New Yorker: Modegigant mit Geheimnissen
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Der deutsche Modeanbieter New Yorker, der seine Wurzeln in Braunschweig hat, gehört in Europa mittlerweile zu den größten seiner Art. Dieses Jahr feiert die Kette ihr 34-jähriges Bestehen und blickt auf einen erfolgreichen Werdegang zurück. Satte 1.000 Stores in 39 Ländern sowie 16.000 Mitarbeiter stehen derzeit unter der Leitung des alleinigen Geschäftsführers Friedrich Knapp, der durch die Modekette zu einem der reichsten Unternehmer Deutschlands wurde. Der Weg dahin ist jedoch nur teilweise transparent. FashionUnited hat sich die Erfolgsgeschichte genauer angeschaut.
Alles begann im Jahr 1971, als Tilmar Hansen und Michael Simson die erste New-Yorker-Filiale, die damals ein schlichtes Jeansgeschäft war, in der Flensburger Innenstadt eröffneten. Wenig später gesellte sich bereits der heutige Geschäftsführer Friedrich Knapp dazu, der damals ebenfalls einen Denim-Store in Braunschweig leitete. Die drei gründeten schließlich die SHK-Jeans GmbH und eröffneten in den 70er und 80er Jahren deutschlandweit erste Filialen. Bereits 1990 verließ Simson das Unternehmen wieder und war nur noch als Eigentümer einiger Immobilien, in denen sich New-Yorker-Filialen befanden, mit dem Unternehmen verbunden.
1992 wird das Label ‘Fishbone’ eingeführt, das aus einer Damen- und einer Herrenlinie besteht. Nur zwei Jahre später, 1994, wird der erste Schritt über die deutsche Grenze gewagt. Die zwei Unternehmer eröffnen damals die erste ausländische Filiale in Linz in Österreich. Einmal im Ausland, expandierte das Unternehmen rasant immer weiter. 1998 nach Polen und Tschechien, ein Jahr später nach Ungarn und Mallorca. Zu beachten ist, dass der stationäre Handel von damals nicht mit dem von heute zu vergleichen ist. Das Unternehmen hat nicht erst vorsichtig mithilfe eines Online-Stores den Markt getestet und ist anschließend mit dem stationären Handel sicher nachgerückt. Der Onlinehandel war damals ein kaum genutzter Channel, der erst ab dem Jahr 2007 dramatisch an Bedeutung gewonnen hat. Laut ‘Statista’ wurden im Jahr 2000 gerade mal knapp eine Milliarde Euro im deutschen Onlinehandel umgesetzt. Zum Vergleich: 2013 waren es bereits satte 39,1 Milliarden Euro. Bis heute bleibt Friedrich Knapp jedoch dabei, auf einen Online-Store zu verzichten. Stattdessen wurde das Unternehmen laufend stationär ausgebaut.
Gerüchte um einen möglichen Börsengang
Im Jahr 2000 legte New Yorker richtig los. Store-Eröffnungen in Slowenien und Dänemark, Lizenzen für Fishbone-Brillen und -Socken sowie Sportartikel. Zudem zog das Unternehmen mit seiner Zentrale in die Hansestadt um und startet das neue Ladenkonzept ‘21’, das bei der Eröffnung der insgesamt 300. Filiale in Dortmund vorgestellt wurde.
Die Expansion trug schnell Früchte, im Jahr 2001 erreichte das Label erstmalig die Umsatzmilliarde (Deutsche Mark) und führte prompt eine weitere Linie ein: Amisu. Für Fishbone folgte die Uhren-Lizenz. Trotz der erfolgreichen Expansion ließ sich Tilmar Hansen zum 1. September 2001 auszahlen und verließ das Unternehmen ebenfalls. Er verkaufte seine Anteile an Knapp, der somit zum alleinigen Eigentümer des Konzerns wurde. Laut Medien, berichteten Insider damals, dass dies eine schwere Zeit für das Unternehmen mit sich brachte.
Doch das war kein Grund, kürzer zu treten. Im Gegenteil, New Yorker richtete den Fokus mehr als je zuvor auf die junge Zielgruppe, lancierte 2003 die Unterwäschelinie ‘Censored’ und präsentierte Musikveranstaltungen wie die Loveparade in Berlin, ein Hip Hop Festival in Polen, die Mayday in Ungarn und Polen, die Popkomm sowie das Ringfest. Die Promotionarbeit zahlt sich bis heute aus, laut einer Studie der GfK, der Gesellschaft für Konsum- und Marktforschung, ist 94 Prozent aller jungen Deutschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren das Unternehmen New Yorker bekannt.
2004 wurde fleißig weiter ins Ausland expandiert: in die Schweiz sowie die Slowakei. 2005 folgten erste Filialen in Russland, den Niederlanden, Kroatien und Belgien. Zudem holte sich Knapp Verstärkung in die Geschäftsleitung, Helene Steiner, Florian Kall und Holger Meißner bildeten ab Februar die Spitze des Konzerns.
Seit Mitte 2006 gab es immer wieder Gerüchte um einen möglichen Börsengang des Konzerns, der jedoch nie erfolgte. Knapp wollte, dass New Yorker selbstständig ist und bleibt. Die gesamte Wertschöpfungskette, vom Entwurf bis zur Ladentheke, wird vom Modekonzern selbst beherrscht. Einzig die Produktion übernehmen Lieferanten – wo sich diese Lieferanten befinden, hat New Yorker nie konkret beantwortet. Was in der Branche für viel Diskussionsstoff sorgt.
Der Konzern verfolgte weiterhin seinen Expansionsplan und eröffnete 2006 erste Stores in Litauen und Lettland. 2007 ging es weiter nach Estland, Rumänien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Frankreich, Serbien, Saudi Arabien und Schweden. Satte 10.000 Mitarbeiter beschäftigte der Konzern zu der Zeit.
Keine Auskunft über Produktionsbedingungen
2008 folgte ein Meilenstein: New Yorker eröffnete seine weltweit größte Filiale, die sich in der Heimatstadt des Modeunternehmens Braunschweig befindet und 3.069 Quadratmeter groß ist.
Neben diversen Auszeichnungen, die New Yorker für seine Werbefilme erhielt, war das Unternehmen nach wie vor mit dem Eintritt in neue Märkte beschäftigt. 2008 eröffneten erste Stores in Bosnien-Herzegowina und Bulgarien. 2009 folgten Portugal und Italien. Außerdem gründete Knapp Anfang 2008 seine eigene Stiftung, die ‘New Yorker Stiftung. Friedrich Knapp’, zur Förderung der kulturellen Bildung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen. New Yorker leistete außerdem Hilfe in Form von jeweils einer Million Euro bei Katastrophen wie dem Erdbeben in Haiti und der Flutkatastrophe in Pakistan. Auch die United Kids Foundation erhält finanzielle Unterstützung von Knapps Modegigant.
New Yorker ist jedoch nicht besonders auskunftsfreudig, wenn es um die eigenen Produktionsbedingungen bezüglich Kinderarbeit sowie klima- und umweltfreundlicher Produktion geht. Diese fehlende Transparenz hat New Yorker schon oft in Verruf und die Negativschlagzeilen der Fachpresse gebracht. New Yorker selbst gibt an, einen Kodex für Zulieferer, "Code of Conduct", zu haben, jedoch wurde dieser nie veröffentlicht, was die Frage aufwirft: Wieso nicht? Laut eigenen Angaben lässt New Yorker seine Mode “überall auf der Welt” produzieren, wobei 60 Prozent in Europa hergestellt werden. Nähere Angaben werden grundsätzlich nicht gemacht.
Friedrich Knapp führt sein Unternehmen wie sein Privatleben – bedeckt. Nur selten tritt er in die Öffentlichkeit und gibt ungern Interviews. Jedoch ist er trotzdem für sein enormes Engagement und seine Großzügigkeit bekannt. Der Modeunternehmer wurde durch sein Bedürfnis zu helfen sogar zum Eigentümer eines Badezentrums in Braunschweig. Das Schwimmbad sollte im Oktober 2014 abgerissen werden, was Knapp verhinderte und gleichzeitig die Führung übernahm.
Trotzdem lässt sich der 63-Jährige das Geld nicht aus der Tasche ziehen. 2014 verklagte das US-Jeanslabel Levi’s New Yorker, weil das Braunschweiger Unternehmen Levi’s-Plagiate verkauft haben soll. 50 Euro pro verkaufter Jeans wollte Levi’s von Knapp haben, er wehrte sich jedoch immens dagegen. „Es ist eine Frechheit, dass diese Herrschaften versuchen, auf unsere Kosten Kasse zu machen”, regte sich Knapp damals auf. „Unsere Jeans kosten in der Regel zwischen 19 und 39 Euro. Wie soll das gehen? Das sind doch Wildwest-Methoden!“ Am Ende verlor Knapp den Rechtsstreit und musste doch zahlen.
In letzten Jahren folgten die Markteintritte in Mazedonien, Kasachstan, die Ukraine und Montenegro. Ansonsten ist es etwas ruhiger um das Unternehmen geworden – bis Knapp vor rund zwei Monaten wieder tief in seine Tasche griff und erneut eine Million Euro spendete. Diesmal ging das Geld an arme Kinder in Braunschweig. Knapp sagte, er wolle mit gutem Beispiel für andere Unternehmen in Braunschweig vorangehen und sie ebenfalls zur Unterstützung inspirieren. Knapps großzügiges Engagement sorgt bei manchen jedoch für Verwirrung. Beispielsweise Wolfram Pehlke, Grünen Vorstandssprecher in Braunschweig, hätte da einige Fragen an Herrn Knapp, die er Anfang Januar 2015 in einem offenen Brief an ihn formulierte. “Wir haben uns sehr gefreut, zu erfahren, dass Sie beziehungsweise die Firma New Yorker S.H.K. Jeans GmbH, der Stadt Braunschweig eine Großspende über eine Million Euro zur Bekämpfung der Armut von Kindern in Braunschweig hat zukommen lassen...Neben unserer Freude, zu sehen, dass Sie sich selbst dem Wohlergehen von Kindern in Armut verpflichtet fühlen, gibt es jedoch auch weitergehende Diskussionen in unserer Partei (wie auch in der Stadt), die aus dem Wunsch nach einer globalen Gerechtigkeit heraus die Frage aufwerfen, auf welche Weise und zu welchen Bedingungen unsere “Wohlstandsprodukte“ eigentlich entstehen. Natürlich sind uns – wie sicher auch Ihnen – Berichte über Textilfabriken in Ländern wie Bangladesch bekannt, aus denen hervorgeht, dass dort Kinderarbeit, extrem geringe Löhne, aber auch schlechte oder gar gefährliche räumliche Arbeitsbedingungen keine Seltenheit sind. Sicher ist auch Ihnen die Forderung nach einer Unterzeichnung des „Bündnis für nachhaltige Textilien“ oder zumindest des BSCI-Abkommens ebenfalls nicht verborgen geblieben. Leider berichten die Medien, dass die Firma New Yorker nicht zu den Unterzeichnern dieser Selbstverpflichtung für bestimmte Mindeststandards gehört. Wir übersehen dabei nicht, dass etliche Konkurrenzbetriebe aus dem Bereich der Bekleidungsproduktion sich mit diesen Unterzeichnungen ebenfalls schwer tun, würden uns aber natürlich freuen, wenn gerade Ihre Firma hier mit leuchtendem Beispiel voranginge. Der derzeitige Sachverhalt scheint aus unserer Sicht zunächst widersprüchlich und wir wenden uns deshalb an Sie direkt mit der Bitte, uns doch darüber aufzuklären, unter welchen Bedingungen, in welchen Ländern und welchen Betrieben die Produkte der Firma New Yorker hergestellt werden. Wir sind uns sicher, dass Ihr soziales Engagement angesichts Ihrer weltweiten Aktivitäten nicht an den Grenzen der Stadt Braunschweig endet und wären deshalb für eine Antwort dankbar.”
Klare Worte, mit denen sich wohl viele aus der Modebranche und -presse identifizieren können. New Yorker hat sich bezüglich der Selbstverpflichtung konsequent zurückgehalten und die Situation bisher nicht öffentlich kommentiert. FashionUnited hat sich mit dem Schreiber des Briefes, Herrn Pehlke, in Verbindung gesetzt, um herauszufinden, ob es diesmal eine Reaktion gab. Das war jedoch, wie bereits zu erwarten, nicht der Fall. Pehlke hofft nun, dass sich das mit Einstellung des neuen Unternehmenssprechers Olaf Glaeseker, der zuvor für Ex-Bundespräsident Christian Wulff tätig war, noch ändern wird. Seit dem 15. Januar ist Glaeseker für die Kommunikation von New Yorker verantwortlich und die Chance, dem Unternehmen zu mehr Transparenz zu verhelfen. Der Posten des Kommunikationschefs und “Bevollmächtigten für Regierungsangelegenheiten” wurde eigens für Glaeseker neu geschaffen. Grund für diesen Schritt sei die Internationalisierung des deutschen Einzelhandels gewesen. Ob der diplomierte Sportwissenschaftler und gelernte Journalist, der im Dezember 2011 abrupt seinen Posten als Wulffs Sprecher aufgab, weil Korruptionsvorwürfe gegen ihn laut wurden, der Richtige ist, um New Yorker in der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu rücken, bleibt abzuwarten.
Fotos: New Yorker