Deutsche Verbände geben Vorbehalte gegen Müllers Textilbündnis auf
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«Schlecht vorbereitet, zu ambitioniert, weltfremd», die Attribute, mit denen das Textilbündnis von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im vergangenen Oktober bedacht wurde, sind wenig schmeichelhaft. Dass viele deutsche Modehersteller und Handelsketten dem Bündnis nun kurz vor dem zweiten Jahrestag des Einsturzes der Textilfabrik Rana-Plaza doch beitreten wollen, ist das Ergebnis ebenso zäher wie diskreter Verhandlungen.
Das Unglück in Bangladesch, durch das damals mehr als 1100 Menschen ihr Leben verloren hatten, war nicht nur ein Weckruf für die Branche. Es ließ hierzulande auch den Ruf nach gesetzlichen Regelungen für die Produktion deutscher Firmen im Ausland laut werden. Statt eines Gesetzes kam: das Textilbündnis.
An den Gesprächen, die nach dem etwas glücklosen Start des Bündnisses im Oktober geführt wurden, waren nicht nur Müllers Ministerialbeamte und die wichtigsten Verbänden der Branche beteiligt. Auch Vertreter unabhängiger Organisationen, die sich für faire Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern einsetzen, saßen mit am Tisch. Das Plazet der Menschenrechtler und Umweltaktivisten ist für Müller wichtig. Er will sich nicht dem Vorwurf aussetzen, er habe seinen «Aktionsplan» für öko-faire Standards in der Lieferkette nun auf Druck von Industrie und Handel so verwässert, dass nichts mehr davon übrig sei. Müller betont: «Wir haben einen hohen Anspruch formuliert mit dem Aktionsplan und der bleibt.» Wer sich nicht an die Ziele des Bündnisses halte, «der fliegt raus».
Entgegengekommen ist das Bündnis den Textilhändlern und -herstellern vor allem bei Grundsätzen, die nach Ansicht der Wirtschaftsvertreter Haftungsrisiken bedeutet hätten. Zudem wurde eine «Mittelstandsklausel» eingebaut. Darin zeigt das Bündnis Verständnis dafür, dass es für kleinere Firmen schwieriger ist, die Einhaltung von Mindeststandards bei ausländischen Zulieferern durchzusetzen als für Weltkonzerne. Denn die großen Player der Branche haben mit ihrer Marktmacht und eigenen Nachhaltigkeits-Abteilungen schon eine andere Ausgangsposition.
Außerdem verpflichtet sich das Textilbündnis, «den Anschluss an europäische und internationale Initiativen und Institutionen zu verfolgen, um über nationale Grenzen hinweg für gleiche Wettbewerbsbedingungen und einen breiten Bündnisbeitritt zu sorgen». Dass dieses Bündnis nicht auf Deutschland beschränkt bleibt, war besonders für den Herstellerverband Textil + Mode eine Voraussetzung dafür, seine anfängliche Skepsis aufzugeben. «Niemand wäre geholfen, wenn schon europäische Firmen nicht mitmachen», erklärt Verbandspräsidentin Ingeborg Neumann.
Sie sagt, bei den Textilien sei es in Deutschland ähnlich wie bei den Lebensmitteln. Viele Verbraucher, die Massentierhaltung und die Ausbeutung von Textilarbeitern ablehnen, sind trotzdem nicht bereit, für eine Jeans oder ein Schweinekotelett mehr zu bezahlen. «Mit nachhaltigen Textilien wird bisher nur ein ganz geringer Umsatz erzielt, aber dieser Markt wächst stark», sagt Neumann.
Gisela Burckhardt vom Steuerungskreis des Textilbündnisses weist allerdings darauf hin, dass ein hoher Preis alleine nicht immer ein Indiz für faire Arbeitsbedingungen sei. Die Edelmarken ließen oft in den gleichen ausländischen Fabriken produzieren wie die Billigketten. Die wichtigsten Produktionsländer der deutschen Bekleidungsindustrie sind aktuell China, Bangladesch und die Türkei.
Für Entwicklungsminister Müller, der sich von der Opposition hatte anhören müssen, er habe das Textilbündnis «versemmelt», ist der Beitritt der Verbände eine große Genugtuung. Das hält ihn allerdings nicht davon ab, die Verbandsspitzen nach der Einigung noch mit forschen Sprüchen zu quälen. Vor allem seine Vision von einem «grünen Knopf» als Verbrauchersiegel für fair produzierte Textilien provoziert bei Verbandspräsidentin Neumann heftiges Kopfschütteln. (DPA)