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Technologie im Handel: Wo steht die Mode und was ist 2025 wirklich relevant?

Von Weixin Zha

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Einzelhandel
Die Selbst-Scan-Kassen bei Uniqlo in einem Geschäft in Luxemburg. Bild: Uniqlo

Künstliche Intelligenz (KI) dominiert die Gespräche – auch im Retail, aber wo liegen eigentlich derzeit konkrete Anwendungsgebiete im Modehandel abseits der großen Visionen und Verheißungen? Im Interview spricht Ulrich Spaan Technologieexperte am Kölner EHI Retail Institute über den Stand der KI im Modehandel, Hausaufgaben im Omnichannel und welche Investitionen selbst bei begrenztem Budget wichtig sind.

KI

Künstliche Intelligenz stand schon seit einigen Jahren auf der Agenda, aber dominiert jetzt wie kaum ein Thema zuvor im Einzelhandel. Im Gespräch mit Entscheider:innen aus dem Handel sagen 95 Prozent, dass Künstliche Intelligenz die Branche in den kommenden Jahren transformieren wird, so Spaan während einer Präsentation in Rotterdam im Vorfeld der Retail-Technologie-Messe Eurocis. „Es ist nicht überraschend, aber es ist tatsächlich so.”

Dabei sei die generative KI, die wirklich neue Entwicklung, die in den vergangenen zwei Jahren mit der “Geburt von Chat GPT” an Fahrt gewonnen hat. Davon zu unterscheiden sei die “eher klassische” Künstliche Intelligenz, die seit einigen Jahren im Bereich der Datenanalyse und Absatzprognosen in der Modebranche bereits eingesetzt wird.

„Das ist in vielen Organisationen schon ausgereift”, sagt Spaan. Viele Unternehmen, auch in der Modebranche, seien “recht gut” darin, Daten zu analysieren und zu schauen, wie sie sich auf Abverkäufe und Umsätze auswirken. Diese Analysen werden auch zur Gestaltung von Sortimenten und Kollektionen eingesetzt.

Eigene KI-Lösungen

Die generative KI helfe dem Handel immens, Prozesse zu optimieren und zu vereinfachen, die bisher viel Zeit in Anspruch genommen haben, sagte Spaan. Das ermögliche es Mitarbeitenden, sich auf die wichtigen Aufgaben zu konzentrieren. „Das ist etwas, was noch sehr am Anfang ist, aber wo alle schon angefangen haben”, sagt Spaan.

Der Handel entwickele bereits eigene Lösungen und nutze nicht nur Chat-GPT. Für diese eigenen Anwendungen müssen aber zuerst intern Daten organisiert werden, die dann von der KI “komprimiert und schlüssig” zu den Anwender:innen gebracht werde, erklärt Spaan. Ein derzeit sehr konkreter Anwendungsbereich sei die Zusammenfassung von Informationen wie Manuals und Dokumenten für Store-Mitarbeitende in einer zugänglichen Form.

In einem Unternehmen gebe es laut Spaan unheimlich viele Informationen, zu denen Angestellte mithilfe von KI effizienter Zugang bekommen – sie können sie schneller lesen und auch mehr Informationen bekommen. Beispiele reichen von der Bedienung des Kassensystems bis zur Bestandsauffüllung. Anstatt eines Anrufs bei Kolleg:innen, können sie beispielsweise interne Chatbots befragen, die mit den relevanten Dokumenten gefüttert wurden. In Kombination mit Chatbots sieht Spaan für diesen Anwendungsbereich ein “hohes Potenzial”, daran arbeiten auch bereits viele Unternehmen.

„Manche sind noch relativ am Anfang und haben das noch nicht so organisiert und nutzen nur Chat-GPT, das sie nur integriert haben”, so Spaan. „Andere haben für sich selbst schon Dinge entwickelt. Da sehen wir viel Bewegung im Markt.”

„Bis jetzt sprechen wir über interne Prozesse, die nächste Frage ist, wie das gegenüber End-Kund:innen eingesetzt werden kann”, sagt Spaan. Die KI kann via Chatbots Kund:innen bei Fragen weiterhelfen und auch bei der Personalisierung von Angeboten. Das Thema Bildgenerierung ist in der praktischen Umsetzung noch nicht so weit, aber eines der wichtigsten Zukunftsfelder im Marketing – wie zum Beispiel bei der Erstellung von Bildern für den Onlineshop, für Werbung und für den Point of Sale (POS). „Da ist man noch am Anfang, aber es kann auch recht schnell gehen”, erwartet Spaan.

Point of Sale

In den kommenden zehn Jahren wird der Anteil gedruckter Kassenbons “beträchtlich” sinken, prognostiziert Spaan. Die Zahlung mit Bargeld wird selbst in Deutschland zukünftig weiter abnehmen.

Beim Bezahlvorgang findet weiterhin eine Verschiebung von den Store-Mitarbeiter:innen zur Kundschaft statt. Technologien wie Selbstbedienungskassen und Self-Scanning gibt es schon seit Jahren im Markt. In den vergangenen drei bis vier Jahren sind auch autonome Stores ohne Mitarbeitende beliebter im Einzelhandel geworden. Zwei Gründe sprechen für diese Entwicklung, sagt Spaan. Zum einen wird der Bezahlvorgang damit effizienter und komfortabler, zum einen hilft die Technologie auch angesichts des Mangels an Fachkräften, der in Zukunft noch zunehmen wird. Das ist auch der Grund, warum der Handel heute bereits viel austestet.

Diese kassenlosen To-go-Stores seien aber weniger interessant für den Modehandel, weil der Convenience-Aspekt da nicht so eine große Rolle spiele, sagt Spaan.

RFID

Dagegen spielt der Aspekt Effizienz aber eine wichtige Rolle. Hier kann die sogenannte RFID (Radio Frequency Identification) Technologie helfen. Sie dient hilft dabei, dass Artikel nicht mehr einzeln und manuell eingescannt müssen. Mit RFID-Etiketten versehene Artikel können wesentlich schneller an Selbstbedienungskassen gescannt werden.

Im Sportbereich habe der Händler Decathlon laut Spaan beispielsweise schon seit langem alle Artikel mit einem RFID-Tag versehen. Kund:innen müssen ihren Einkauf nur noch in eine Box legen, diese werden sofort erfasst und so der Check-out-Prozess “extrem vereinfacht”, so Spaan. „Das wird sich im Modehandel an vielen Stellen durchsetzen. Das ist noch nicht überall gut umgesetzt.” Am besten funktioniere es, wenn es über RFID laufe und auch die Warensicherung Teil davon ist. Sobald Kund:innen selbst die Warensicherung entfernen müssen, werde es umständlich.

RFID-Tags können die Effizienz erhöhen und den Bedarf an Personal, das knapper wird, verringern. Aber ihr Nachteil ist, dass sie zumeist von vertikalen Modeunternehmen genutzt werden, die ihre gesamte Wertschöpfungskette steuern. Für Multibrand-Stores ist der Einsatz von RFID weitaus komplizierter, weil diese viele Lieferant:innen haben.

Mehr über RFDI im Modehandel:

Omnichannel

Das Thema Omnichannel haben die meisten Modeunternehmen schon grundsätzlich umgesetzt. Click & Collect, Reservierungen von Artikeln im Store oder das Einsehen von Filialbeständen sind bei den meisten schon möglich. Optimierungsbedarf bestehe aber noch für den Fall, wenn ein von Kund:innen gewünschtes Produkt nicht im Store liegt. Unternehmen müssen daran arbeiten, noch im Store Informationen über die Produktverfügbarkeit bereitzustellen oder Optionen wie eine Bestellung aus dem Store anzubieten.

„Der Schritt hin zu einer komplett einheitlichen Datenbasis, zur wirklich kanalunabhängigen Betrachtung der Kund:innen – bis dahin ist noch ein gewisser Weg”, sagt Spaan. Wenn die Systeme nicht ausreichend integriert seien, sei es beispielsweise oft nicht möglich, dass Store-Mitarbeitende auf einen Blick die Einkaufshistorie von Kund:innen online einsehen und darauf basierend agieren können. Diese Informationen über die Präferenzen der Kundschaft können zu weitere Umsätzen führen und die Zufriedenheit erhöhen.

Bei dem Einsatz von Technologie, um herauszufinden, welche Kund:innen sich im Laden befinden, müssen Händler:innen auch auf die Privatsphäre achten. Daher beschäftigten sich die meisten Unternehmen nicht mit theoretisch machbaren Dinge wie beispielsweise Menschen anhand ihres Handys zu identifizieren, ohne dass die Personen das merken, so Spaan. Sie versuchen, andere Berührungspunkte zu finden, um möglichst früh mit der Einwilligung der Kund:innen zu erkennen, wann sie im Store sind. Unternehmen können Anreize dafür schaffen, dass sich Menschen beispielsweise selbst im Store über eine App identifizieren und dann Vorteile bekommen. In einer beratungsintensiven Branche können Mitarbeitende auch fragen, ob eine Person Mitglied im Treueprogramm ist und durch das Scannen von Karten oder Apps Informationen einsehen.

Investitionen

Die meisten Unternehmen schauen derzeit in vielen Bereichen auf die Kosten, so Spaan. Aber es sei riskant, ausgerechnet beim Einsatz von Technologie zu sparen. Trotz schwieriger Marktlage wollen von dem EHI befragte Unternehmen wichtige Investitionen im Technologiebereich tätigen. „Wir sehen da noch eine sehr hohe Investitionsbereitschaft und nach wie vor steigende Budgets”, sagt Spaan. Dabei ist das Ausfiltern und die Priorisierung von Projekten wichtig und gewinne mehr an Bedeutung.

„Manche sagen: Wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, weil man so viel machen könnte”, sagt Spaan. Welche Themen dürfen jetzt auf keinen Fall selbst für Unternehmen mit knappen finanziellen Mitteln vernachlässigt werden und welche sind eher für Organisationen mit tiefen Taschen?

„Mit dem Thema KI muss man sich beschäftigen, aber es ist auch kein Selbstzweck. Ich muss mich damit beschäftigen, wo es überhaupt Nutzen bringt”, so Spaan. Themen wie KI im Store mit Kameras oder smarte Regale seien hingegen weniger drängend.

“Auch beim Thema Omnichannel sollte man nicht aufhören, zu optimieren und zu verbessern”, sagt Spaan. „Wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein, was die eigene Zielgruppe, was die eigenen Kund:innen wollen und erwarten.

Zusammenfassung
  • KI optimiert Prozesse im Modehandel, von Datenanalyse bis zur Unterstützung der Mitarbeiter:innen durch Chatbots.
  • Technologien wie Selbstbedienungskassen und RFID erhöhen Effizienz und reduzieren Personalbedarf, die Omnichannel-Optimierung bleibt wichtig.
  • Trotz Kostendruck sollten Investitionen in Technologie, insbesondere KI und Omnichannel-Verbesserungen, priorisiert werden.
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ulrich spaan