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E-Commerce-Dienstleister Gute Marken: „Einfach mal die Produktdaten auf die Plattform hochladen geht auf keinen Fall“

Von Regina Henkel

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Einzelhandel|INTERVIEW

Das Marktplatzgeschäft wächst rasant. Immer mehr Onlinehändler stellen ihr Business um und integrieren ein Plattform-Modell auf Kosten des bisherigen Wholesale-Geschäfts. Mit enormen Auswirkungen auf klassisch ausgerichtete Modemarken. E-Commerce und die Ausrichtung auf das DTC-Geschäft stellen ganz andere Anforderungen an Marken als das bisherige, klassische Wholesale-Geschäft. Dennoch ist die Transformation der Modemarken alternativlos, wenn man im Onlinehandel weiterhin vertreten sein will, ist Thomas Höss, CEO von E-Commerce-Dienstleister Gute Marken aus München überzeugt. Für ihn ist das Thema hochaktuell.

Die Gute Marken GmbH ist spezialisiert auf Marktplatzanbindungen und E-Commerce für Fashion Brands und stellt seinen Kund:innen nicht nur die technischen Lösungen zur Verfügung, sondern übernimmt auch alle Dienstleistungen vom Datenmanagement über Kundenbetreuung bis hin zu Bezahlung und Versand. Zu den Kund:innen gehören Marken wie Angels, Codello, Olsen, Daniel Hechter, Pyua und Bugatti. Höss erklärt, vor welchen Herausforderungen viele Marken gerade stehen.

Herr Höss, wenn große Onlinehändler wie Zalando verkünden, ihr Plattformgeschäft bis 2025 verdoppeln zu wollen, was heißt das für traditionelle, mittelständische Marken?

Thomas Höss: Alle großen Onlinehändler transformieren sich gerade hin zur Plattform und wollen das Marktplatzgeschäft stark ausbauen. Das heißt im Gegenzug, dass der Anteil des Wholesale-Geschäfts abnehmen wird. Für viele mittelständische Marken bedeutet das eine signifikante Veränderung, denn sie werden von den großen Onlinehändlern nicht mehr geordert.

Wer also auf Zalando, About You & Co präsent sein will – und das ist für viele Marken alternativlos – muss seine Ware nun in Eigenregie dort anbieten – und alle Prozesse selbst abbilden. Neben der technischen und personellen Herausforderung, jetzt ein profitables Marktplatzgeschäft mit allen angebundenen Prozessen wie Datenmanagement, Fulfilment, Logistik, Marketing, Controlling etc. aufzubauen, hat das auch große Auswirkungen auf die Liquidität: Im Wholesale erhalten die Marken zu Saisonbeginn mit der Auslieferung ihre Einnahmen von den Onlinehändlern, und diese fallen nun weg. Stattdessen müssen sie die Ware jetzt vorfinanzieren und tragen das Warenrisiko. Zwar sind die Margen in dem Modell höher, aber die Kosten auch.

Sie betreuen mittelständische Marken beim Outsourcing ihres E-Commerce, inklusive Marktplatz-Anbindungen. Was sagen ihre Kund:innen zu dieser Entwicklung?

Veränderung ist zunächst immer Verunsicherung – aber auch immer eine Chance für Weiterentwicklung. Die Marken haben jetzt die Möglichkeit ihren Umsatz zu steigern, da sie nun nicht nur den Wholesale-Umsatz einstreichen können, sondern auch den Endkunden-Umsatz. Ob man auch Zusatzgewinne erzielt hängt dann von der Warenkorbhöhe ab: Ist dieser unter 100 Euro, erzielen die Marken in der Regel eine ähnliche Marge wie vorher – aufgrund von Retouren und Logistikkosten. Bei einem Warenkorbwert über 100 Euro stehen die Chancen sehr gut, zusätzlich zum Umsatz auch den Gewinn zu steigern.

Außerdem erhalten die Marken ja auch Unterstützung von den Plattformen. Zalando beispielsweise bietet den Marken mit seinem Trusted Wholesale Programm für einen definierten Übergangszeitraum die Möglichkeit, das Warenrisiko weiter zu tragen, so dass die Marke risikolos lernen kann. Zusätzlich werden sämtliche Kennzahlen von Retourenquoten bis Abschriften zur Verfügung gestellt, um den Übergang für Marken planbar zu machen. Wir von Gute Marken setzen darauf auf, analysieren die Zahlen, berechnen einen Business Case und entwickeln eine passende Strategie für die Marke. Mit diesem Ansatz und der aktiven Zusammenarbeit mit Zalando erhalten die Marken Sicherheit, und in der Regel überwiegen dann auch die Chancen.

Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen der Marken in Bezug auf E-Commerce?

E-Commerce hat ganz andere Anforderungen an eine Marke als das klassische Wholesale-Geschäft. Vor allem wenn es um internationalen E-Commerce geht, um das Handling der unterschiedlichen Anforderungen der europäischen Marktplätze, wird es wirklich komplex. Hier ein profitables Set-up aufzubauen, erfordert einen ganz neuen Blick auf Kennzahlen.

Beispielsweise kann ein Artikel zwar hohe Abverkäufe haben, bei hohen Retourenquoten kann das auch gleichzeitig zu hohen Verlusten führen. Es ist wichtig, diese frühzeitig zu erkennen und schnell Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Es werden einfach andere Berichte und Warnsysteme benötigt, weil der Fokus weg vom Sortiment geht und hin zum Management jedes einzelnen Produkts. Retail is detail – but E-Commerce is super detail!

Es heißt, was sich im Laden gut verkauft, läuft nicht zwangsläufig auch online. Man muss das Sortiment für jeden Kanal zuschneiden.

Grundsätzlich gilt, dass stationäre Bestseller auch online gut laufen. Aber man muss sie aufbauen, das geht nicht von heute auf morgen. Daher macht es Sinn, vor allem NOS-Produkte und Bestseller online zu pushen. Andersherum gilt aber auch: Das, was im Laden keiner will, kauft auch niemand online. Online ist ein Massenmarkt, der sich extrem ins Positive verstärken kann, aber negativ bleibt eben auch negativ. Wichtig ist, dass Sortiment und Kanal bezüglich Zielgruppe und Preissegment zusammenpassen. Wobei es auch Überraschungen gibt und Kanäle anders als erwartet performen können.

Viele Marken stehen aktuell vor der Frage, welche Kanäle wollen und können sie überhaupt noch mit der bisherigen Manpower bedienen. Welche Situation sehen Sie gerade in ihrem Daily Business?

Es geht heute nicht mehr um die Frage, ob Marken auf einem Kanal präsent sind oder nicht. Darauf haben sie in der Regel gar keinen Einfluss, weil ihre Händler sowieso dort sind. Die Frage ist vielmehr, ob sie den Kanal aktiv managen wollen oder ihren Händlern überlassen. Händler nutzen Marktplätze oftmals zur Vermarktung ihrer Überhänge, und in diesem passiven Kanal überwiegen dann meist die Rot-Preise. Zusätzlich sind auf den Plattformen die eigenen Händler nicht nur Kunde und sondern auch Mitbewerber. Das erzeugt oft Preiskämpfe, die aufgrund der Konstellation knifflig sein können.

Ich erlebe auch oft, dass Marken zum Teil gar nicht erkennen, wer die eigenen Produkte auf einem Kanal verkauft – weil das beispielsweise über Tochterfirmen der Händler oder Dienstleister erfolgt. Für eine Marke ist es aus diesem Grund essentiell, seine Kunden und dessen Absatzkanäle zu kennen und das in die E-Commerce Strategie fest einzubinden.

Gleichzeitig haben viele Angst, ihren E-Commerce outzusourcen. Können Sie das nachvollziehen?

Theoretisch schon, praktisch nicht. Ich sehe oft, dass Marken den E-Commerce unterschätzen, denn er erfordert aktives Management, und hier liegt der Teufel im Detail. Wenn dann beispielsweise Kennzahlen explodieren und man sich die Ursache nicht erklären kann, wird nicht selten viel Lehrgeld gezahlt. Da macht es viel mehr Sinn, sich mit Spezialisten zusammenzutun, die ihre Prozesse im Griff haben und in der Lage sind, die Aussteuerung von Sortiment und Kanal auf Produktebene durchzuführen.

Außerdem heißt Outsourcing ja nicht, dass man als Marke die Kontrolle über die eigene Onlinepräsenz verliert. Es kommt auf den Partner an. Wir beispielsweise sind ein Dienstleister, der Outsourcing für Marken umsetzt. Die Entscheidungen und insbesondere die Preishoheit liegen dabei immer bei der Marke.

Wie muss ein Team aufgestellt sein beziehungsweise welche Qualifikationen müssen die Mitarbeiter:innen haben, um in den E-Commerce einzusteigen?

Es muss ausgeprägte analytische Fähigkeiten haben. E-Commerce ist ein Zahlenbusiness auf Detailbasis. Wer profitabel sein will, darf sich nicht auf sein Bauchgefühl verlassen, sondern muss die KPIs stets im Blick haben und die Produkte aktiv managen. Aber das ist nicht alles: Es braucht Online-Marketing-Manager:innen mit SEA Fokus, Channel-Manager:innen, Supply-Chain-Expert:innen und Personen, die sich um den Content mit SEO Schwerpunkt kümmern und so weiter.

Was können Sie Marken raten, die gerade überlegen, den E-Commerce selbst in die Hand zu nehmen?

Wer neu einsteigen will, sollte sich auf Topseller und NOS-Produkte konzentrieren. Es braucht Top Content, sonst geht man auf Zalando und Co unter. Wichtig ist zudem eine Strategie: Geht es mir um meine Markendarstellung oder um Umsatz- und Gewinnziele? Beides erfordert unterschiedliches Agieren. Was auf keinen Fall geht: Mit dem bestehenden Team einfach mal die Produktdaten auf die Plattform hochladen, und dann läuft das schon.

Was sind die typischen Anfängerfehler, wenn Marken in das Marktplatz-Geschäft einsteigen?

Oft sehe ich, dass Marken und besonders Händler den Marktplatz zur Überhangvermarktung nutzen. Das empfehle ich nicht, denn dafür gibt es andere Kanäle wie etwa Brands4friends oder Zalando Lounge. Das gilt auch für Produkte mit Qualitätsproblemen – sei es Passform oder Verarbeitung. Hohe Retourenquoten sind dann vorprogrammiert und fressen die Marge. Vielmehr sollten Marken eine gezielte Vororder schreiben und dann auch darauf achten, genug Ware in den Onlinekanal einzusteuern. Denn wer Produkte aufbauen möchte, darf nicht riskieren, dass sie out-of-stock laufen. Als Faustregel gilt: ‚Beginnen Sie mit einem spitzen Sortiment an Top-Sellern und NOS und bestücken Sie es tief.‘

Was tut Gute Marken, um Fashion Brands bei diesem Schritt zu unterstützen?

Gute Marken versteht sich als Partner der Fashion Brands. Wir haben die Technologie, die Systeme, die Prozesse, das Personal und das Know-how, um Marken erfolgreich im Marktplatzgeschäft beziehungsweise im Onlinehandel zu positionieren. Unser Geschäftsmodell ist erfolgsabhängig, wir haben also ein großes Eigeninteresse daran, dass unsere Kund:innen online erfolgreich und nachhaltig verkaufen. Wir haben viel Erfahrung durch unser hohes Volumen und sind deutlich günstiger als wenn man alles selbst aufbauen möchte.

Welche Entwicklung sehen Sie für die Zukunft?

Ich gehe davon aus, dass Wholesale weiter an Bedeutung verlieren und das Marktplatz- und Onlinegeschäft gewinnen wird. Outsourcing des E-Commerce in Teilbereichen oder ganz wird außerdem zunehmen, denn das Business wird immer komplexer. Hinzu kommt, dass sich die Anforderungen an Content und Logistik auch im stationären Handel an die des E-Commerce angleichen werden und damit der stationäre Handel zukünftig eng mit Online vernetzt sein wird. In Richtung Kanäle wird Social Commerce mit Instagram, Facebook und Co signifikant an Bedeutung gewinnen. Das sind Kanäle, die gerade neue reine D2C-Brands für sich zu nutzen wissen. Im Bereich Technologie wird Live Shopping immer wichtiger werden. Wir sind gerade dabei, erste Tests mit unseren Kunden durchzuführen, und die ersten Ergebnisse sind schon sehr vielversprechend.

Fotos: Gute Marken GmbH

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