‘Wir denken wie eine Marke’: Ben And-CEO Ben Botas über Augenhöhe, Führung und das Wachstum der Modeagentur
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Die Münchner Modeagentur Ben And hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der einflussreichsten Vertriebspartner im europäischen Raum entwickelt. Während sich die meisten klassischen Agenturen weiterhin ausschließlich auf den Vertrieb konzentrieren, verfolgt Ben And einen anderen Ansatz. Mit über 2.000 Handelspartner:innen, vier permanenten Showrooms und eigenem Retail- und Analytics-Team agiert das Unternehmen nicht als Vermittler, sondern als verlängerter Arm der Labels.
Welche Rolle D2C-Brands für den stationären Handel spielen, warum Authentizität zum entscheidenden Faktor im Markenaufbau wird und weshalb Vertrieb für ihn ein kreativer Akt ist, erklärt Gründer und CEO Ben Botas im Interview.
Sell-through statt Sell-in
Botas’ Leitprinzip ist klar: Sell-through schlägt Sell-in. Nicht der Auftragseingang entscheidet über Erfolg, sondern der reale Abverkauf auf der Fläche. Dafür hat Ben And Strukturen geschaffen, die tief ins operative Retail-Geschehen greifen: ein Retail- und Sales-Analytics-Team, über 3.000 Quadratmeter Showrooms sowie eigene Tools, die Daten aus allen Kanälen bündeln. Herzstück ist ein Sales-Analytics-System auf Salesforce-Basis, in das Ben And über eine Million Euro investiert hat. „Das heißt, da werden alle Daten zusammengefasst und getrackt, ausgewertet, aber dann eben auch reported“, erklärt Botas. Die Folge: klare Übersicht, schnelle Entscheidungen, präzise Steuerung.
Wie sich das im Alltag zeigt, verdeutlichen Power-Selling-Programme auf Premiumflächen wie Breuninger Düsseldorf und Stuttgart oder im KadeWe: Sales-Profis von Ben And verkaufen markenübergreifend direkt auf den Flächen. Weiter kümmert sich das Merchandise Control Team um Abverkäufe, Reorder oder Swaps. Ergänzt wird das durch Store-Visits, Schulungen, VM Support und In-Store-Events – ein fein abgestimmtes Zusammenspiel aus Daten, Präsenz und Retail-Performance.
Auswahl mit Anspruch: ab Minimum 3 Millionen wird es ernst
Ben And arbeitet selektiv. „Wir stehen für das Ganzheitliche. Wir sind eigentlich keine Vertriebsagentur, sondern wir sind die Marke selber“, sagt Botas. Profitabel wird eine Marke bei Ben And erst ab rund drei Millionen Euro Jahresumsatz. Offenheit, Investitionsbereitschaft und ein gemeinsamer Weitblick seien deshalb Grundvoraussetzungen. Das Onboarding folgt einem transparenten Prozess: Merchandise Control klärt technische Grundlagen, Reorder- und NOS-Strukturen; das Marketing erhält Content und Ansprechpartner; ein Brandbook bereitet interne und externe Kommunikation vor.
Eine besondere Dynamik sieht Botas dort, wo D2C-Marken in den Wholesale expandieren. Ein prägendes Beispiel: Naked. „Wir haben im ersten vollen Jahr über 30 Millionen Wholesale-Umsatz gemacht, ohne Vorerfahrung“, sagt Botas. „Das hat uns gezeigt, welches Potenzial D2C-Brands im Handel haben.“ Der Übergang sei jedoch anspruchsvoll: Logistik, Margenmodelle, Order- und Lieferrhythmen, Sample-Prozesse und Flächenpräsentation müssten neu gedacht werden. Letztes erfolgreiches Beispiel ist Oh April, das nach dem Launch im Wholesale alle Erwartungen übertroffen hat. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Handel gewinnt neue Zielgruppen, Communities sehen ihre Marke erstmals auf der Fläche und Drehgeschwindigkeiten steigen rapide.
Aus dieser Erfahrung zieht Botas eine klare Schlussfolgerung für die Zukunft. „Ich sehe eine starke Opportunity bei Communities. Preis und Produkt reichen nicht. Wer heute gewinnt, erzählt authentisch und performt am POS.“ Der Anspruch deckt sich mit der neuen Partnerschaft mit The Wants Social: Social-first-Marketing, kombiniert mit gezielten Retail-Aktivierungen, um Brand Heat und Awareness messbar zu steigern. Für Botas ist das eine logische Erweiterung des eigenen Anspruchs, Marken ganzheitlich zu begleiten.
Gleichzeitig wächst Ben And intern weiter, und das bei bemerkenswert niedriger Fluktuation. In kurzer Zeit ist das Team auf über 50 Mitarbeiter:innen angewachsen, getragen von einem Führungsstil, der nahbar, direkt und pragmatisch ist. Erwartungen sind klar, Entscheidungen schnell, Leistung wird sichtbar honoriert. Gesucht werden Persönlichkeiten mit Haltung und Ausdauer. „Wichtiger als Noten ist, dass jemand loyal zur Company ist, Verantwortung übernimmt und Gas gibt.“ Lebensläufe mit zu vielen Sprüngen überzeugen ihn dagegen weniger.
Expansion: sechs neue Marken, keine Grenzen
Ben And wächst weiter – trotz vorsichtiger Konsolidierungspläne. Sechs neue Brands sind derzeit im Onboarding, darunter das dänische Label Baum und Pferdgarten, Robbie Williams’ Marke Hopeium, die in Amsterdam ansässigen Bram’s Fruit und Mercer sowie Black Palms; beim französischen Label Soeur läuft die finale Bestätigung. Einen europäischen Fokus gibt es dabei nicht: „Wir suchen relevante Brands mit Potenzial – egal ob neu, upcoming oder bereits etabliert.“
Botas’ Ansatz ist eindeutig: Vertrieb endet nicht bei der Order, er beginnt auf der Fläche. Abverkauf, Nähe zum Handel, Tempo und klare Daten bilden die Grundlage. „Wir haben uns in den letzten drei Jahren verdoppelt, weil wir anders denken.“ Marken wachsen dort, wo jemand wie eine Marke handelt. Genau hier setzt Ben And an und setzt Maßstäbe dafür, wie moderner Wholesale heute funktioniert.