Einzelhandelszahlen der europäischen Modebranche: Einblicke in ihre komplexe Landschaft und zukünftige Trends
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Wie entwickelt sich der Markt? Die Frage, ob die finanziellen Aussichten positiv oder negativ sind, war noch nie so schwer zu beantworten wie heute. Eine Tatsache, die in der Executive Survey von dem Beratungsunternehmen McKinsey und dem Fachmagazin Business of Fashion (BoF) zu Recht festgehalten wurde. Dem Bericht zufolge ist die Einschätzung der Führungskräfte zu den Aussichten der Branche angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds so gespalten wie in keinem anderen Jahr seit dem Start der Studie 2017. Während 26 Prozent der Befragten eine Verbesserung der Bedingungen im Vergleich zum Vorjahr erwarten, glauben 37 Prozent, dass die Situation unverändert bleiben wird, und 38 Prozent sagen eine Verschlechterung voraus.
Am besten hat vielleicht Christian Pimont, Präsident der Trade Alliance, die Situation die Situation auf den Punkt gebracht, als er erklärte:„Es kommen immer wieder schlechte Nachrichten, aber wir müssen und werden uns erholen.“ Geopolitik, Mietpreise und Lohninflation haben die Finanzergebnisse des Sektors in den letzten drei Jahren stark beeinträchtigt. Nichtsdestotrotz gibt es Chancen, auf die sich die Akteur:innen einstellen und sie ergreifen können.
Ausblick auf 2024
Die Analyse der Modeprognosen von McKinsey zeigt, dass der Branche weltweit ein Umsatzwachstum von zwei bis vier Prozent für 2024 prognostiziert wird, wobei es je nach Region und Land Unterschiede gibt. Wie erwartet, wird das Luxussegment weiterhin den größten Anteil am wirtschaftlichen Gewinn generieren. Dennoch werden die in diesem Sektor tätigen Unternehmen aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen auf große Hindernisse stoßen. Es wird erwartet, dass das Segment weltweit um drei bis fünf Prozent im Gegensatz zu den für 2023 prognostizierten fünf bis sieben Prozent wachsen wird, da die Verbraucher:innen ihre Ausgaben nach einer Pandemiewelle zurückhalten. Die Unsicherheit innerhalb der Branche spiegelt das allgemeine Wirtschaftsklima wider, mit regionalen Unterschieden, auf dem Weg ins Jahr 2024. Der zu erwartende Druck auf die Haushaltseinkommen wird wahrscheinlich die Nachfrage nach Bekleidung dämpfen, was zu einem Rückgang des Handels in allen Kategorien führen wird.
Wenn Niedrigpreise den Marktanteil der Supermärkte übernehmen
Vor dem Hintergrund eines allmählichen Rückgangs der Kaufkraft der Europäer:innen hat der Einzelhandel mit erschwinglichen Modeartikeln in physischen Geschäften in den letzten 25 Jahren einen bedeutenden Wandel erfahren. Supermärkte, die früher den Markt für preisgünstige Artikel beherrschten, haben ihren Umsatz nach Angaben von FashionNetwork um 50 Prozent schwinden sehen. Dieser Rückgang ist zum Teil auf den Aufstieg neuer Hauptakteur:innen im Niedrigpreissektor wie Primark, Zeeman, Shein und Vinted zurückzuführen. In den letzten zehn Jahren haben sich die von diesen Marken verkauften Mengen verdreifacht.
Explosionsartiges Wachstum des Secondhand-Segments in Europa
Während sich die wandelnden Kaufgewohnheiten der europäischen Verbraucher:innen negativ auf die Aussichten für den stationären Einzelhandel auswirken, entstehen neue Chancen in anderen Sektoren, insbesondere im Onlinehandel. In diesem Onlinemarkt sticht das Secondhand-Segment besonders hervor. Prognosen der Cross-Border Commerce-Studie über den europäischen Online-Modemarkt deuten auf ein Wachstum des europäischen Online-Modemarktes um 50 Prozent bis 2025 hin. Die Prognosen der Studie sehen Europa mit einem geschätzten Wert von 175 Milliarden Euro bis 2025 im Vorfeld. Statista sagt voraus, dass der Kontinent seine dominante Position in Bezug auf den Umsatz mindestens bis 2027 halten wird. Der Online-Verkauf von Mode in der Region ist vor allem auf das Wachstum von Secondhand-Verkaufsplattformen wie Vinted und Depop zurückzuführen. Vinted hält derzeit einen Marktanteil von 2,7 Prozent und will bis 2025 25 Prozent des des Secondhand-Marktes erobern. Ebay Europe verzeichnete im vergangenen Jahr ebenfalls ein deutliches Wachstum, vor allem in der Modebranche, die ein Viertel des Bruttoumsatzes ausmachte.
Zukünftige Ausgaben der Europäer:innen und ihre Entwicklung
Während die Ausgaben der Französ:innen für Mode auf einem historischen Tiefstand zu sein scheinen und der Trend zum De-Konsumismus in Europa Einzug gehalten zu haben scheint, zeigt ein genauerer Blick auf die Zahlen ein anderes Bild. Der durchschnittliche französische Online-Einkaufskorb wuchs laut Statista im Jahr 2023 um 10,1 Prozent, was 2,664 Millionen gekauften Modeartikeln entspricht. Das entspricht 53 gekauften Artikeln für ein Budget von 800 Euro pro Person. Ein Anstieg seit 2021, aber immer noch unter dem Ausgabenniveau vor der Krise. Mit seiner Position als einer der größten und am schnellsten wachsenden E-Commerce-Märkte Europas machten die Onlineverkäufe in Großbritannien laut Statista 26,5 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes im Jahr 2022 aus, und die Prognosen für 2023 deuten auf eine beträchtliche E-Commerce-Nutzer:innenbasis von fast 60 Millionen hin, so dass nur eine Minderheit der Bevölkerung als nicht-digitale Verbraucher:innen übrig bleibt.
Kantar erklärte, dass die Europäer:innen angesichts der Inflationskrise noch nie so sehr auf der Suche nach Schnäppchen waren, und dass das Internet ein mächtiger Verbündeter sei, der ihnen dabei helfe, Preise zu vergleichen und die besten Angebote zu finden. Das weltweit führende Unternehmen für Verbraucheranalysen zeigt, dass die französischen Modekäufe im Internet in der ersten Jahreshälfte um 1,7 Prozent gestiegen sind, während die Einkäufe in den Geschäften um 4,8 Prozent zurückgingen. Dieser Trend wird von den Nachbarländern Italien und Spanien geteilt, wo die iberische Beschleunigung im digitalen Bereich die bemerkenswerteste seit fünf Jahren ist (+13,5 Punkte seit 2019).
Analyse von „Fan-Gemeinschaften” und ihre Auswirkungen auf den Mode-Einzelhandel
Diese Zahlen werden von der Trade Alliance in ihrer Studie zur Markentransformation bestätigt, die zeigt, in welchem Maße Secondhand-Mode bei den Präferenzen der Verbraucher:innen eine Rolle spielt. „Vinted steht an zweiter Stelle, wenn es um die Anzahl der Fans von Kinder- und Erwachsenenmode geht. Die Website spricht 20 Prozent der Kundschaft an, das ist ein echter Erfolg“, so Pimont. Damit liegt die Seite an vierter Stelle, hinter Zalando (22 Prozent der Fans an der Gesamtzahl der Kund:innen), Shein (18 Prozent) und Galeries Lafayette (17 Prozent). Es ist interessant, diese Zahlen mit der Durchdringungsrate der Verbraucher:innen zu vergleichen. Diesmal liegt Vinted an der Spitze und zieht fast die Hälfte der Kund:innen des Sektors an (47 Prozent), gefolgt von den Pure Playern Zalando (41 Prozent) und Shein (33 Prozent), dann Galeries Lafayette (32 Prozent). Die traditionellen Einzelhändler, die in den Stadtzentren und Einkaufszentren präsent sind, haben jedoch eine niedrige Durchdringungsrate und weisen zudem einen rückläufigen Trend auf.
Die anhaltende Dominanz digital nativer Marken
Infolgedessen beherrschen die großen Akteur:innen der Branche, nämlich Zalando, Amazon, Shein, Inditex (Zara) und H&M, weiterhin den Markt. Laut der Studie „Cross-Border Commerce Europe“ hat Zalando einen Online-Marktanteil von 11,7 Prozent und will diesen Anteil bis 2025 verdoppeln. Wenn das gelingt, wird die Plattform bald 5 Prozent des gesamten Modemarktes - sowohl online als auch offline - halten. Damit liegen die Deutschen gleichauf mit Inditex (5,6 Prozent Marktanteil) und H&M (4 Prozent). Unter den „digital nativen Marken“ stechen Allbirds, Gymshark, Na-kd, Qwertee und Stitch Fix als die prominentesten in Europa hervor. Nach Schätzungen von Cross-Border Commerce Europe macht die Modebranche 18 Prozent des gesamten E-Commerce-Marktes aus, wobei der Onlinekauf von Kleidung derzeit einen Anteil von 25 Prozent ausmacht, der bis 2025 auf 33 Prozent steigen soll.
Vor dem Hintergrund der gesunkenen Kaufkraft werden globale Pure Player wie Vinted und Shein Kauftrends kurzfristig beeinflussen. Auch in den Geschäften wird der Reigen nun von den Low-Cost-Spezialisten angeführt. Um die steigenden Kosten für die Baumwollpreise, die Mieten, die Lohninflation und die sinkenden Umsätze zu bewältigen, müssen sich Einzelhandelsgeschäfte anpassen und konfrontieren. Laut Pimont ist eine durchschnittliche Preiserhöhung von 9 Prozent erforderlich, um das EBITDA einer Marke wertmäßig zu erhalten. Es wird spannend sein zu beobachten, welche Methoden Einzelhandelsunternehmen anwenden werden, um diesen Anstieg aufzufangen und das Umsatzvolumen zu halten.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk . Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.