Sinkende Spitzenmieten für Ladenflächen – Trendwende im Einzelhandel?
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Dass es dem stationären Einzelhandel in den vergangenen Jahren immer schlechter ging, lag nicht nur am Boom des Onlinehandels oder der stets wachsenden Konkurrenz. Vor allem im Modehandel wurden die stets steigenden Mieten für adäquate Ladenflächen in den beliebten Shopping-Regionen deutscher Metropolen zusehends zur Belastung. Während sich Kundenfrequenz, Umsatzvolumen und Gewinn immer mehr reduzierten, stiegen die Mieten für Gewerbeimmobilien seit rund 13 Jahren kontinuierlich.
Die Folge: Immer mehr inhabergeführte Boutiquen, kleine Modegeschäfte und Concept Stores mussten schließen, da sie die horrenden Ausgaben nicht mehr erwirtschaften konnten. Die so freigewordenen Flächen wurden dann meist durch internationale Großkonzerne und deren marken belegt, so dass sich mittlerweile in den Einkaufszentren der Städte ein langweiliger Flagship Store an den anderen reiht. Echtes Modeverständnis, ein sorgfältig kuratiertes Angebot und fachkundigen Service findet man so immer seltener in den Fußgängerzonen der Republik.
Stattdessen haben diverse Fast Fashion Konzepte und Mode-Discounter den Markt erobert und die einst vielfältigen Einkaufsgegenden, in denen vom Gemüsehändler bis zum Wäsche-Shop alles in einem kleinen, vitalen Kosmos zu finden war, zu verödeten Produktabwurf-Wüsten beliebig austauschbarer Marken gemacht.
Modeindustrie macht weiter wie bisher
Neue Zahlen des Immobilienunternehmens JLL könnten jedoch durchaus wieder ein wenig Hoffnung auf eine Trendwende machen. So sind die Spitzenmieten in den Top-Einkaufsstraßen Deutschlands erstmals seit 13 Jahren wieder leicht gesunken. Auf Berlins Konsummeile Tauentzienstraße ging die Spitzenmiete zuletzt von 350 Euro auf 330 Euro um sechs Prozent zurück. In Hannovers Georgstraße sank sie um fünf Prozent von 200 Euro auf 190 Euro.
„Mehr als ein Jahr hatten die Spitzenmieten in fast allen Städten auf einem hohen Niveau stagniert. Das war ein klares Signal dafür, dass der Handel sein Limit erreicht hat und den Mieten nun noch schwerlich den nötigen Umsatz entgegenbringen kann“, so Dirk Wichner, Head of Retail Leasing bei JLL Germany. Dies gelte vor allem für den verunsicherten Textilhandel – bislang der Hauptumsatzbringer im Einzelhandel.
Laut Wichner akzeptieren Händler nur noch in Ausnahmefällen hohe Mieten in prestigeträchtigen Lagen, um mit Flagship-Stores und ihrer Marke prominent präsent zu sein. Die Folge: Im Verlauf des ersten Halbjahres erwarten die Immobilienexperten für die durchschnittliche Spitzenmiete in den zehn größten Städten der Republik einen Rückgang von immerhin einem Prozentpunkt. Im Schnitt aller 185 untersuchten Einzelhandelslagen soll es ein Minus von 1,7 Prozent sein.
Neben den sinkenden Mieten setzen sich zu Jahresbeginn 2017 zwei weitere prägende Trends deutlich spürbar fort: Der Einzelhandel mietet zunehmend kleinere Flächen an und setzt dabei längst nicht mehr so stark auf die Metropolen der Big 10 wie noch vor wenigen Jahren. So wurden im ersten Quartal 2017 insgesamt 126.500 Quadratmeter Fläche bei 244 Abschlüssen vermietet. Im Vergleich zum Vorjahresquartal waren dies vier Prozent mehr Fläche bei zugleich vier Prozent weniger Abschlüssen. Vor fünf Jahren lag die durchschnittliche Anmietungsgröße noch bei 602 Quadratmetern, derzeit sind es nur noch 520.
Allerdings scheint der Trend zur Verkleinerung der Geschäftsräume in der Modebranche noch nicht ganz angekommen zu sein. Laut JLL konzentriert sich der Textilhandel, sonst wichtiger Nachfrager der Größenklasse zwischen 250 und 1.000 Quadratmetern sich aktuell vor allem auf Großflächen mit mehr als 1.000 Quadratmetern Verkaufsfläche. Besonders aktiv seien hier TK Maxx mit drei Anmietungen und der Discounter Primark, der gleich sieben Eröffnungen für das laufende Jahr ankündigte.
Die kleine Trendwende auf dem Immobilienmarkt ist also noch lange nicht das große Umdenken, das dem textilen Einzelhandel so gut tun würde. Im Gegensatz zur Gastronomie, wo wieder verstärkt auf kleine, frische und regional ausgerichtete Restaurants geachtet wird, herrscht in der Modebranche weiterhin das Diktat der Gigantonomie, des Marken-Einerleis und der billigen Massenproduktion.
Die Renaissance des kleinen Modegeschäfts an der Ecke bleibt daher wohl weiterhin ein Traum einiger weniger Nostalgiker.
Foto: Sascha Pauly / pixelio.de