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Mehr Transparenz, fundiertere Beratung – wie Tablets den stationären Einzelhandel verändern können

Von Jan Schroder

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Einzelhandel

Die rasant wachsende Verbreitung digitaler Kommunikationsmittel hat den Einzelhandel in den vergangenen Jahren entscheidend verändert. Nicht nur, weil der Online-Handel dem traditionellen Filialhandel harte Konkurrenz liefert und konstant deutlich höhere Wachstumsraten erzielt, sondern auch, weil sich das Kundenverhalten insgesamt verändert hat. Die vielfältigen Möglichkeiten, Produkte und Preise jederzeit und überall im Detail zu vergleichen, stellen ganz neue Anforderungen an die stationären Händler. Längst beschäftigen sich die fortschrittlicheren unter ihnen mit Modellen, die darauf abzielen, die zusätzlichen technischen Möglichkeiten auch „auf der Fläche“ – also im Geschäft – nutzbar zu machen, um gegenüber dem Online-Handel nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Und so spielen entsprechende Technologien nun nicht mehr nur in den Händen des Verbrauchers eine Rolle – auch ihre Einbindung in klassische Beratungs- und Verkaufsprozesse im Laden sind ein wichtiges Thema geworden.

Zahlreiche Händler versuchen etwa, mit dem Einsatz von Tablet-Computer in stationären Filialen die Vorteile des stationären Einkaufs – die unmittelbare Fassbarkeit der Ware und eine individuelle persönliche Beratung – mit den umfassenden Auswahl- und Informationsmöglichkeiten zu verknüpfen, die der Kunde mittlerweile aus dem Internet gewohnt ist.

Die Unternehmensberatung Capgemini hat zusammen mit der Heilbronner Hochschule DHBW untersucht, wo sich der Tablet-Einsatz in der Filiale tatsächlich lohnt

Wie Einzelhändler die Vorteile des Tablets gezielt zur Verbesserung ihrer stationären Aktivitäten nutzen können, haben nun die Beratungsagentur Capgemini und die in Heilbronn ansässige Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in einer gemeinsamen Studie untersucht. „Jedem Verkäufer ein Tablet?“ lautet der Titel – was zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch eine rhetorische Frage ist, sind doch die meisten Unternehmen, bei denen solche Lösungen zum Einsatz kommen, noch dabei, deren Potentiale überhaupt erst zu entdecken. Die Studie will hier Licht ins Dunkel bringen: Mit Verbraucherbefragungen, Experteninterviews und der Analyse „aktueller Tablet-Projekte bei 15 deutschen und internationalen Bekleidungshändlern“ erhellt sie, welche Vorteile der Einsatz mobiler Endgeräte in der Filiale tatsächlich für Händler und Verbraucher bringen kann – und welche Modelle sich eher als kostspielige Sackgassen erweisen dürften.

Denn bislang setzen Unternehmen Tablets in ihren Geschäften auf sehr unterschiedliche Weise ein – noch wird eben allerorten ausgelotet, was sich mit den handlichen Endgeräten vor Ort erreichen lässt. Manche Händler geben sie den Kunden in die Hand, damit sie etwa selbständig im Online-Shop des Unternehmens recherchieren und vergleichen können, bei anderen sollen sie dem Verkäufer zusätzliche Argumente im Verkaufsgespräch liefern.

Eine Lösung, die gewohnte Abläufe besonders einschneidend verändert, ist der Einsatz des Tablets als „Mobile POS“ – also als flexibler Verkaufspunkt. Konkret bedeutet das, die Geräte mit Scan-Apps und bargeldlosen Bezahlfunktionen zu mobilen Kassen aufzurüsten. Der Kunde muss sich dann nicht mehr in die Schlange stellen, er kann den Kauf im Prinzip überall im Laden abschließen. Großer Bedarf nach solchen Lösungen besteht der Studie zufolge allerdings nicht: Nur 13 Prozent der Kunden seien mit den traditionellen Bezahlvorgängen unzufrieden, heißt es dort. „Der Einsatz von Tablets zum alleinigen Zweck einer Entlastung der Kassen in Spitzenzeiten ist somit nicht zielführend“, lautet das Fazit zu dieser Einsatzvariante.

Großes Potential besteht der Studie zufolge hingegen dort, wo entsprechend konfigurierte Geräte dem Verkäufer Zusatzinformationen liefern, die aus dem klassischen Online-Handel bekannt sind. Angestrebt werden sollte beispielsweise der möglichst umfassende Zugriff auf das verfügbare Gesamtsortiment einer Marke – etwa durch die Vernetzung der Bestandsdateien verschiedener Filialen und des Online-Shops. Die Verfasser präferieren hier den Einsatz der Geräte im Rahmen des klassischen Verkaufsgesprächs: „Ein Mehrwert für den Kunden kann generiert werden, wenn er sich nicht in Eigenregie über das zusätzliche Sortiment informieren muss, sondern ein Verkäufer durch die Angebote führt“, heißt es in der Studie.

Tablet-Systeme bringen Händlern vor allem dann Vorteile, wenn sie detaillierte Kundenprofile nutzen

Doch dem Verkäufer können Tablets nicht nur zusätzliche, jederzeit abrufbare Informationen über das Sortiment liefern, sondern – und da wird es tatsächlich revolutionär – auch über den Kunden. Denn zahlreiche Unternehmen arbeiten bereits mit Anwendungen, die detaillierte individuelle Kundenprofile erstellen, dessen Verkaufshistorie dokumentieren und auf dieser Basis – wie es bei Onlinehändlern wie Amazon bereits gang und gäbe ist – gezielte, individuell abgestimmte Vorschläge generieren können. Der Verkäufer muss sich im Gespräch also nicht mehr auf spontane Antworten und seine Menschenkenntnis verlassen – er kann anhand der aufbereiteten Bestandsdaten konkrete Anregungen geben. Es ist die Übertragung des aus dem Netz bekannten „Das könnte dir gefallen!“-Prinzips auf den stationären Einzelhandel. Die gesammelten Informationen können wiederum über das Verkaufsgespräch hinaus der umfassenden Kundenbindung dienen – und etwa für den Versand von personalisierten Empfehlungen per Email oder Kurznachricht, für gezielte Einladungen zu Promotionsveranstaltungen und weiterführende Produkt- und Kollektionsinformationen verwendet werden.

So wird das im Internet bereits bewährte „Profiling“ des Kunden weiter vertieft – und ermöglicht eine fundierte, individuell zugeschnittene Beratung. Auf diese Weise eingesetzt kann das Tablet im klassischen stationären Einzelhandel tatsächlich weit mehr sein, als nur ein Modernität vorspiegelndes Gimmick im Laden. Und nur dann lohnt sich für den Einzelhändler die Anschaffung solcher Geräte und der Aufbau eines entsprechend komplexen IT-Systems: „Es geht nicht nur darum, bestehende Abläufe zu verbessern, sondern auch darum, neue, innovative Wege der Kundenansprache zu finden und zu etablieren“, bilanzieren die Verfasser der Studie.

Foto: SportScheck

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