Errungenschaften der Initiative, die Rolle der Sorgfaltspflicht, den Weg nach vorn und mehr.

STTI wird vom STAR-Netzwerk (Sustainable Textile of the Asian Region), dem Better Buying Institute und der International Apparel Federation (IAF) geleitet und von 13 Verbänden der Bekleidungsindustrie aus 10 Ländern getragen, darunter BGMEA und BKMEA (Bangladesch), TAFTAC (Kambodscha), CNTAC (China), AEPC (Indien), API (Indonesien), Amith (Marokko), PTA, TMA und PTEA (Pakistan) und TCMA (Türkei).

Was sind einige der  wichtigsten Errungenschaften der Initiative?

Die Veröffentlichung eines White Papers im September 2021 war laut Criettee der erste wichtige Erfolg: „Das White Paper beantwortet die Frage: Welche Einkaufspraktiken müssen Hersteller:innen bei ihren Kund:innen anwenden und welche Einkaufspraktiken möchten sie nicht mehr sehen?” 

„Es war einzigartig, weil es Hersteller:innen selbst die Prioritäten bestimmen ließ. Es führte das Konzept der ‘kommerziellen Complianc’ ein - ein gemeinsames Verständnis von Einkaufspraktiken, die herstellenden Betrieben keinen offensichtlichen und vermeidbaren Schaden zufügen und sie nicht daran hindern, ihre Ziele für nachhaltige Geschäfte zu erreichen - wobei die Terminologie bewusst gewählt wurde, um die Bedeutung der Gegenseitigkeit in den Beziehungen der Lieferkette zu vermitteln“, erklärt Criettee.

Ein großer Teil des White Papers wurde auch in die gemeinsamen Rahmenbedingungen für verantwortungsvolle Einkaufspraktiken („Common Framework“) aufgenommen, die von einer Gruppe von Multi-Stakeholder-Initiativen geschaffen wurden, darunter die Fair Wear Foundation, die Ethical Trade Initiative (ETI) und die deutsche Partnerschaft für nachhaltige Textilien. Dies war eine zweite wichtige Errungenschaft, zu der auch die Ausarbeitung einer Absichtserklärung zwischen STTI und der Fair Wear Foundation sowie STTI und ETI gehörte. 

Das gemeinsame Rahmenwerk von STTI und dem „Common Framework“ lieferte auch einen wichtigen Beitrag für das Brand Retail Module (BRM) der Sustainable Apparel Coalition und diente als Grundlage für die Supplier Model Contract Clauses des Responsible Contracting Project (RCP). Erwähnenswert ist auch die regelmäßige Teilnahme an zahlreichen internationalen Konferenzen, darunter das jährliche OECD-Forum zur Sorgfaltspflicht im Bekleidungs- und Schuhsektor. 

Durch die Zusammenarbeit mit dem Better Buying System wurde sichergestellt, dass Fragen zur „Commercial Compliance“ in die Lieferantenbefragungen aufgenommen werden. STTI unterstützt die Herstellenden auch bei der Einbindung in die Lern- und Umsetzungsgemeinschaft sowie in das „Common Framework“, um mit den Marken bei der Verbesserung der Einkaufspraktiken zusammenzuarbeiten. Nicht zuletzt dient STTI als Katalysator und Beispiel für eine stärkere Einbeziehung der Zulieferbetriebe in die Gestaltung und Durchführung globaler Nachhaltigkeitsinitiativen.

IAF und STTI betonen, dass Einkaufspraktiken für eine wirksame Sorgfaltsprüfung von grundlegender Bedeutung sind. Wie unterstützt STTI die europäische Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit?

„Einkaufspraktiken sind in den OECD-Leitlinien zur Sorgfaltspflicht für den Bekleidungs- und Schuhsektor eindeutig enthalten, und STTI betont diesen Punkt in seinen Kontakten mit Gesetzgeber:innen und den Medien“, so Criettee. 

„STTI kommuniziert auch mit den teilnehmenden Hersteller:innen und ihren Verbänden, dass die europäische Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht der Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit, wenn sie richtig umgesetzt wird, sehr gut für sie ist, insbesondere weil sie die Notwendigkeit verbesserter Einkaufspraktiken einschließt. Je mehr Herstellende erkennen, dass diese Gesetzgebung potenziell eine große Verbesserung gegenüber dem derzeitigen, auf Audits und Risikoverlagerung basierenden Nachhaltigkeitsansatz darstellt, desto mehr werden sie in der Lage sein, ihre Kund:innen zur korrekten Einhaltung der neuen Gesetzgebung zu drängen und zu unterstützen. STTI wird sich also auf den Wissenstransfer an ihre eigenen Mitglieder konzentrieren, um die korrekte Umsetzung der Gesetzgebung zu unterstützen, die letztendlich eine Verbesserung der Einkaufspraktiken fördert“, fügt Criettee hinzu.

STTIs Ziel ist es, einen wesentlichen Beitrag zu Einkaufspraktiken zu leisten, die es Textil- und Bekleidungsherstellenden ermöglichen, sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig zu wirtschaften. Bild: STTI

Wann immer eine Krise wie die jüngste Covid-Pandemie, Inflation oder Naturkatastrophen wie Erdbeben auftreten, versuchen Einkäufer:innen, die Preise zu senken oder Aufträge zurückzuziehen - wie kann STTI in solchen Fällen helfen?

„Wir alle arbeiten in dem Bewusstsein, dass wir es mit systemischen Problemen zu tun haben. Die Art und Weise, wie die Modebranche organisiert ist und wie sie von den vorherrschenden Geschäftsmodellen diktiert wird, führt zu einem ständigen und harten Preisdruck. In diesem Zusammenhang werden Änderungen der Einkaufspraktiken nicht plötzlich eintreten; es bedarf einer Kombination aus einer Änderung der Geschäftsmodelle und gesetzgeberischem Druck. STTI arbeitet an beidem“, erklärt Criettee. 

„Derzeit und in den kommenden Jahren werden wir mit unseren Partner:innen an der Entwicklung einer institutionellen Infrastruktur arbeiten, die es Gesetzgeber:innen und anderen ermöglicht, die Einkaufspraktiken der Einkäufer:innen und ihre Bemühungen (ihre Sorgfaltspflicht) zur Verbesserung ihrer Einkaufspraktiken zu bewerten. Wir werden mit unseren Partner:innen zusammenarbeiten und versuchen, die Umsetzung der europäischen Sorgfaltspflichtgesetze so zu beeinflussen, dass sie wirklich zu verbesserten Einkaufspraktiken führen", fügt Criettee hinzu.

STTI-Partner IAF wird außerdem zusammen mit dem International Trade Centre (ITC) im ersten Quartal 2024 eine Abhandlung zu alternativen Beschaffungsmodellen auf der Grundlage von „Shared Risk“ veröffentlichen. „Dies wird allen Partner:innen entlang der Lieferkette mehr Einnahmen verschaffen, so dass die Gewinnspannen pro Produkt und eine bessere wirtschaftliche Grundlage für eine gleichmäßigere und gerechtere Verteilung von Risiken und Erträgen in der Lieferkette geschaffen werden können“, so Criettee.

Der Mindestlohn in Bangladesch ist nach wie vor einer der niedrigsten weltweit, selbst nach der jüngsten Erhöhung durch die Lohnbehörde. Was kann eine Initiative wie STTI tun, um faire und existenzsichernde Löhne zu unterstützen?

Criettee weist darauf hin, dass es bei STTI um Einkaufspraktiken und um die Zusammenarbeit zwischen Herstellenden und ihren Verbänden weltweit geht. „STTI ist nicht dazu da, sich direkt mit der Frage der Löhne zu befassen. Es ist jedoch unbestreitbar, dass Löhne mit den Einkaufspraktiken verbunden sind. Das Gleiche gilt für die Beziehung zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und Einkaufspraktiken. Wie wir hier sagen: ‘Man kann nicht grün handeln, wenn man rote Zahlen schreibt’. In der STTI-Vision wird also die Verbesserung der Einkaufspraktiken den notwendigen Raum für die Verbesserung der sozialen und ökologischen Bedingungen in der Bekleidungs- und Textilindustrie schaffen“, erklärt Criettee.

Was kann man in Bezug auf künftige Veranstaltungen oder Meilensteine erwarten, die derzeit in der Pipeline sind?

Als einige der Aktivitäten, die direkt von der STTI oder von einigen ihrer Partner:innen in Zusammenarbeit mit STTI durchgeführt werden, nennt Criettee die gemeinsame Veröffentlichung einer Studie über die „vollständige Rentabilität der Lieferkette“, Pilotprojekte zur Umsetzung der RCP-Lieferantenklauseln und Schulungen für Herstellende, Einkäufer:innen und beide zum Thema Sorgfaltspflicht im Bereich Nachhaltigkeit. 

Weitere wichtige Bereiche sind die fortgesetzte Arbeit am Aufbau von Beschwerdemechanismen für Herstellende zu Einkaufspraktiken und die laufende Beteiligung von Herstellenden an der Lern- und Umsetzungsgemeinschaft sowie die Arbeit an der Schaffung eines Bewertungsrahmens für Einkaufspraktiken. 

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Dieses Interview wurde in schriftlicher Form geführt.

IAF
INTERNATIONAL APPAREL FEDERATION
Interview
Sourcing
STTI
Sustainable Terms of Trade Initiative