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Social Shopping: Das Geschäft mit Empfehlungen

Von Regina Henkel

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Einzelhandel |INTERVIEW

Der e-Commerce hat eine ganze Reihe neuer Businessmodelle im Handel hervor gebracht. Social Shopping ist eines davon. Die Internetplattform stylefruits erwirtschaftete damit im letzten Jahr 17 Millionen Euro Umsatz – ganz ohne selbst Händler zu sein. Hier erklärt Ingo Heinrich, CEO von stylefruits, wie das Modell funktioniert und wie es sich seit der Gründung 2008 entwickelt hat.

Sie bezeichnen sich als Social Shopping Plattform. Was genau meinen Sie damit?

Da gibt es ja verschiedenste Definitionen. Wir trennen zwischen Social Media Plattformen wie z.B. Facebook und Social Shopping. Social Media ist reine Kommunikation, bei uns kommt noch die Komponente des Shoppings hinzu. Wobei wir selbst kein Händler sind, wir sind eine reine Werbeplattform für Fashionbrands und Retailer. Wir sind 2008 aus dem Gedanken heraus entstanden, dass wir mit unserer Seite Frauen die Möglichkeit geben wollten, sich über Mode auszutauschen, Empfehlungen auszusprechen, Outfits zu kreieren, etwa nach dem Motto: Frauen helfen Frauen. Und diese Looks, die von den Userinnen aus unserem Sortiment auf Stylefruits zusammengestellt werden, kann man kaufen. Wir verdienen damit Geld, dass über unsere Seite Traffic in den Online-Shop des Partners geliefert wird.

Wie groß ist Ihr Einfluss auf das Sortiment von stylefruits, wenn Sie lediglich Werbeplattform sind?

Wir entscheiden, welche Produkte online gehen. Das liegt auch daran, dass wir selbst ein sehr gutes Gefühl dafür haben, welche Produkte beiden Usern ankommen und welche nicht. Mit unserem Business Intelligence-System, dem styletracking, optimieren wir außerdem das Sortiment u.a. im Hinblick auf die im Partner-Shop erfolgten Sales. Unser Fokus ist trendige, preisgünstige Mode mit VK-Preisen bis zu 250 Euro. Wir wollen Produkte anbieten, die sich junge Frauen leisten können, anders als z.B. Premium Magazine, die Mode zeigen, die sich die meisten Leserinnen sicherlich nicht leisten können. Wir wollen aber genauso inspirieren.

Ihr Wissen über die Konsumenten ist sicher auch bei den Brands von Interesse – gibt es da Formen des Austauschs?

Für uns ist eine intensive Zusammenarbeit wichtig, genauso wie eine langfristige Beziehung. Der Kunde kann jederzeit sehen, welche Produkte oder Produktkategorien gut laufen. Neukunden bringen wir zunächst mit einem kleinen Sortiment von etwa 50 bis 100 Produkten auf die Website, um zu testen, wie sie ankommen.

Und welchen Einfluss nehmen Sie auf das, was die Userinnen kreieren?

Eines ist uns ganz wichtig: Die Userinnen entscheiden selbst, was schön ist und was sie kombinieren möchten. Darauf nehmen wir keinen Einfluss. Die Userinnen machen das ganz umsonst, einfach, weil es ihnen Spaß macht. Im Schnitt beschäftigt sich ein User 15 bis 30 Minuten mit der Zusammenstellung eines neuen Outfits. Man sieht, da steckt viel Leidenschaft dahinter.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Wir haben eigentlich zwei Zielgruppen: Zum einen diejenigen, die sich intensiv mit Styling beschäftigen, Outfits kreieren und Empfehlungen aussprechen. Diese Userin ist im Schnitt 25 Jahre alt. Dann gibt es die Nutzerin, die sich von den anderen inspirieren lässt. Diese Gruppe ist im Schnitt etwa 28 Jahre alt. Die Kernzielgruppe liegt zwischen 18 und 34 Jahren, etwa 60 Prozent unserer Userinnen stammen aus dieser Gruppe. Die Gruppe zwischen 35 und 44 Jahre macht etwa 20 Prozent aus.

Wie viel Prozent Ihrer Kundinnen sind aktiv auf Ihrer Website und gestalten neue Outfits oder beraten?

Etwa zehn Prozent.

Sie konzentrieren sich ganz auf Frauen. Warum?

Wir machen tatsächlich 5 Prozent unseres Umsatzes mit dem Verkauf von Männermode. Allerdings werden diese Käufe von Frauen getätigt. Unserer Erfahrung nach interessiert sich die Mehrzahl der Männer nicht in dem Maß für Mode, wie Frauen es tun. Männer sind eher Bedarfskäufer, Frauen hingegen lassen sich inspirieren. Das kann man ganz gut mit dem Angebot an Frauenmodezeitschriften im Gegensatz zu Männermodezeitschriften auf dem Markt vergleichen.

Welche Trends sehen Sie im Bereich e-Commerce aktuell?

Wir sehen einen radikalen Trend hin zu Mobile. 70 Prozent unseres Traffics kommt heute via mobile, wir machen 65 Prozent unseres Umsatzes mobile. Am Ende des Jahres werden es wahrscheinlich 80 Prozent sein. Seit wir im Herbst 2014 unsere App gelauncht haben, kann man auch mobile Outfits bauen. Seitdem ist die Anzahl an Outfits explodiert. Wir haben doppelt so viele Outfits im Monat, wie vor dem Launch der App! Ich dachte immer, die User wollen das lieber am Desktop machen. Stimmt aber nicht. Ich bin davon überzeugt, Apps werden immer stärker und in dem Zuge auch das In-App-Advertising. Die bisherige Kundenansprache über TV oder Print wird in Zukunft ganz massiv über das Smartphone laufen. Auch die Relevanz von Bewegtbild wird mobile immer größer.

Das große Thema im Retail ist die Verzahnung von online und offline. Wie wird sich der Verkauf von Mode Ihrer Meinung nach in Zukunft entwickeln?

Wir kaufen doch generell schon sehr stark online. Bei Mode sind wir heute bei etwa 10 Prozent online-Anteil am Gesamtverkauf – je nachdem welche Zahlen man sich anschaut. Im Vergleich zu Büchern und Tickets stehen wir da noch am Anfang. Ich bin deshalb davon überzeugt, dass wir im Bereich Mode noch weiter wachsen werden. Aber: Natürlich wird es weiterhin offline geben. Ich glaube an die Verzahnung von Online und Offline. Wir werden deshalb auch in den kommenden Monaten mit einem Couponing- Projekt starten.

Wie genau soll das aussehen?

Wir haben aktuell etwa 1,5 Millionen App-Downloads. Über eine GPS Kopplung wirbt die App mit einem Gutschein, sobald ein Geschäft der entsprechenden Marke in der Nähe ist. So schaffen wir mehr Frequenz in den Stores.

Zusätzlich zur Mode haben Sie auch eine Rubrik für Möbel. Wie laufen Möbel auf der Social Shopping Plattform?

Der Möbelbereich ist bezüglich e-Commerce der Mode etwa vier bis fünf Jahre hinterher, aber wir sehen, er wächst langsam. Wir stellen auch fest, dass es viele Überschneidungen in der Zielgruppe gibt. Auch Möbel werden stark von Frauen gekauft oder ausgesucht. Accessoires funktionieren schon sehr gut, aber bei Großmöbeln kauft man ganz anders. Bei Großmöbeln wird vielmehr vorab online recherchiert. Niemand bestellt sich drei Sofas zur Auswahl nach Hause. Gerade dort ist die Verzahnung von online und offline ganz wichtig und vielversprechend. Daran arbeiten die Möbelhersteller gerade.

Sie sind inzwischen in unterschiedlichen Ländern online. Welche Unterschiede haben Sie da festgestellt?

Wir haben vor etwa drei Jahren Stylefruits auch auf UK, Frankreich, Polen und die Niederlande ausgeweitet. Frankreich und die Niederlande ticken ganz ähnlich wie Deutschland. UK dagegen ist anders. Dort muss Mainstream-Mode immer günstig sein, dafür ist sie vielleicht ausgeflippter.

Haben Sie noch andere Märkte im Auge?

Spanien, Italien und Skandinavien sind noch interessant. Sicher werden wir noch weiter expandieren, im Moment hat aber der Ausbau zur Mobile Company Priorität.

Haben Sie keine Sorge, dass die Brands Ihr Geschäftsmodell auf ihre eigene Website übertragen?

Nein. Diejenigen, die es bisher versucht haben, haben es nicht geschafft. Ich vergleiche das gerne mit einem Reiseportal. Die Frage ist, wem glaubt man? Demjenigen, der die Reise anbietet oder den Usern, die die Reise bewerten? Wir verkaufen nichts, wir bieten eine neutrale Empfehlungsplattform.

Stylefruits