Mieten statt kaufen: Immer mehr Händler verleihen ihre Ware
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Vom Hightech-Fernseher fürs Wohnzimmer bis zum Holzspielzeug für Kleinkinder: Immer öfter mieten Verbraucher Konsumgüter, statt sie zu kaufen. Verbraucherschützer sehen das nicht ohne Sorge.
Ob Fernseher, Kinderkleidung oder Spielzeug: Immer öfter haben die Verbraucher die Wahl, ob sie die Produkte kaufen oder nur auf Zeit ausleihen wollen. Viele bekannte Einzelhändler - wie Otto, Media Markt, Saturn, Real oder Tchibo - haben inzwischen auch Mietangebote im Programm. Sogar Ikea will schon bald auf den Verleihtrend aufspringen. Ganz ohne Gefahren für Verbraucher ist das neue Geschäftsmodell aber nicht.
«Bei Gebrauchsgütern geht es den Konsumenten immer stärker um Nutzen und Komfort, statt um klassischen Besitz», erklären die die Unternehmensberatung KPMG und das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) den Trend zum «Mieten statt Kaufen». Nach einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts Splendid Research fühlt sich knapp die Hälfte der deutschen Konsumenten von Mietangeboten angesprochen.
Vorreiter: Versandhändler Otto
In vielen Bereichen ist das Prinzip Nutzen statt Besitzen längst Alltag. Streaming-Dienste für Musik wie Spotify oder Deezer ersetzen die eigene Platten- oder CD-Sammlung. Fahrradverleiher wie «Call a Bike» oder Autoverleiher wie Car2go ermöglichen Mobilität ohne einen eigenen fahrbaren Untersatz. Doch halten Mietmodelle mittlerweile auch bei Elektronik, Bekleidung und Spielzeug Einzug.
Einer der Vorreiter ist der Versandhändler Otto, der bereits seit 2016 technische Geräte von der Waschmaschine bis zum Saugroboter vermietet. Das Geschäft entwickele sich sehr gut, berichtet Unternehmenssprecher Nick Marten. Seit dem Start habe sich die Zahl der angebotenen Produkte von 70 auf rund 500 erhöht. «Besonders gefragt waren in den letzten zwölf Monaten Drohnen, Fernseher und Smartphones», verrät er.
Auch die großen Elektronikketten Media Markt, Saturn und Conrad bieten längst Technik zur Miete an und arbeiten dabei mit dem Berliner Internet-Start-up Grover zusammen, das von der Tageszeitung «Welt» schon zum «Spotify für Konsumgüter» ernannt wurde. Das Interesse an Mietangeboten habe in diesem Jahr «noch einmal deutlich zugenommen», heißt es bei MediaMarktSaturn. Die Elektronikketten würden deshalb «das verfügbare Angebot an mietbaren Produkten in den kommenden Monaten noch einmal deutlich erweitern».
Angebote zum Mieten kurbeln Nachfrage an
Für den Handelsexperten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU ist das Interesse der Ketten am Mietmarkt gut nachvollziehbar. Schließlich kurbelten die neuen Angebote die Nachfrage an. «Für den Handel ist es ein Problem, wenn die Kunden ein Produkt zu lange nutzen - etwa wenn derselbe Fernseher fünf Jahre oder länger im Wohnzimmer steht», erklärt er. «Durch das Vermieten kommt viel schneller der Zeitpunkt, an dem sie dem Kunden ein neues Angebot machen können.» Außerdem machten die Leihangebote die Preise zumindest auf den ersten Blick günstiger und könnten damit neue Käuferschichten erschließen.
Auch Eltern, deren Kinder im Eiltempo aus den neuen Kleidern herauswachsen oder sich mit dem altbekannten Spielzeug langweilen, können inzwischen auf Mietangebote zurückgreifen. Gleich zwei große Handelsketten haben diese Zielgruppe für sich entdeckt: der Kaffeehändler Tchibo und die Supermarktkette Real.
Tchibo bietet schon seit Jahresanfang zusammen mit dem Magdeburger Start-up Kilenda auf einer eigenen Website Kinderkleidung zum Mieten: vom Baby-Body für 80 Cent pro Monat bis zum Teenager-Kleid in Größe 176 für 2,20 Euro pro Monat. Seit April wurde das Angebot außerdem noch um Spielzeug ergänzt. Tchibo hebt die Vorteile für die Umwelt durch längere Nutzung und Weiterverwertung hervor. Real bietet seit August auf seinem Onlineportal ebenfalls Spielzeug zur Miete an.
Sogar bei Möbeln tut sich etwas. Der schwedische Möbelriese Ikea entwickelt gerade «ein Konzept, um Möbel zu vermieten», wie Unternehmenschef Jesper Brodin kürzlich der «Neuen Züricher Zeitung» verriet. Er sehe Interesse an einem solchen Angebot vor allem «bei Gruppen, deren Lebensumstände sich schnell ändern können» - etwa bei Studenten, im Ausland stationierten Arbeitnehmern oder Familien, betonte der Ikea-Chef. «Dieses Angebot wird schon bald auf den Markt kommen», versprach Brodin.
Ganz ohne Tücken sind solche Mietofferten allerdings nicht. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät Kunden, bei den Angeboten mitzurechnen. «Mieten kommt meist viel teurer als Kaufen», beobachteten die Verbraucherschützer, als sie anlässlich der Fußball-WM Mietangebote unter die Lupe nahmen. Besonders für Verbraucher, die gleich mehrere Mietangebote nutzten, könne es ein böses Erwachen geben. «Die scheinbar überschaubaren Monatssummen pro Gerät türmen sich über lang zu horrenden Beträgen.» (dpa)
Foto: Tomizak / pixelio.de