Zeitenwende im Einzelhandel: Gastronomie verdrängt Bekleidung von Platz eins
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Bislang wurde der urbane Einzelhandel verlässlich und mit großem Abstand von Mode- und Textilhändlern bestimmt. So reihte sich in den Fußgängerzonen der Republik stets ein Bekleidungsgeschäft ans andere, nur ab und an durchsetzt von einem Imbiss oder einem Restaurant. Doch die Einzelhandelsstruktur deutscher Städte und Gemeinden ist derzeit im Umbruch – vielleicht sogar im größten ihrer Geschichte.
Seit geraumer Zeit reduziert sich nämlich die Zahl stationärer Modehändler drastisch, und das Verhältnis in der örtlichen Präsenz verschiebt sich immer mehr in Richtung Gastronomie. Und diese Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende. Fast täglich schließen Modegeschäfte in den einst so beliebten Shoppingregionen, meist ersetzt durch Restaurantketten oder Imbissbuden.
Nun gibt es erstmals verlässliche Zahlen vom Immobilienmarkt, die diese Entwicklung in ihrem ganzen Ausmaß begreifbar machen. Nach Angaben des auf die Vermietung von Einzelhandelsimmobilien spezialisierten Maklerunternehmen JLL haben die Textilhändler erstmals in der Geschichte ihre Spitzenposition als stärkster Flächenabnehmer im deutschen Einzelhandel verloren.
Auch Drogerieketten und Fitnessstudios im Aufwind
Was von JLL als „Zeitenwende in der Einzelhandelsvermietung“ bezeichnet wird, lässt sich an den neuesten Zahlen festmachen. So stehen beim Modehandel im ersten Quartal 2019 gerade mal 68 Neuanmietungen mit insgesamt 28.000 Quadratmetern Fläche zu Buche, während die Gastronomie im selben Zeitraum auf 80 Abschlüsse mit insgesamt 31.000 Quadratmetern Fläche kommt. Noch vor ein paar Jahren hatte der Textilbereich konstant knapp die Hälfte der neuvermieteten Flächen für sich beansprucht.
„Der Umbruch im Textilhandel ist nicht nur am Anteilsrückgang des Flächenumsatzes zu erkennen, sondern auch an der Verteilung innerhalb des Segments“, weiß Dirk Wichner, Head of Retail Leasing bei JLL Germany. So habe allein die Sparte Young Fashion über die vergangenen fünf Jahre rund die Hälfte ihres Flächenvolumens verloren. „Auf der anderen Seite wachsen Textildiscounter wie Ernsting‘s und TK Maxx mit sechs beziehungsweise drei Neuanmietungen spürbar, können die Schwäche der anderen Segmente aber nicht ausgleichen.“ Gastronomie/Food profitierten hingegen vom Vormarsch der Systemgastronomie, vor allem Systemgastronomie-Anbieter wie L’Osteria und Burgerheart.
Ein weiterer Player, der verstärkt auf dem Markt für Einzelhandelsimmobilien mitmischt, ist die Kosmetikbranche. Der Bereich Beauty/Gesundheit habe sich im Schatten des Zweikampfes zwischen dem neuen Spitzenreiter Gastronomie/Food und den Textilhändlern auf einen Anteil von mittlerweile 17 Prozent herangepirscht, so JLL. Neben den traditionell expansiven Drogerieketten entfalle dabei rund ein Drittel dieser Fläche auf die geräumigen Fitnessstudios, darunter neue Konzepte wie den Indoor-Fahrrad-Betreiber Becycle, heißt es.
Foto: L’Osteria