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Recruiting: Wie Pier 14 Talente sucht, findet und bindet

Von Annette Gilles

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Einzelhandel

Pier 14 in Kühlungsborn |Bild: Pier 14

Gert Griehl braucht nur drei Wörter, um seine Tätigkeit zu beschreiben: „Wir sind Glücklichmacher!“, sagt der Geschäftsführer der Pier 14 Unternehmensgruppe auf Usedom. „Wir haben in unseren Geschäften die Chance, Menschen glücklich zu machen.“ Und nicht nur dort, „das geht auch online“. In der Pandemie hat die Pier 14 Familie mit ihren zwölf Stores und zwei Gastronomiekonzepten auf Usedom sowie vier Stores in Kühlungsborn begonnen, sich in die digitale Thematik einzuarbeiten; seither gibt es Shopping per WhatsApp, auf Plattformen und Social Media sowie Live-Shows auf Instagram; die Eröffnung eines eigenen Online-Shops steht in wenigen Tagen bevor.

Gert Griehl | Bild: Pier 14
Marie Griehl | Bild: Pier 14

Nach über 20 Jahren im stationären Business – 1999 eröffnete das Ehepaar Jana und Gert Griehl den ersten Store auf der neu erbauten Seebrücke im früheren Kaiserbad Heringsdorf auf Usedom – hat man nun auch in der Online-Welt den Fuß in der Tür. „Das Online-Engagement betrachten wir als Service, als Thekenverlängerung und die Möglichkeit, ganzjährig für die Gäste da zu sein“, so Griehl. Was die Priorität des physischen Elements jedoch nicht in Frage stelle. „Das stationäre Geschäft mit Gastronomie, Events und Erlebnissen ist und bleibt fest in unserer DNA fest verankert“. Deshalb werde man jetzt auch nicht im großen Stil in Online-Marketing, sondern in erster Linie „in die Emotionalität unserer Mitarbeiter:innen investieren“. Schließlich ist es der Anspruch von Pier 14, „auch im Netz die Emotionalität rüberzubringen, die uns auszeichnet“, sagt Griehl. „Dafür brauchen wir offene, freundliche, kommunikative Menschen.“ Die möglichst auch unbefangen vor die Kamera treten, um die Online-Kanäle mit Stories, Informationen und sinnvollem Entertainment zu füttern.

Daher ermuntert Gert Griehl seine Leute, sich auszuprobieren. „Wir sagen ihnen: Es kann nichts passieren, macht einfach das, was Ihr auch im Laden macht.“ Dann wird sich schon zeigen, ob eine Mitarbeiter:in ihr Gegenüber mit ihrer Leidenschaft und Überzeugungskraft erobern und die Kundschaft möglichst auch online begeistern kann. Solchen eher extrovertierten Mitarbeiter:innen „halten wir den Rücken frei, damit sie sich entfalten können“, sagt Griehl. Gleiches gilt für die Mitarbeiter:innen, die zu den administrativ Begabten gehören, jenen Fleißigen also, die mit einer stark unterstützenden Qualität zum Erfolg des Teams beitragen und deren größte Stärke in der Administration liegt, mit allem, was dazu gehört: Genauigkeit, Detailfreude, Ordnung, Lagerpflege. Beide Mitarbeiter:innen-Typen sind unverzichtbar für den Geschäftserfolg. Die Kunst des Unternehmers Griehl ist es, die richtigen Mitarbeiter:innen zu finden, sie für Pier 14 zu begeistern, ihre spezifiischen Kompetenzen zu identifizieren und jede:n entsprechend einzusetzen.

Pier 14 in Zahlen & Fakten
  • 1999: Eröffnung des ersten Stores auf Usedom
  • Heute: – 12 Stores und 2 Gastronomie-Konzepte auf Usedom 4 Stores in Kühlungsborn
  • Mitarbeiter vor der Pandemie: 100 bis 130
  • Mitarbeiter aktuell: 107, davon 45 in der Gastronomie (Service und Küche), 38 im Modebereich, 24 in der Verwaltung (darunter 2 Marketing, 2 HR, 3 E-Commerce)

Rekrutierung außerhalb Europas

Neue Mitarbeiter:innen werden bewusst auch außerhalb Europas rekrutiert. Wie er das macht? Hier kommt Tochter Marie ins Spiel. Sie leitet das Personalmanagement von Pier 14 im Remote-Modus von Südafrika aus, seit sie dort Wirtschaftspsychologie studiert hat. Unter ihrer Federführung haben Jana und Gert Griehl ihr Recruiting professionalisiert und dem Ganzen ihren eigenen Stempel aufgedrückt. „Schon seit zehn Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Personalmarketing“, sagt Marie Griehl. Zwar hat der Einzelhandel nach wie vor kein attraktives Image, doch schließlich hat Pier 14 auf der Habenseite einiges vorzuweisen. Zum Beispiel „sind wir sehr international – und wir lieben diese Vielfalt“, sagt Marie Griehl. Zudem fühle man gerade im Heimat-Bundesland Mecklenburg-Vorpommern eine zusätzliche Verantwortung, mit dem Thema ethnische Vielfalt sensibel umzugehen und Vorreiter:in zu sein. Die Mitarbeitenden kommen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Vietnam, aus afrikanischen Ländern wie Tansania oder Namibia, aus Polen, Mazedonien und Georgien oder aus Lateinamerika. Der Vorteil: „Menschen, die aus Ländern zu uns kommen, die eine andere Service-Kultur haben, sind für uns immer auch eine Inspiration in Sachen Herzlichkeit, Freundlichkeit und Offenheit.“

Will man solche inspirierenden Mitarbeiter:innen finden, muss man „den Leuten vermitteln, dass ein Job bei uns sicher ist und eine Zukunftsperspektive hat“, sagt Marie Griehl. Für die Außendarstellung und die Vermittlung solcher Informationen nutzt Pier 14 Jobplattformen wie Indeed und Netzwerke wie Xing und Linkedin. „Dort bauen wir jeweils Profile auf, die wir mit Postings, aber auch mit gesponserten Kampagnen bedienen, wobei wir die Zielgruppe, die wir ansprechen wollen, jeweils exakt definieren“. Auch die Sprache wird auf die potentiellen Bewerber:innen abgestimmt. „Wenn ich zum Beispiel jemanden suche, bei dem es auf Detailarbeit ankommt, formuliere ich in ganzen Sätzen“, so Marie Griehl. „Wenn jedoch jemand gesucht wird, der das große Ganze im Blick haben muss, wie etwa ein:e Teamleiter:in, arbeite ich oft nur mit Bullet Points.“ Im Junge-Talente-Bereich arbeitet Pier 14 mit dualen Hochschulpartner:innen zusammen und kooperiert seit der Öffnung für Drittstaaten auch mit internationalen Vermittlungsagenturen, die nicht nur über einen Kandidatenpool verfügen, sondern auch Unterstützung bei der aktiven Mitarbeitenden-Suche und dem gesamten Visaprozess bieten.

Marc O'Polo Strandcasino | Bild: Pier 14

Metaprogramme geben Aufschluss über Verhaltensmuster und Präferenzen

Auf lokaler Ebene werden alle zur Verfügung stehenden Ressourcen, beispielsweise Lichtmastenwerbung, genutzt. „Dabei verknüpfen wir unser generelles Marketing möglichst immer mit Personalmarketing.“ Weiter geht’s am POS mit Postern im Schaufenster oder Broschüren an der Kasse. Zudem werden die Mitarbeiter:innen dafür sensibilisiert, in Bezug auf potentielle Kolleg:innen jederzeit Augen und Ohren offen zu halten, selbst im Gespräch mit den Gästen. „Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass man zum Beispiel im Verlauf des Beratungsgesprächs mit einem Gast heraushört, dass dieser eine berufliche Veränderung in Betracht zieht“, so die Erfahrung von Marie Griehl. Als zusätzliche Motivation winken Weiterempfehlungsprämien. Zudem habe man für die Sommersaison „Wechselprämien“ eingeführt: „Wenn jemand zu uns kommt, bekommt er dafür eine finanzielle Prämie, die jeweils hälftig vor und nach der Probezeit ausgezahlt wird.“ 1.000 Euro für Vollzeitkräfte, 500 Euro für Teilzeitkräfte unter 20 Stunden.

Schon im Auswahlprozess versucht die Personalchefin die sogenannten Meta-Programme – aus dem Kontext des NLP (Neurolinguistisches Programmieren) stammende unbewusste Wahrnehmungsmuster – der Kandidat:innen zu identifizieren. „Meta-Programm helfen uns, Menschen zu kategorisieren und anhand ihrer Sprachmuster ihre präferierten Verhaltensmuster zu analysieren“, so Griehl. „Im Bewerbungsgespräch, das ich vorwiegend per Video führe, ist die Art und Weise, wie jemand sich ausdrückt und Sätze formuliert sehr aufschlussreich.“ Nonverbale Hinweise wie Mimik, Gestik und Körperhaltung tragen zum Gesamtbild bei. „Es kann durchaus sein, dass der sprachliche Ausdruck exzellent, jedoch nicht kongruent mit der Person ist“, sagt Marie Griehl. Auch die inhaltliche Stimmigkeit der Selbstdarstellung von Bewerber:innen kommt auf den Prüfstand. „Mitunter stellt sich jemand als ausgesprochen flexibel dar, in der Praxis jedoch sieht es dann mitunter anders aus.“ Manchmal liegt das daran, dass die Bewerber:innen ihre Stärken und Schwächen gar nicht kennen. Daher „geht nichts über unseren Probetag“, so Griehl, „der ist das allerwichtigste, um zu beurteilen, wie jemand sich im direkten Kontakt mit den Gästen verhält.“ Die Gesamtheit all dieser Eindrücke formt sich zu einem Bild und legt oft schon nahe, in welchem Bereich der oder die neue Mitarbeiter:in optimalerweise zum Einsatz kommt.

Marc O'Polo Strandcasino | Bild: Pier 14

Mitarbeiterzufriedenheit durch flache Hierarchien, Wertschätzung, Prämien

Mitarbeiter:innen finden und auswählen ist das eine – doch wie pflegt man eine gute Beziehung zu seinem Personal und bindet es dauerhaft ans Unternehmen? Grundlegend ist zunächst, dass Pier 14 Karriereperspektiven und kontinuierliche Weiterbildung anbietet. Ganz entscheidend ist aber auch, dass junge Persönlichkeiten sich mit dem Unternehmen identifizieren können. „Daher ist das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig, und zwar in jeder Beziehung“, sagt Marie Griehl, sei es im Hinblick auf den Umgang miteinander oder in Bezug auf die Herkunft von Materialien oder Produktionsbedingungen. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass der ethische Anspruch und geschäftliche Erfordernisse nicht ganz in Einklang zu bringen sind. Ein Beispiel: Als Pier 14 bei seinen selbst gebackenen Kuchen auf Zucker und Auszugsmehl verzichtet sowie den Pommes-Frites-Verkauf im Außenbereich eingestellt hat, „wurde das von den Menschen, die hier Urlaub machen, nicht angenommen“. Dass die angebotenen Produkte aus hochwertigen, regionalen und saisonalen Zutaten hergestellt wurden, ist nicht immer und für jede:n relevant, denn „wer mit seinen Kindern vom Strand kommt, will oft einfach nur Pommes“. Gleichzeitig „macht es uns für Generationen von Mitarbeiter:innen attraktiver, wenn die Dinge, die wir einkaufen, herstellen und vertreiben, einen ehrlichen und sauberen Ursprung haben“. Hier muss man also den Spagat schaffen zwischen kurzfristigem und nachhaltigem Erfolg.

Ähnlich relevant wie die Werte des Unternehmens ist für die Belegschaft eine wertschätzende Kommunikation. „Unsere Mitarbeiter:innen müssen jeden Tag spüren, dass sie Teil von etwas Großem sind, und sie wissen sehr genau, dass sie dort das wichtigste Glied in der Kette sind“, so Marie Griehl. Zu dieser Überzeugung leistet die Vielzahl der Team-Events ebenso ihren Beitrag wie die flachen Hierarchien im Unternehmen und der höchst persönliche Umgang miteinander. „Bei uns zu Hause ist es an der Tagesordnung, dass Teamkolleg:innen beim Abendessen mit am Tisch sitzen“, erzählt Marie Griehl. Eine weitere Steigerung der Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen verspricht sie sich auch von der neu geschaffenen Position der „Herzlichkeitsbeauftragten“, die sich von früh bis spät um die Belange der Mitarbeiter:innen kümmert, etwa bei Onboarding-Prozessen, Sprachproblemen oder etwaigen Konflikten mit Kolleg:innen. Doch nicht nur die Feel-Good-Komponenten, auch finanzielle Aspekte hält Marie Griehl für extrem wichtig, um sich als guter Arbeitgeber zu bewähren. Dazu gehört, dass man gehaltlich auf die inflationäre Entwicklung reagiert, dazu gehören aber auch Prämienzahlungen, über die sich „die Leute natürlich freuen“. Einzelprämien werden bei Pier 14 übrigens nur als eine Art Flexibilitätsbonus bezahlt, zum Beispiel für Mitarbeiter:innen, die bereit sind, vorwiegend am Wochenende zu arbeiten. Erfolgsprämien dagegen gehen grundsätzlich ans ganze Team, schließlich „wollen wir keine Ellenbogenmentalität fördern“; zudem gilt es im Unternehmen grundsätzlich nicht als Misserfolg, wenn ein Gast nach zweistündiger Beratung ohne Kaufentscheidung geht. „Wenn dieser Gast uns mit einem positiven Gefühl verlässt, wird er oder sie wiederkommen oder uns weiterempfehlen“, sagt Marie Griehl, „die investierte Zeit war also in jedem Fall wertvoll und zielführend.“

Marc O'Polo Strandcasino | Bild: Pier 14

All diese Maßnahmen, die dazu dienen, Mitarbeiter:innen zu finden und zu binden, sind, so die Personalchefin „sehr fluide, wir sind da ganz offen, suchen regelmäßig den Austausch mit entsprechenden Dienstleistern und nehmen, wenn uns dies sinnvoll erscheint, jederzeit auch Änderungen an unserem Maßnahmenpaket vor“. Doch was, wenn ein:e Mitarbeiter:in trotz aller Bemühungen und Empathie die Erwartungen nicht erfüllt? „Dann sprechen wir die Unstimmigkeiten ganz klar an und versuchen die Ursache zu finden“, sagt Marie Griehl. Vielleicht kann man die Arbeitsbedingungen positiv verändern, vielleicht kann man ihn oder sie woanders einsetzen oder eventuell fehlendes Know-how vermitteln. „Wir lassen sehr ungern jemanden gehen“, sagt die Personalchefin, „das möchten wir vermeiden.“ Letztendlich geht es aber darum, dass beide Partner miteinander glücklich werden. „Und wir wünschen uns, dass jede:r Mitarbeiter:in ihr oder sein Glück findet – nach Möglichkeit natürlich bei uns.“

Pier 14
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