Ship-from-Store: So beteiligt Fachhändler BabyOne seine Franchisepartner am Onlinehandel
Wird geladen...
Wie baut man als stationär geprägte Einzelhandelskette ein einheitliches Onlinebusiness auf, ohne die eigenen Franchisepartner in Bedrängnis zu bringen? Die Fachmarktkette BabyOne aus Münster, die über 30 eigene und 73 Partner-Filialen verzeichnet, hat dafür eine ganz eigene Lösung gefunden.
Ende 2019, nur wenige Monate vor Ausbruch der Pandemie ging bei der inhabergeführten Fachmarktkette BabyOne für Baby- und Kleinkindbedarf, mit über 100 Filialen in der DACH-Region, ein hybrides Onlineshop-Modell live, von dem damals noch keiner ahnte, wie schnell es wichtig werden würde. Bis dahin betrieb das Unternehmen lediglich einen eigenen Online-Shop als digitales Schaufenster der Fachmärkte. Das Besondere am neuen Modell: Der Onlineshop integriert alle Franchisepartner, damit der Kunde ein einheitliches Einkaufserlebnis hat und alle Partner profitieren. Trotz Pandemie schloss das Familienunternehmen das Geschäftsjahr 2021 mit einem Umsatzrekord in Höhe von 255,5 Millionen Euro Nettoumsatz ab. Besonders dynamisch wuchs mit 34 Prozent der Online-Kanal, doch auch stationär hat das Handelsunternehmen zugelegt. Unternehmerischer Fokus lag wie im Vorjahr in der Transformation des Geschäftsmodells vom stationären Händler hin zum Omnichannel-Player. Die beiden Geschwister Anna Weber und Jan-Willem Weischer, die seit 2021 das Unternehmen in zweiter Generation leiten, erklären ihr Ship-from-Store-Modell, warum sie es entwickelt haben und wie es sich bisher bewährt hat.
Sie haben ein hybrides Online-Modell entwickelt, das auch Ihre Franchisepartner einbindet. So etwas gab es noch nicht am Markt, sagen Sie. Warum die Mühe? Warum war es für Sie wichtig, alle Händler in Ihr Onlinemodell einzubinden?
Jan-Willem Weischer: Es war uns extrem wichtig, uns vom rein stationären Handel weiterzuentwickeln. Aber für unsere Franchisepartner:innen ist jeder zusätzlich betriebene Onlineshop natürlich immer eine Konkurrenz. Deshalb wollten wir den Shop so konzipieren, dass alle etwas davon haben. Schließlich nutzt es auch uns nichts, wenn wir prosperieren, aber unsere Franchisepartner:innen nicht. Das Ergebnis ist unser hybrides Ship-from-Store-Modell, das unsere Fachmärkte an unseren Onlineshop anbindet. Anna Weber: Bei uns hatten die Franchisepartner:innen noch keine eigenen Onlineshops, was die Einführung eines gemeinsamen Online-Modells natürlich erleichtert hat. In dieser Situation haben es alle am besten gefunden, einen gemeinsamen Onlineshop aufzubauen. Das fühlte sich für alle gut an. Wir merkten, dass ein großes Interesse da war, und unseres Wissens nach gab es noch keine vergleichbare Lösung am Markt, also mussten wir sie selbst entwickeln.
Was waren die Herausforderungen?
Anna: Der Unterschied zu anderen Online-Modellen besteht darin, dass wir es hier mit einem Franchisemodell, also mit selbständigen Unternehmen zu tun haben. Lösungen für unser Gesamtsystem können wir daher nur gemeinsam erarbeiten, davon sind wir überzeugt. Aus diesem Grund haben wir das Ship-from-Store Konzept von Beginn an gemeinsam mit unseren Franchisenehmer:innen konzipiert. Gemeinsam haben wir auch Lösungen für den Gebietsschutz entwickelt und Wege gefunden, wie man die neuen Prozesse in die Stores integriert, damit sie dort gut abgebildet werden konnten. Wichtig war auch, dass die Anbindung über bestehende Systeme möglich war, damit für die Franchisepartner keine Zusatzkosten entstanden. Das bedeutete im Umkehrschritt natürlich auch, dass viel technische Integration notwendig war und neue Prozesse etabliert werden mussten. Jan: Ziel bei der Entwicklung war immer, dass die Kund:innen im Onlineshop gar nichts davon merken, dass es sich bei den Fachmärkten um verschiedene Unternehmen handelt und sie gar nicht sehen, dass die Bestellungen von unterschiedlichen Orten kommen. Das Einkaufserlebnis sollte immer einheitlich sein. Man darf auch nicht vergessen, dass die Stores ganz neue Aufgaben übernehmen mussten, bis hin zu der Frage, wie man ein Paket packt und wie man die Artikel sichert, damit sie nicht herumrutschen. Um ein einheitliches Kundenerlebnis zu gewährleisten mussten wir 100 Stores unter einen Hut bringen.
Wie genau funktioniert ihr hybrides Online-Modell?
Jan: Wenn eine Onlinebestellung eingeht, prüft das System automatisiert, welcher Händler alle Produkte vorrätig hat und den ganzen Warenkorb ausliefern kann. Im nächsten Schritt werden die Standorte abgefragt. Der Händler mit dem kürzesten Transportweg kann das Paket versenden – beziehungsweise den Umsatz machen. Das heißt, der Umsatz bleibt beim Händler, und wir bekommen eine Gebühr. Die Retouren wiederum werden zentral geregelt. Das war auch allgemein so gewünscht. So haben wir eine zentrale Stelle, die die Qualitätskontrollen durchführt.
Als Sie 2019 mit dem Ship-from-Store-Modell gestartet sind, war das kurz vor der Pandemie. Wie liefen die ersten Monate?
Anna: Ja, vom Timing her war es eine glückliche Fügung, dass wir unser hybrides Online-Modell schon Ende 2019 komplett ausgerollt hatten. Es zu entwickeln hat zweieinhalb Jahre gedauert, insofern hätten wir es anlässlich der Store-Schließungen, die unser Segment ja anfänglich auch betroffen haben, nicht schnell mal eben aufbauen können. Corona hat den Erfolg des Shops natürlich beschleunigt: Vor Corona lag der Online-Umsatzanteil bei etwa fünf Prozent, derzeit liegen wir bei etwa 16 Prozent. Auch die Anzahl der Artikel ist gestiegen. Corona war ein Digitalisierungs-Booster. Unsere Franchisepartner:innen sind in der Zeit zu wahren Onlineshop-Spezialist:innen geworden.
Was passiert mit der Ware, die nicht wieder zurück in den Verkauf kann?
Anna: Die bieten wir unseren Partner:innen wieder an. Unsere Retourenquote ist im Vergleich zu anderen Branchen relativ niedrig und liegt zwischen zehn und 15 Prozent. Selbst bei Bekleidung. Bei Babykleidung ist es ja so, wenn die Teile noch zu groß sind, dann lässt man sie einfach noch ein paar Wochen liegen bis sie passen. Man schickt sie deshalb nicht zurück.
Deckt der Onlineshop das gesamte Sortiment ab?
Jan: Wir haben heute etwa 25.000 Artikel online und bauen das Sortiment weiter sukzessive aus, allerdings mit dem Fokus auf eine gute Kuratierung. Ein durchschnittlich großer BabyOne Fachmarkt hat etwa 15.000 Artikel im Sortiment.
Wenn der Onlinehandel an Gewicht gewinnt, was bedeutet das für Ihr Sortiment? Gibt es da Verschiebungen?
Anna: Definitiv. Hier sind wir immer noch im Lernprozess. Es gibt Artikel, die online wie geschnitten Brot laufen und stationär nicht. Das richtig auszutarieren ist eine Aufgabe, die wir als Omnichannel-Anbieter natürlich angehen müssen.
Wie gehen Sie mit dem Thema Marktplätze um?
Jan: Die behalten wir natürlich im Blick, aber das ist kein akutes Thema. Anna: Uns ist ganz wichtig, dass wir den direkten Kontakt zu den Kund:innen haben. Was wir da lernen ist wichtiger, als uns auf Marktplätzen zu tummeln.
Das Thema Baby und Kind ist hochemotional und beratungsintensiv. Wie setzen Sie Beratung im Shop um?
Anna: Wir sind seit Corona auf alle Fälle viel besser geworden! Natürlich haben wir in den Lockdown-Phasen viel ausprobiert, bis hin zu Live-Chats und Live-Sessions, wo Mitarbeiter:innen mit Facetime durch den Laden gelaufen sind und Kund:innen beraten haben. Not macht erfinderisch. Vieles davon haben wir beibehalten und weiterentwickelt und machen es jetzt professioneller – auch unsere Live-Shopping Sessions sind inzwischen auch später abrufbar. Unsere Hebammensprechstunde, die wir über Social-Media-Kanäle spielen, ist inzwischen ein fester Bestandteil unserer Kundenansprache geworden und wird von unseren Kund:innen sehr geschätzt. Wir merken auf jeden Fall, dass diese Angebote genutzt werden und wichtig sind.
Wie hat sich Ihr Online-Modell bewährt? Wie viele Pakete verschickt ein Händler heute im Schnitt?
Anna: Seit es den Onlineshop gibt, sind wir definitiv alle im Umsatz gewachsen. Jeder Händler verschickt heute etwa zehn bis fünfzehn Pakete am Tag, montagsmorgens vielleicht mehr, weil sich da vom Wochenende Bestellungen aufgestaut haben. Außerdem ergibt sich aus unserer Methode ein echter Vorteil für unsere Kund:innen – sie können aus über 100 Warenlägern beliefert werden. Das ist optimal. Wir sind mit unserem System wesentlich schneller als mit einem Zentrallager. Jan: Da wir das System selbst entwickelt haben, hatten wir anfangs wenige Orientierungspunkte. Das macht das Projekt aber auch noch wertvoller, da von Anfang an alle Stakeholder am Prozess beteiligt waren und am Ende eine echte Team-Lösung entstanden ist, die von allen im BabyOne Franchise-Verbund getragen wird.
Welche Ziele haben Sie für die nächsten Jahre?
Jan: Wir wollen uns IT-technisch noch besser aufstellen und in unserer Omnichannel-Tätigkeit noch besser und komfortabler für die Kunden werden. Zudem planen wir, noch in diesem Jahr mit unserer Eigenmarke zu starten, über die wir derzeit aber noch nichts sagen können. Ziel ist es, raus aus der Vergleichbarkeit zu kommen.