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Einkaufsstraße im Fokus: das Geheimnis der Kleinen Houtstraat in Haarlem

Von Natasja Admiraal

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Einzelhandel |BERICHT

Die indigoblaue Fassade der Arborator Denim Company. Inhaber Martijn van Bergenhenegouwen zog mit seinem “blauen Laden" vor fünf Jahren von Maastricht nach Haarlem. Bild: Arborator Denim Company.

Haarlem, 30 Kilometer nordwestlich von Amsterdam, ist neben seiner historischen Architektur bekannt für Kultur, Nachtleben, gastronomische Hotspots und einige der besten Einkaufsstraßen der Niederlande. Hier findet sich die Kleine Houtstraat, die vielleicht nicht so bekannt ist wie ihr großer Bruder, die Grote Houtstraat, aber beliebt bei allen, die Authentizität suchen.

Diese Einkaufsstraße ist voll von besonderen Geschäften, Bistros und Spezialitätenläden. Es ist kein Zufall, dass sie bereits zweimal den Titel „Schönste Einkaufsstraße der Niederlande“ erhalten hat (2008 und 2009). Ist sie zu Recht eine der „Goldenen Straßen“ von Haarlem? FashionUnited hat mit mehreren Ladenbesitzer:innen vor Ort darüber gesprochen, wie sie diesen Titel am Leben erhalten und wie sich die Straße im Laufe der Zeit radikal verändert hat.

Einer der ersten Concept Stores

„Es klingt verrückt, aber vor mehr als 20 Jahren wollte man hier wirklich keinen Laden“, sagt Pim Mulder, Miteigentümer von Number Nine. „Das war eine schlechte Ecke der Stadt. Heute ist dies eine lebendige Einkaufsstraße, an die sich die Lange Veerstraat anschließt, die sich zu einer der besten Restaurantstraßen Haarlems entwickelt hat. Und hier um die Ecke, im Anegang, gab es anfangs viel Leerstand, der aber inzwischen weitgehend aufgefüllt wurde. So ist eine nette kleine Schleife entstanden.“

Number Nine, das sich im Haus Nummer neun befindet, war einer der ersten Concept Stores in den Niederlanden. Damals ließ sich Mulders Partner Roemer Zonneveld von Amerika inspirieren. In diesem Jahr feiert der Laden sein 20-jähriges Bestehen. Inzwischen gibt es sechs Filialen, zwei davon in Haarlem. „Am Anfang haben wir Streetwear mit Spielzeug, Kunst und Design kombiniert. Als mehr und mehr Concept Stores hinzukamen, haben wir uns auf skandinavische Mode verlegt. Und auch jetzt erneuern wir uns ständig. So macht es Spaß, für uns und unsere Kundschaft.“

Number Nine - benannt nach der Hausnummer in der Kleinen Houtstraat - war einer der ersten Concept Stores in den Niederlanden und hat inzwischen auch Filialen in anderen Städten. Bild: Number Nine.

Wer sich überraschen lassen will, für den ist die Kleine Houtstraat der richtige Ort. Hier finden sich nicht die üblichen Geschäfte, sondern eine Reihe kleiner, unabhängiger Läden. Preisgekrönte Friseurläden wechseln sich ab mit Kinderläden, Vintage-Boutiquen, einem Kurzwarenladen und einem nostalgischen Süßigkeiten- und Lakritzladen. „Haarlem ist eine historische Stadt mit einer hohen Dichte des Gastgewerbes. Das zieht viele Menschen an“, so Mulder.

„Besonders in der Hochsaison kommen viele Tagesgäste in die Stadt. Und sie finden unsere Straße immer leichter.“ Ein Ereignis in jedem Frühjahr ist die Eröffnung der Eissaison. Dann gibt die Chocolaterie Pierre kostenloses Eis aus und die Leute stehen Schlange vor der Tür. „Viele Leute kommen dann und machen es sich auf der Bank vor unserem Geschäft gemütlich“, erzählt Mulder. Auch die alljährliche Blumenschau lockt viele Besucher:innen an. Im Vorfeld dieses Ereignisses lässt die Gemeinde die Einkaufsstraßen mit fröhlichen Tulpenkisten erblühen. Alle, die in der Einkaufsstraße einen Einkauf tätigt, dürfen sich eine Tulpe aussuchen.

Bei Arborator Denim Company sind die an der richtigen Adresse, die „Dry Denim“ aus Japan und Marken aus dem Kulturerbe suchen. Bild: Arborator Denim Company.

Keine gewöhnliche Einkaufsstraße

Die Vielfalt der Kleinen Houtstraat ist auch für nicht-Haarlemer Unternehmen interessant. So wie Martijn van Bergenhenegouwen, der vor fünf Jahren ein Auge auf eine der Immobilien geworfen hatte. Sein Geschäft Arborator Denim Company ist an der indigoblauen Fassade und der Markise zu erkennen. „Ich hatte genau so ein Geschäft in Maastricht“, erklärt der Ladenbesitzer bei einer Tasse Kaffee. „Dort hatte ich viel Kundschaft aus der Randstad. Als meine Frau und ich in Haarlem waren, haben wir gesehen, dass diese Fläche zu vermieten war. Jopo Pojo - der Comic-Laden, der jahrelang hier war - ist inzwischen auf die andere Straßenseite umgezogen.“

Van Bergenhenegouwen hat den Laden selbst eingerichtet, und das Ergebnis ist fotogen. Chesterfield-Ledersofas, Jeans-Tapeten, alte Landkarten und Arbeitsjacken an den Wänden. Im Hintergrund läuft Blues-Musik. In der Mitte des Ladens steht ein großes ausgestopftes Wildschwein. „Wenn man tut, was man liebt, ist man jeden Tag in seinem eigenen Wohnzimmer“, erklärt er.

Die Menschen sind mehr denn je auf der Suche nach Authentizität, meint Van Bergenhenegouwen. Als selbständiger Unternehmer ist es daher am besten, sich selbst treu zu bleiben. Das ist in diesen Zeiten das Wichtigste. „Sehen Sie, Jeansläden gibt es zuhauf. Das Besondere an meinem Geschäft ist, dass ich mich ausschließlich auf Dry Denim (ungewaschene Jeans) aus Japan konzentriere. Ich kombiniere das mit traditionellen Marken, die nicht so leicht zu finden sind. Diese Mischung ist einzigartig, und die Leute kommen deswegen aus den ganzen Niederlanden, aber auch aus Belgien und Deutschland.“

In der Kleinen Houtstraat kommen sich nur wenige Unternehmen in die Quere. Das liegt daran, dass die Vielfalt so groß ist. „Als Kleinunternehmer:in sollte man sich auch nicht scheuen, Leute zu seinen Kolleg:innen zu schicken“, so van Bergenhenegouwen weiter. „Kund:innen, die leichte Jeans oder Chinos suchen, verweise ich an Number Nine oder Bojangles, weiter unten in der Straße. Das Gleiche passiert umgekehrt. Letztendlich geht es darum, dass die Kund:innen zufrieden sind und gut bedient werden.“

Inhaber Bart Soellaart und Arjen Nicolai von Soellaart Outdoor & Wintersport, dem ältesten (und größten) Geschäft in der Kleinen Houtstraat. Bild: Soellaart Outdoor & Wintersport.

Kundschaft aus nah und fern

Das älteste Geschäft in der Straße ist Soellaart Outdoor & Wintersport: Das Familienunternehmen gibt es bereits seit 1900. Das Geschäft befindet sich heute in vier nebeneinander liegenden Gebäuden (plus einem an der Gedempte Oude Gracht), die jeweils drei Etagen umfassen. Auf einer Verkaufsfläche von 1.800 Quadratmetern gibt es ein umfassendes Angebot an Outdoor-, Wintersport- und Campingartikeln und das Geschäft ist jeden Samstag besonders gut besucht.

„Vor 20 Jahren hatte unsere Branche noch kein so sexy Image. Aber das hat sich jetzt geändert“, sagt Arjen Nicolai, einer der beiden Inhaber. „Marken wie The North Face, Patagonia und Salomon sind bei jungen Leuten sehr beliebt.“ Das Serviceniveau bei Soellaart ist hoch: An einem durchschnittlichen Wochentag arbeiten hier 15 Personen. Jedem verkauften Schuh geht eine sorgfältige Fußanalyse voraus. Das Unternehmen leidet nicht unter Personalknappheit. „Die Leute finden es attraktiv, dass dies eine so innovative Branche ist. Man wird geschult, lernt ständig dazu und kann den Kund:innen daher immer etwas Neues erzählen.“

Das spezialisierte Angebot von Soellaart zieht Kund:innen aus nah und fern an. Davon profitiert die ganze Straße. Da der Outdoor-Laden auch sonntags geöffnet ist, haben auch andere Läden mehr Zulauf. Auf diese Weise verstärken sich die großen und kleinen Akteur:innen gegenseitig.

„In den 20 Jahren, in denen ich bei Soellaart arbeite, habe ich erlebt, wie die Straße immer lebendiger wurde. Es sind wunderbare Geschäfte hinzugekommen, die sowohl Tourist:innen als auch Stammkund:innen anziehen. Denken Sie nur an die Modeboutique Olivia & Kate und Bink Haberdashery. Das Herrenbekleidungsgeschäft nebenan, Bojangles, ist ebenfalls seit über 30 Jahren ein Begriff. Inhaber Wim ist ein superfanatischer Unternehmer, dem es ein Anliegen ist, seiner Kundschaft zu helfen. So sehe ich die Kleine Houtstraat“, resümiert Nicolai.

Róbin Dokter, Inhaberin von Paragons, verkauft Bekleidung von bekannten Designer:innen wie Jil Sander, Issey Miyake, Haider Ackermann und Hermès. Bild: Caroline Coehorst.

Die Kundschaft in Haarlem: kritisch, aber treu

Direkt gegenüber von Soellaart befindet sich Paragons, ein Geschäft, das Vintage-Bekleidung bekannter Designer:innen wie Jil Sander, Issey Miyake, Haider Ackermann und Hermès verkauft. Die Inhaberin Róbin Doker studierte am Amsterdam Fashion Institute, später Kunstgeschichte und lebte eine Zeit lang in Kanada. Schon während ihrer Studienzeit kaufte und verkaufte sie Kleidung und Accessoires.

„Nach dem Bachelor war meine Wohnung voll“, sagt sie. „Über Via fand ich ein Geschäft in der Anegang, wo ich eine Zeit lang blieb. Dann bin ich in die Grote Houtstraat gezogen, aber diese Lage hat mir nicht gefallen.“ Sie hatte die Kleine Houtstraat im Visier, doch hier ist das Angebot knapp. Es war ihre Mutter, die diesen Standort ausgerechnet am Marktplaats entdeckte. „Ein großartiger Standort. Ich bin jetzt seit über fünf Jahren hier. Die Anlaufzeit hat etwas gedauert, aber das Positive an Haarlem ist, dass man recht schnell einen treuen Kund:innenstamm aufbauen kann. Die Haarlemer sind kritisch, am Anfang vielleicht etwas steif, aber wenn sie einen erst einmal ins Herz geschlossen haben, kann man auf sie zählen.“

Die Jagd nach schönen Stücken ist das, was Vintage-Liebhaber:innen am meisten Spaß macht. „Mein Angebot ist sehr vielfältig, weil ich sowohl auf Kommissionsbasis arbeite als auch selbst ankaufe“, erklärt Dokter. „Ich arbeite mit Marken, Stylist:innen und Unternehmer:innen aus demselben Segment zusammen, von denen ich alte Kollektionen kaufe. Qualität vor Quantität, dafür stehe ich - und für weniger Abfall.“

Sie zeigt ein paar Highlights aus der Kollektion — eine Seidenbluse von Gucci mit spitzem Kragen, ein Hosenanzug von Natan - einer von Máximas Lieblingsdesigner:innen. Dries van Noten ist derzeit ein Renner, sowohl bei den Basics als auch bei den extravaganteren Stücken. Paragons ist seit kurzem nicht mehr der einzige Vintage-Laden in der Straße. Modemétier hat vor kurzem seine Türen geöffnet. „Wir sind im gleichen Segment tätig, aber haben beide unseren eigenen Stil. Es gibt Platz für beide, und wir kommen gut miteinander aus. Ich verweise auch Kund:innen an sie, wenn sie nach weiteren Vintage-Adressen fragen.“

Ideenaustausch über die App der Straße

In der Straßen-App tauschen die Ladenbesitzer:innen der Kleinen Houtstraat Ideen aus. Zum Beispiel, um ein Komitee für den Weihnachtsmarkt zu bilden. Oder um die Öffnungszeiten zu koordinieren, wenn in der Stadt etwas los ist. Auch weniger angenehme Dinge, wie ein Diebstahl, werden ausgetauscht - so können alle besonders aufmerksam sein. „Meine Nachbarin Charlotte ist sehr aktiv in der App und im Ladenbesitzer:innenverband“, sagt Van Bergenhenegouwen. „Ihr Laden heißt Polka Dot, den sie vor fünf Jahren von ihrer Mutter übernommen hat. Und Charlotte ist Polka Dot: eine sehr fröhliche Frau. Sie verkauft bunte Kleidung, aber auch auffällige Haarspangen, lustige Socken, Schmuck und Kuriositäten. Einer dieser Läden, in die man unbedingt mal reinschauen möchte.“

Manche Ereignisse in der Straße bleiben in Erinnerung. Viele Geschäftsinhaber:innen erinnern sich zum Beispiel noch an den Großbrand im Jahr 2014, zu dem die Feuerwehr in Massen ausrückte. Verletzt wurde niemand, aber der Stufengiebel des Gebäudes aus dem 16. Jahrhundert brannte komplett aus. Die Corona-Zeit war - wie für jede Einkaufsstraße - eine Herausforderung, hatte aber auch Lichtblicke. Zum Beispiel, als es natürliches Eis gab und viele Haarlemer:innen vom Schlittschuhfieber gepackt wurden. Soellaart musste alle Register ziehen. „Vor unserer Tür stand eine riesige Schlange von bis zu hundert Leuten, die alle Schlittschuhe abholen wollten. Ein denkwürdiger Moment“, erinnert sich Nicolai.

Im Vintage-Laden Paragons wechselt das Schaufenster wöchentlich. Bild: Yres Isabella.

Schaufenster, für die man bremst

Schließlich sind die Meinungen über die Radfahrer:innen auf der Straße geteilt. Viele Menschen nutzen die Kleine Houtstraat, um schnell von A nach B zu kommen. Flanierende Tourist:innen werden manchmal von den vorbeirauschenden Elektrofahrrädern zu Tode erschreckt. Das könnte man nach Ansicht vieler Ladenbesitzer:innen abmildern. Aber das Radfahren ganz verbieten? Das ist nicht nötig. „Ich sehe es vor allem als Vorteil“, sagt Mulder. „Viele Leute fahren mit dem Rad vorbei, halten an, um irgendwo einzukehren, und fahren dann weiter. Für diejenigen, die hier in der Nähe wohnen, ist das sehr attraktiv.“

Da die Kleine Houtstraat eine Hauptverkehrsader ist, hängt viel von den Schaufenstern ab. Diese sollten nicht nur die Leute ansprechen, die gemütlich die Straße entlangschlendern, sondern auch den ‘Fahrradfaktor’ einbeziehen. Bei Paragons stehen drei Puppen im Schaufenster und Róbin Dokter wechselt wöchentlich die Outfits. Das funktioniert: „Ich erlebe regelmäßig, dass Leute kräftig auf die Bremse treten, weil sie etwas sehen, von dem sie denken: Das muss ich haben!“

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.nl. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.

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