Einkaufsstraße im Fokus: das Geheimnis der Krommestraat in Amersfoort
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Mitten im Zentrum des niederländischen Amersfoort, 25 Kilometer nordöstlich von Utrecht, liegt die Krommestraat, genau zwischen dem Hof und dem Lieve Vrouwekerkhof. Sie ist auch als „die schönste Straße von Amersfoort“ bekannt. Hier kann man dem Trubel der Stadt entfliehen und eine Vielzahl von Geschäften vorfinden, die alle ihren eigenen Charakter haben. Vor allem Kleinunternehmer:innen, die oft auch selbst hinter der Ladentheke stehen. Wie bleiben sie auf dem Markt unverwechselbar? Und wie schneiden die relativ jungen Akteur:innen im Vergleich zu den Ladenbesitzer:innen der ersten Stunde ab? FashionUnited hat mit mehreren lokalen Unternehmerinnen über die Verbundenheit mit ihrer Straße gesprochen und darüber, innovativ zu sein und sich selbst treu zu bleiben.
Spezialisierung zieht Zielpublikum an
Kinderschuhläden sind rar geworden. Aber in der Krommestraat findet man noch einen echten Spezialisten: Stap voor Stap („Schritt für Schritt“) Kinderschuhe. Das Geschäft gehört zu Willemse Schoenen, der drei Schuhgeschäfte in der Stadt betreibt. „Wir sind die vierte Generation, im Dezember werden wir 130 Jahre alt“, sagt Debora Willemse bei einer Tasse Kaffee. „Solange es uns gibt, haben wir Kinderschuhe verkauft. Angefangen haben wir 1990 in den kleinen Räumen nebenan. Damals gab es in den Niederlanden noch kaum Kinderschuhläden. Erst später wurde daraus ein florierendes Geschäft und jetzt sind wir wieder einmalig. Nicht schlecht, etwas Ruhe in der Einzelhandelslandschaft“. In 34 Jahren sah sie, wie die Krommestraat immer lebendiger wurde, mit einer schönen Mischung aus Geschäften und Restaurants. Die meisten Unternehmer:innen sind schon lange dort ansässig. Jedes Geschäft hat seine eigene Expertise und das stärkt sich gegenseitig. „Bei uns kaufen die Leute sehr gezielt ein. Unser Schild auf der Straße zieht die Aufmerksamkeit der Passant:innen auf sich, und gelegentlich hängen wir auch in der ganzen Stadt Plakate aus“.
Willemse erklärt, was ein guter Kinderschuh erfüllen muss: „Jeder Fuß hat seine eigene Form. Das gilt natürlich auch für Kinderfüße, die noch im Wachstum sind. Es ist unmöglich, Kinderfüße online zu beurteilen. Zu einer guten Passform gehört nicht nur die richtige Länge, sondern auch die richtige Breite.“ Stap voor Stap bietet eine breite Kollektion von Größe 18 bis Größe 41 an. Willemse kauft hauptsächlich bei europäischen Hersteller:innen in Ländern wie Italien, Spanien und Portugal ein. Viele Marken bieten Schuhe in verschiedenen Breiten an. „Es ist so wichtig, dass Kinder in guten Schuhen laufen. Wenn junge Eltern zu mir kommen, frage ich immer: Wie lange läuft Ihr Kind schon? Wir raten, die Kinder erst einmal sechs Wochen lang frei laufen zu lassen - barfuß oder mit weichen Sohlen - bevor wir Schuhe kaufen. Die Füße sollen sich erst einmal gut entwickeln. Im Grunde schicken wir die Leute also weg mit dem Rat: Kommen Sie in sechs Wochen wieder. Sie binden diese Kundschaft ein Leben lang.“
Einkaufen wird zum Fest
Willemse tauscht sich gerne mit anderen Unternehmern über die Straße aus, so auch mit ihrer Nachbarin gegenüber, Sylvana Elzenaar. Ihre Modeboutique Las Lunas befindet sich seit 18 Jahren an der Hausnummer 20, einem der ältesten Gebäude der Straße. „Ich war 21, als ich anfing“, sagt Elzenaar. „Im Herzen ein Modefan. Und sehr eigensinnig. Ich wusste schon damals, dass ich mich abseits der Haupteinkaufsstraße ansiedeln wollte.“ Elzenaar stammt aus einer „echten Amersfoorter Unternehmensfamilie“. Sie gründete das Geschäft mit ihrer Mutter, die es jedoch vor Jahren verließ. Das Interieur von Las Lunas ändert sich jede Saison. Auf diese Weise verbindet Elzenaar ihre beiden Leidenschaften: Mode und Innenarchitektur. Im Laufe der Jahre hat das Geschäft alle möglichen Formen angenommen, von Panther-Prints bis hin zu einem Boho-Interieur. „Auf diese Weise gehe ich immer mit der Zeit und hoffe, dass es für die Kund:innen jedes Mal ein Vergnügen ist, hierher zu kommen. Man muss sich natürlich trauen, ständig in sein Geschäft zu investieren“.
Elzenaar mag ihre Stadt wegen ihres „dörflichen“ Charakters. Sie hat viele Stammkund:innen, die manchmal zweimal in der Woche auf eine Tasse Kaffee und einen Plausch vorbeikommen, um sich die neue Kollektion anzusehen. „Nichts muss, alles ist erlaubt. Ich bin da, um zu helfen, aber nie aufdringlich. Die Kund:innen wissen diese Mentalität zu schätzen.“ Die ständig wechselnde Kollektion macht das Einkaufen in Las Lunas attraktiv. Aber die Kund:innen kommen auch wegen des Erlebnisses und der Atmosphäre. Manchmal träumt Elzenaar von einem etwas größeren Laden, von ein paar Quadratmetern mehr, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Aber sie denkt nicht daran, die Krommestraat zu verlassen, egal was die Zukunft bringt. „Dann lieber klein und stark - ich schätze, was ich habe. In fast 20 Jahren habe ich die Straße aufblühen sehen, die etwas Magisches an sich hat. Natürlich habe ich verschiedene Läden kommen und gehen sehen, aber die Fluktuation ist gering, und die Alteingesessenen machen die Straße aus. Wenn man sich ständig neu erfindet und Mut zeigt, bleibt man bestehen.“
Einzelhandelspreis für innovatives Start-up
Weiter unten in der Straße fällt ein Schaufenster mit den bunten Taschen von Susan Bijl ins Auge. Hier befindet sich in zwei Räumen der Concept Store Roots, der ein Jahr nach seiner Eröffnung 2017 den INretail-Award für das innovativste Start-up erhielt. Im Inneren ist an jedes Detail gedacht worden: In der Ecke befindet sich ein Flipperautomat, an den Wänden hängen Pflanzen und Poster. Hinter der Theke steht ein großer Holzschrank, gefüllt mit Hüten und Mützen. „Vor fünf Jahren sind wir von den kleineren Räumlichkeiten nebenan in dieses geräumige Geschäft umgezogen“, sagt Anouk Goossensen, ehemalige Filialleiterin und seit November Inhaberin von Roots. „Zuerst hatten wir nur drei Regale mit Herrenbekleidung; jetzt haben wir eine komplette Herrenabteilung. Auch die Damenkollektion hat sich stark vergrößert. Vor kurzem haben wir auch eine Heimkollektion mit Kerzen, Geschirr, Düften und anderen Produkten eingeführt, die sehr ansprechend sind. Das passt gut zu unserem Laden und wir erreichen damit eine weitere Zielgruppe.“
Wie bleiben Sie als Modeboutique heute unverwechselbar? „Wir wählen etwas andere Artikel aus als die meisten Geschäfte. Diese Individualität ist unsere Stärke“, meint Goossensen. Die Damenkollektion ist sowohl „tough“ als auch feminin, mit Marken wie Second Female, MbyM und Frnch. Seit zwei Saisonen vertreibt Roots auch die Marke Stieglitz, die etwas gewagter und kantiger ist: eine schöne Ergänzung des Sortiments. Die Herrenkollektion konzentriert sich auf Streetwear und meist übergroße Freizeitkleidung von Marken wie Dickies, Comfort Club und Les Deux. Über eine Treppe im Obergeschoss gelangt man zum Roots-Outlet und zum Second-Hand-Laden. Dieser ‘Dachboden’ ist bei der Kundschaft inzwischen ein Begriff. „Die Kombination funktioniert sehr gut: Wer unten nicht fündig wird, findet oben sicher etwas, und zwar zu einem guten Preis. Das Schöne an unserem Laden ist auch, dass wir kein Lager brauchen. Wir haben also keine ungenutzten Lagerbestände. Die Secondhand-Kleidung kommt aus unserem eigenen Kreis oder sogar aus unserem eigenen Kleiderschrank“, erklärt Goossensen.
Spontaner Sommermarkt und Straßenmagazin
Kürzlich veranstalteten Las Lunas und Roots am Samstag gleichzeitig einen Sommermarkt. Er fiel genau mit 'Dias Latinos' zusammen, dem gut besuchten Amersfoorter Festival, das der lateinamerikanischen und karibischen Kultur gewidmet ist. „Wir haben unsere Outlet- und Second-Hand-Kleidung angeboten“, sagt Goossensen. Im Laufe der Jahre wurden auch andere Veranstaltungen in der Straße organisiert, wie der ‘Krommedag' und der 'Proef je Kromdag'. Das fing klein an, mit Ständen im Freien, Snacks, Getränken und Musik. Mit dem Aufkommen von Essenszelten wurde daraus eine ziemlich große Veranstaltung, für die eine Genehmigung bei der Gemeinde beantragt werden musste. „Nach Corona nahm das Ganze eine Wendung zum Schlechteren. Etwas unglücklich“, meint Willemse von Schritt für Schritt. „Andererseits: Man muss die Kundschaft nicht unterhalten. Viel wichtiger ist es, ein unverwechselbares Produkt zu verkaufen. Außerdem haben spontane Veranstaltungen auch ihren Reiz. Dieser Sommermarkt ist ein gutes Beispiel dafür.“
Spannend sind auch die Pläne für ein eigenes Hochglanzmagazin über die Krommestraat, eine einmalige Publikation, die die Unternehmer:innen der Straße ins Rampenlicht stellen soll. Es gibt auch eine Krommestraat-App, in der die Geschäftsinhaber:innen Ideen austauschen oder die Öffnungszeiten an besonderen Tagen koordinieren können. Manchmal wird die Dekoration der Straße kollektiv organisiert: meterhohe Blumen mit Saugnäpfen an allen Schaufenstern sowie Fahnen, Blumenkübel, Kleiderständer und einladende Bänke verstärken die gesellige Atmosphäre. Auch Familien gehen in der Krommestraat gerne einkaufen; die Gastronomie ist sogar darauf ausgerichtet. So verfügt Corazon Coffee im ersten Stock über eine große Spielecke für Kinder. „Wenn Kund:innen etwas vergessen haben, bin ich immer die Erste, die dort nachschaut“, lacht Willemse. Auch bei Roots hat man an die Kleinen gedacht: In der Ecke steht ein Schultisch mit Malutensilien und auch das Laufauto ist sehr gefragt. „Kinder können sich hier gut beschäftigen, was die Eltern beruhigt“, erklärt Goossensen.
Der Leerstand im Stadtzentrum von Amersfoort ist höher als im Landesdurchschnitt, so die Zahlen des Forschungsunternehmens Locatus. In der Krommestraat ist davon jedoch wenig zu spüren. Derzeit steht ein Gebäude leer, ein historisches Gebäude, in dem früher ein asiatisches Restaurant untergebracht war. Dieses wird jetzt umgebaut. Willemse hofft, dass dort ein hübsches Fachgeschäft einziehen wird. „Früher gab es in der Straße ein fantastisches Holzspielzeuggeschäft, das gut zu unserer Zielgruppe passte. Leider gibt es dieses Geschäft nicht mehr. Jetzt haben wir ein Dille & Kamille, das diese Lücke mit seiner Kinderabteilung teilweise füllt. Das Gleichgewicht zwischen Gastronomie und Geschäften ist in der Krommestraat jetzt genau richtig“, meint Willemse. Aber ein originelles Fachgeschäft oder eine Boutique ist immer willkommen. „Dies sollte wirklich eine Einkaufsstraße bleiben“, sagt sie.
Welche Einkaufsstraße sollte Ihrer Meinung nach als nächstes in die Serie aufgenommen werden? Schreiben Sie eine E-Mail an tip@fashionunited.com und lassen Sie die Redaktion wissen, warum eine Einkaufsstraße besonders ist.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.nl. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.