Nur Einkaufen reicht nicht – Innenstädte brauchen neue Attraktionen
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Nach der Corona-Pandemie ist das Leben längst wieder in die deutschen Innenstädte zurückgekehrt. Doch die Begeisterung der Menschen über das Angebot, dass sie dort vorfinden, hält sich in Grenzen. Bei einer am Mittwoch veröffentlichten Befragung von fast 69 000 Menschen in 111 Innenstädten erhielten die Stadtzentren im Durchschnitt lediglich Schulnoten zwischen zwei minus und drei plus, wie das Institut für Handelsforschung (IFH) am Mittwoch berichtete.
Tatsache ist, die Innenstädte haben ein Problem: Nach den Daten des auf Zählen von Passanten spezialisierten Unternehmens Hystreet sind die Besucherzahlen in den meisten deutschen Einkaufsstraßen nach wie vor niedriger als vor der Corona-Pandemie.
„Es kommen wieder mehr Menschen in die Innenstädte, aber noch nicht so viele wie vor der Pandemie - und auch dieser Zuwachs bei den Kundenfrequenzen schlägt sich nicht unbedingt in den Kassen der Einzelhändler nieder”, sagte IFH-Geschäftsführer Boris Hedde der Deutschen Presse-Agentur.
Innenstädte verlieren an Läden
Und das hinterlässt Spuren. „Wir verlieren aktuell enorm viele Läden”, sagte kürzlich der HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Allein 2022 dürften nach seiner Einschätzung rund 16 000 Geschäfte für immer ihre Türen geschlossen haben – gut drei Mal so viele wie in einem normalen Jahr. Und es sehe so aus, als ob sich dieser Trend im neuen Jahr fortsetzen werde.
„Das Angebot an Geschäften schrumpft", betonte der HDE-Hauptgeschäftsführer. Es gebe viele mittelständische Händler, die ihre Boutiquen, Schuhläden, Sportfachgeschäfte oder Parfümerien sang- und klanglos abwickelten. Gleichzeitig dünnten auch viele große Ketten ihre Filialnetze aus. „Das sieht man vielleicht noch nicht in den 1A-Lagen, aber man sieht es in den Stadtbezirken großer Städte, und man sieht es vor allem auch in kleineren und mittleren Städten und Gemeinden", sagte Genth.
Situation spitzt sich weiter zu
Und die Situation könnte sich sogar noch weiter zuspitzen. Denn bei einer repräsentativen Umfrage des Beratungsunternehmens Cima, der "Deutschlandstudie Innenstadt 2022", gaben 26 Prozent der Befragten an, künftig seltener in die Innenstadt kommen zu wollen. Nur zehn Prozent wollten häufiger die City besuchen. Vier Prozent gaben an, gar nicht mehr in die Innenstadt zu kommen.
Wie schlecht es um das Ansehen vieler Innenstädte bestellt ist, zeigt vielleicht am besten eine Frage, die im Rahmen der IFH-Umfrage erstmals gestellt wurde: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese Innenstadt Freund:innen oder Bekannten weiterempfehlen." Die Antworten waren ernüchternd. In rund jeder zweiten Stadt überwog die Zahl derer, die die Innenstadt nicht weiterempfehlen würden. Nur jede vierte Stadt empfanden die Besucher als so attraktiv, dass sie Freunden zu einem Besuch raten würden. „Fakt ist, dass die Mehrzahl der deutschen Innenstädte, mehr Kritiker als überzeugte Fans hat", sagte Hedde. "Das müssen wir ändern, wenn wir wieder mehr Menschen in die Innenstädte holen wollen."
Einzelhandel größter Magnet in den Städten
Der größte Magnet in den Innenstädten ist der Umfrage zufolge nach wie vor der Einzelhandel. Immerhin 60 Prozent der Befragten gaben an, zum Einkaufen in die Innenstadt gekommen zu sein. Doch verliert dieser Publikumsmagnet an Anziehungskraft. Junge Leute im Alter bis 25 kommen deutlich selten zum Einkaufen in die Stadt als ältere, und sie bewerten das Angebot dort auch spürbar kritischer. Generell gilt der IFH-Studie zufolge außerdem: Menschen, die auch online einkaufen - und das sind immerhin drei Viertel der Befragten - sind zwar nach Corona in die Innenstädte zurückgekehrt. Sie kaufen dort aber seltener ein.
„Das Einzelhandelsangebot ist wichtig, aber das allein reicht nicht mehr. Es geht in Zukunft vor allem um den Erlebniswert der Innenstädte, um Ambiente, Flair und Aufenthaltsqualität", fasst Branchenkenner Hedde das Ergebnis der IFH-Umfrage zusammen. Tatsächlich kommen der Studie zufolge mittlerweile mehr als jeder Dritte (35 Prozent) wegen der Gastronomie in die Innenstadt. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren – auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie – plante gerade einmal jeder vierte City-Besucher eine- Restaurant- oder Cafè-Besuch.
„Handelskonzepte, die vor allem auf den Produktverkauf ausgerichtet sind, funktionieren nicht mehr. Das ist angesichts der überwältigenden Auswahl im Internet zu wenig", sagte Hedde. Um in Zukunft bestehen zu können, sei die persönliche Interaktion beim Einkauf wichtig, der Servicegedanke, unter anderem durch Beratung und die Kombination von Einkauf und Freizeitaktivitäten. „Und es dürfen nicht nur kommerzielle Angebote sein. Es muss auch möglich sein, sich dort zu treffen, ohne viel Geld in der Gastronomie auszugeben", betonte der Experte.
Tatsächlich haben die Innenstadtbesucher:innen klare Vorstellungen, was die Innenstädte attraktiver machen könnte: Die Stadtzentren sollen demnach vor allem ein Begegnungsort sein und zum Verweilen einladen (45 Prozent). Aber auch Shoppingangebote (43 Prozent), Kunst und Kultur (36 Prozent) sowie Gastronomie (35 Prozent) bieten. Shopping in der Innenstadt sei immer öfter ein soziales Ereignis, und der Handel müsse dem Rechnung tragen - von der Umkleidekabine bis zum Gastrobereich im Laden, meint Hedde. Für ihn steht fest: „Es muss ein bisschen mehr Menscheln in den Innenstädten." (dpa)
Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag wurde um 10.55 Uhr am 8. Februar 2023 aktualisiert.