Die Kaufkraft hat es landschaftlich gerne schön
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Der Wohlstand in Deutschland findet sich oft in landschaftlich schönen Lagen, obwohl es dort teurer sein kann. Nirgends ist die regionale Kaufkraft - also das um die örtlichen Lebenshaltungskosten bereinigte Einkommen - höher als in den beiden oberbayerischen Landkreisen Starnberg und Miesbach, die für ihre "Millionärsseen" bekannt sind.
Das zeigt eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zur regionalen Kaufkraft auf Basis von Zahlen der Jahre 2022 und 2023, die der Deutschen Presse-Agentur exklusiv vorab vorlag. Am unteren Ende der Skala, die nicht nur die verfügbaren Einkommen, sondern auch regionale Preisunterschiede berücksichtigt, finden sich dagegen Städte.
Wie groß sind die Unterschiede?
Deutlich: Ganz vorn liegt der Landkreis Starnberg mit einer regionalen Kaufkraft von 35.392 Euro pro Einwohner:innen. Das ist fast doppelt so viel wie am anderen Ende der Skala, wo Offenbach auf 19.022 Euro kommt. Deutscher Durchschnitt sind 25.790 Euro. Dabei wird die Kaufkraft der Starnberger durch die Berechnungen des IW bereits deutlich nach unten korrigiert. Nominell liegt das verfügbare Einkommen dort nämlich sogar bei mehr als 40.000 Euro. Die Lebenshaltungskosten in Starnberg sind der Studie zufolge allerdings 13,6 Prozent über dem Durchschnitt und gehören damit zu den höchsten in Deutschland – nur München Stadt und Landkreis sowie Frankfurt am Main sind teurer.
Wo gibt es noch besonders hohe Kaufkraft?
Hinter Starnberg folgt der Landkreis Miesbach mit dem Tegernsee. Auch hier sind zwar die Lebenshaltungskosten überdurchschnittlich, das Einkommensniveau liegt allerdings so hoch, dass dies mehr als ausgeglichen wird. Am Ende steht eine preisbereinigte Kaufkraft von 35.335 Euro. Die Plätze drei und vier gehen an den Hochtaunuskreis mit 33.011 Euro sowie Nordfriesland mit Sylt und einer preisbereinigten Kaufkraft von 31.378 Euro.
Es sei auffällig, dass das Ranking von vielen touristisch attraktiven Regionen angeführt werde, schreibt Studienautor Christoph Schröder. "Schöne Landschaften ziehen Geld an."
Überraschend wird es auf Platz fünf mit dem vergleichsweise unbekannten bayerischen Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge. Seinen Spitzenplatz verdankt der Landkreis der Tatsache, dass Einkommen bei der Kaufkraft nicht alles ist: Hier sind die bundesweit viertniedrigsten Lebenshaltungskosten, der entscheidende Faktor. Beim nominellen Einkommen liegt Wunsiedel mit Platz 55 solide, beim preisbereinigten dann mit 31.011 Euro in der absoluten Spitzengruppe.
Und was ist mit den wirtschaftsstarken Städten?
Die erste Stadt im Ranking findet sich auf Rang sechs – das vergleichsweise kleine Baden-Baden. Hier trifft ein hohes Einkommen auf nur leicht überdurchschnittliche Kosten. Großstädte – auch jene, die als klassisch wirtschaftsstark gelten – schaffen es dagegen nicht an die Spitze. Sie werden von den Lebenshaltungskosten drastisch nach unten gezogen. München kommt immerhin auf Rang 33. Die höchsten Lebenshaltungskosten Deutschlands – 24,4 Prozent über dem Durchschnitt – kosten die Stadt im Vergleich zum reinen Einkommensranking fast 7000 Euro und 28 Plätze.
Die nächste Stadt mit mehr als einer halben Million Einwohner:innen im Ranking folgt erst auf Platz 131 mit Düsseldorf. Hier sorgen die höheren Kosten für einen Absturz um 105 Plätze. Und selbst das ist noch vergleichsweise wenig: Hamburg erleidet den tiefsten Sturz in der Rangliste - um 220 Plätze auf Nummer 304. Auch Köln sinkt: um 162 Plätze auf Rang 352, Berlin um 74 auf 373. Die Bankenmetropole Frankfurt am Main – eine der teuersten Städte – fällt um 179 Plätze auf Platz 389 – also fast ans Ende des Rankings und hinter Frankfurt an der Oder, das durch niedrige Lebenshaltungskosten 11 Plätze gut macht und auf Rang 381 landet.
Gibt es auch starke Aufsteiger?
Ja – allerdings springen sie nicht ganz so weit nach oben, wie einzelne Städte abstürzen. Der Landkreis Hof macht mit 126 Plätzen den größten Sprung und landet auf Rang 86, Tirschenreuth klettert um 123 Plätze auf Rang 29.
Wenn nicht die Städte, wer liegt dann in der Spitzengruppe?
Schröder nennt sie "Hidden Champions", unauffällige Regionen mit vielen gut verdienenden Facharbeiter:innen, in denen solides Einkommen und durchschnittliche bis niedrige Preise zusammenkommen. Landkreise und Kreise wie Donau-Ries, Bad Dürkheim, der Rhein-Pfalz-Kreis, Erlangen-Höchstadt, Aichach-Friedberg, Olpe, Coburg, Hochsauerlandkreis, Neustadt an der Weinstraße, Schwabach, Günzburg, Gütersloh oder der Rhein-Pfalz-Kreis fallen in diese Kategorie. Sie machen das Gros der Plätze 7 bis 20 aus.
Und wo ist die Kaufkraft besonders schlecht?
Am unteren Ende des Rankings gibt es praktisch nur Städte. Nur minimal besser als das bereits genannte Offenbach schneiden Gelsenkirchen, Duisburg, Bremerhaven oder Herne ab. Abgesehen von Offenbach, das unter überdurchschnittlichen Kosten leidet, taugt das Preisniveau bei den anderen Vertretern in der Schlussgruppe nicht als Erklärung, da es unter dem Durchschnitt liegt. Hier schlägt in der Regel schlicht das niedrige durchschnittliche Einkommen durch.
Gibt es regionale Unterschiede?
Ja. Die Spitzengruppe wird klar von Bayern dominiert, das 28 der 50 bestplatzierten Regionen stellt – darunter die einzige Stadt über einer halben Million Einwohner:innen. Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen kommen je sechsmal vor, Schleswig-Holstein und Hessen zweimal. Dagegen findet sich selbst in den Top 100 kein einziger Eintrag aus dem Osten. Am anderen Ende der Skala ist das Bild gemischter: Unter den 50 Regionen mit der schlechtesten Kaufkraft liegt Nordrhein-Westfalen mit 10 Einträgen vorne, doch hier ist – mit Ausnahme von Hamburg – jedes Bundesland vertreten.
Was sorgt überhaupt für die Preisunterschiede?
Laut IW gibt es einen zentralen Treiber für die Unterschiede in den Lebenshaltungskosten: Wohnen. Rechnet man diesen Bereich heraus, bleiben nur geringe Differenzen übrig. Doch zählt man sie mit, sind die Lebenshaltungskosten in München als teuerstem Pflaster fast 38 Prozent höher als im Vogtlandkreis, der die aktuell billigste Region ist. Dies erklärt auch den Absturz wirtschaftsstarker, aber teurer Städte.
Woher stammen die Daten?
Schröder und sein Mitautor Jan Wendt haben Einkommenszahlen vom Statistischem Bundesamt für 2022 mit einem eigenen, neu erhobenen regionalen Preisindex mit Daten aus 2023 kombiniert. Basis des Preisindex sind unter anderem Millionen teilweise automatisiert abgefragter Preisdaten.
Nicht berücksichtigt in der Rangliste sind Unterschiede in der Ausgabenstruktur – dass beispielsweise Städter möglicherweise weniger hohe Pendelkosten haben als Menschen aus billigeren Landkreisen. (dpa)