Einzelhandel-Tarifgespräche: zähes Ringen, aber Einigung möglich
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Der Tarifkonflikt im Einzelhandel schwelt seit April, doch eine Lösung könnte demnächst möglich sein. In Baden-Württemberg treffen sich am Donnerstag (9.7.) Vertreter der Gewerkschaft Verdi und des Handelsverbands zu einer weiteren Verhandlungsrunde. Eine Einigung ist zumindest im Bereich des Möglichen - kommt sie, könnten sich andere Bundesländer an den Vorgaben aus dem Südwesten orientieren. In der Branche arbeiten bundesweit gut drei Millionen Menschen. Tarifverhandlungen im Einzelhandel gelten traditionell als schwierig - 2013 dauerte es bis zum Abschluss acht Monate.
Verdi fordert in Baden-Württemberg pro Stunde einen Euro mehr für die Beschäftigten von Supermärkten, Modeläden, Drogeriemärkten und anderen Shops. Für die meisten Verkäufer und Kassierer wäre das ein Plus von etwa sieben Prozent. Die Arbeitgeber bieten neben einer Einmalzahlung von 215 Euro 1,5 Prozent mehr Geld. Mit einem solchen Plus rechnet die Branche nach der Prognose des Handelsverbands dieses Jahr - ähnlich war das Wachstum in den vergangenen Jahren.
In Nordrhein-Westfalen fiel das Angebot zuletzt optisch schon etwas besser aus: Dort bieten die Arbeitgeber Erhöhungen von 2,0 und 1,8 Prozent in zwei Stufen - allerdings für sechs Nullmonate, in denen die Gehaltserhöhung verschoben wird. Verdi will hier für die Beschäftigten 5,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 140 Euro. Außerdem verlangt sie eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Tarifverträge für die gesamte Branche.
Verdi argumentiert, dass die Beschäftigten im Einzelhandel chronisch unterbezahlt seien. Baden-Württembergs Verhandlungsführer Bernhard Franke rechnet vor: Würde das Gehaltsniveau nicht kräftig angehoben, würden drei Viertel aller Einzelhandelsbeschäftigten selbst nach 45 Vollzeit-Arbeitsjahren und bei tariflicher Entlohnung Rentenansprüche unter der gesetzlichen Grundsicherung erreichen. «Wir haben im Einzelhandel ein strukturelles Armutsproblem», warnt er.
Bei den Arbeitgebern wiederum lösen die Verdi-Forderungen Kopfschütteln aus. «Das Geld, das Verdi fordert, hat die Branche einfach nicht», sagt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin beim Handelsverband Baden-Württemberg. «Der Wettbewerb ist wahnsinnig hart geworden - die Margen liegen bei uns nur bei 0,5 bis 2 Prozent vor Steuern, in keiner anderen Branche sind sie niedriger.» Vielen Einzelhändlern macht zudem die Online-Konkurrenz zu schaffen. Das Rechenbeispiel zur Altersarmut ist aus ihrer Sicht nicht haltbar. «Es ist lediglich eine Prognose, die viele Fragen offen lässt.»
Und was, wenn eine Einigung weiter auf sich warten lässt? Ein unbefristeter Streik in der ganzen Branche gilt als nicht machbar, schließlich sind nur etwa 10 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel in der Gewerkschaft. Nur in einigen Filialen von Galeria Kaufhof oder der Supermarktkette Kaufland sind laut Gewerkschaft immerhin die Hälfte der Belegschaft oder mehr Verdi-Mitglieder.
Selbst wenn ein hoher Abschluss kommt: Laut Verdi fallen nur noch etwa 38 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel bundesweit unter den Tarifvertrag. Tendenz fallend - erst kürzlich stieg die Supermarktkette Real aus dem Tarifvertrag aus. (DPA)