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Datensammeln am POS: Kunden sehen das kritisch

Von Regina Henkel

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Einzelhandel

Gesichtserkennung am stationären POS wird von den Kunden als unheimlich empfunden, Zahlen per Fingerabdruck dagegen ist cool. Die Nutzung digitaler Personalisierungs-Technologien schwankt zwischen Begeisterung und Ablehnung. Wer sie offensiv nutzen will, muss sich auf geteilte Meinungen einstellen.

Gesichtserkennung: finden viele unheimlich

Erst vor wenigen Wochen hat die deutsche Supermarktkette Real mit der Nutzung einer Gesichtserkennungs-Software in ihren Märkten für Aufregung gesorgt. Dabei ging es darum, vor Werbebotschaften die Augen der Kunden zu tracken um daraus Erkenntnisse für bestimmte Produkte abzuleiten. Die Nachricht erntete deutschlandweiten Protest bei Datenschützern und besorgten Kunden. Auch Klagen wurden eingereicht. Das Ergebnis: Real lenkte ein und verkündete den Stopp dieser Maßnahme.

Eine Umfrage zu aktueller Store-Technologie von RichRelevance, einem Anbieter von Omnichannel Personalisierung, der z.B. Kunden wie Breuninger, Blue Tomato oder FC Schalke betreut, belegt ebenfalls das große Misstrauen der Kunden gegenüber dem Gesichtserkennungstool. Während die große Mehrheit der befragten Konsumenten solchen Technologien positiv gegenüber stehen, die zur Personalisierung des Einkauferlebnisses beitragen, sind nur 30 Prozent damit einverstanden, dass der Handel stärker persönliche Informationen sammelt. Fast 70 Prozent empfanden vor allem die Gesichtserkennung als unheimlich.

Big Brother erobert den stationären Handel

Kameras am Ladeneingang oder im Geschäft sind tatsächlich mehr als eine Sicherheitsmaßnahme gegen Ladendiebstähle. Immer mehr Einzelhändler nutzen die Videotechnologie heute auch dafür, Daten über ihre Kunden und deren Verhalten zu sammeln. Was im Onlinehandel längst üblich ist, soll auch den stationären Geschäften zugutekommen. Das Ziel: Man will mehr erfahren über die eigene Kundschaft und personalisierter auf sie reagieren. So können Kameras Personen zählen und mithilfe einer speziellen Software auch kategorisieren nach Geschlecht, Alter und Kleidermarken. Daraus lassen sich Rückschlüsse hinsichtlich Vorlieben und Kaufkraft der jeweiligen Personen ziehen. Kameras können auch Laufwege analysieren und Orte registrieren, wo Kunden stehen bleiben. Selbst die Bewegung der Augen und die Gefühle der Kunden wollen Kameras erfassen können. All diese Informationen lassen sich unpersonalisiert statistisch auswerten.

Das Ziel: Reagieren in Echtzeit

Die eigene Kundschaft besser kennenzulernen ist natürlich attraktiv. Noch interessanter wird es, wenn man die Erkenntnisse aus den gesammelten Daten gleich in Echtzeit interpretieren und anwenden kann. So können die digitalen Werbebotschaften im Laden, die z.B. auf Screens laufen oder über Push-Nachrichten aufs Handy kommen, in Echtzeit an die Kunden im Laden angepasst werden. Bis hin zu einer personalisierten Preisgestaltung, die von Kundenseite natürlich ebenfalls kritisch betrachtet wird. Letztlich ist die Videotechnik bereits so ausgereift, dass sie auch Personen identifizieren kann. Bereits an Flughäfen hilft sie z.B. VIPs und Kriminelle zu erkennen. In einem Laden können solche Kameras Personen mit Hausverbot identifizieren und in Echtzeit die entsprechenden Maßnahmen einleiten, erklärt z.B. der Spezialist für Videotechnologie, Axis, auf seiner Website.

Cool ist, was Zeit spart

Zwar hegen viele Kunden gegenüber der Gesichtserkennung ein gewisses Misstrauen, in Bezug auf andere Formen der digitalen Datensammlung sind sie aber überraschend aufgeschlossen. So haben in der erwähnten Studie immerhin mehr als die Hälfte kein Problem damit, per Fingerabdruck zu bezahlen. Auch Kameras in Umkleidekabinen, mit deren Hilfe Bilder in den sozialen Netzwerken gepostet oder neue Produkt- und Kombinationsvorschläge über Screens eingeblendet werden können, finden mehr als die Hälfte der befragten Konsumenten interessant. Auch individuelle Rabatte und Produktvorschläge, die abhängig vom Standort im Laden auf dem Smartphone angezeigt werden, kommen bei der Mehrheit an. Sobald eine Technologie also erkennbare Vorteile bringt, als praktisch und zeitsparend beurteilt wird, fällt die Bewertung wesentlich unkritischer aus. Das weiß z.B. auch Handelsriese Amazon, der mit „Amazon Go“ in den USA gerade einen stationären Laden mit einer in-store Technologie ausprobiert, die ganz ohne Kassen auskommt. Die Kunden werden über eine auf dem Smartphone installierte App identifiziert - und der Einkauf beim Verlassen des Ladens direkt über Amazon abgerechnet. Hier verschmelzen digitales und reales Kundenprofil miteinander und erhalten eine neue Qualität.

Vertrauen wird immer wichtiger

Viele warnen davor, mit der Datensammlungswut das Vertrauen der Kunden aufs Spiel zu setzen. Nach einer Studie des Handelsberatungsunternehmens A.T. Kearney sei gerade bei der jungen Zielgruppe weltweit das Vertrauen gegenüber den großen Playern im Markt gestört. Sie müssten sich in den nächsten zehn Jahren auf einen neuen Konsumententyp einstellen, für den Vertrauen zur wichtigsten Grundlade für eine Geschäftsbeziehung wird. Gleichzeitig empfinden gerade diese Kunden es als besonders wichtig, personalisierte Angebote zu bekommen. Nur wer sich mit ihren Bedürfnissen ernsthaft auseinandersetzt und passende Angebote zimmert, bleibt für sie glaubwürdig. Es ist daher viel Fingerspitzengefühl und ein transparentes Datenmanagement nötig, um diesen Drahtseilakt zwischen der Datensammlung und dem vertrauensvollen Umgang damit erfolgreich bestreiten zu können.

Foto: Axis

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