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Ausstellung "Continue this Thread" bringt Handwerk und Emotion zusammen

Von Caitlyn Terra

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Kultur
Ausstellung ‚Continue this thread‘. Foto: Amsterdam Museum, Jaimy Gail.

Eine Ausstellung über klassisches Handwerk zeigt das Museum in der Eremitage in Amsterdam seit Februar. Nicht die Handarbeitstechniken, sondern die persönlichen Geschichten hinter den hergestellten Werken stehen dabei im Mittelpunkt der neuen Ausstellung mit dem Titel “Continue this Thread”. Sie soll Menschen inspirieren, das Kunsthandwerk wiederzuentdecken und es auch selbst wieder aufzugreifen.

Die Ausstellung wurde am Freitag, dem 17. Februar eröffnet, aber bereits am Donnerstagmorgen, dem 16. Februar, hatte die Presse die Gelegenheit, ‚Continue this Thread‘ zu erkunden. Eines der ersten Dinge, die an der Ausstellung auffielen, war ihre interaktive Gestaltung, die zum Erkunden einlädt. „Die Werke sind absichtlich nicht hinter Glas“, erklärte Kurator Roberto Luis Martins während der Pressebesichtigung. „Das ist natürlich sehr aufregend, denn die Leute dürfen die Stücke zwar nicht anfassen, aber so können sie ihnen so nahe wie möglich kommen.“ An verschiedenen Stellen in der Ausstellung finden sich auch Lupen, mit denen die Besuchende noch weiter heranzoomen können. Außerdem werden sie von Anfang an zum Mitmachen motiviert, da sie Schiebetafeln verschieben müssen, um alle Exponate zu sehen.

Die Stücke können durch das Verschieben verschiedener Tafeln betrachtet werden. Bild: Amsterdam Museum, Jaimy Gail.

”Continue this Thread” beginnt mit den Arbeiten der Designer:innen Tess van Zalinge und Karim Adduchi, die die Ausstellung kuratiert haben. Die beiden Kreativen und der Kurator Roberto Luis Martins lernten sich bei einer anderen Ausstellung des Amsterdam Museums, Maison Amsterdam, kennen. Martins war von der Arbeit der beiden beeindruckt und wollte ihre Arbeit weiter erforschen. Sowohl Van Zalinge als auch Adduchi arbeiten mit handwerklichen Techniken in ihren modischen Kreationen. Van Zalinge lässt sich oft von Patchwork inspirieren und Adduchi ist unter anderem für seine Stickereien bekannt. Das bedeutet aber nicht, dass die gesamte Ausstellung nur mit ihren Arbeiten gefüllt ist. Stattdessen haben sie Stücke von verschiedenen Kreativen ausgewählt, die eine persönliche Geschichte erzählen. Zu sehen sind über hundert Objekte von Designer:innen, Aktivist:innen und auch ‘normalen Bürger:innen‘.

Der erste Raum der Ausstellung ‚Continue this thread‘ mit Werken von Karim Adduchi und Tess van Zalinge. Foto: Amsterdam Museum, Jaimy Gail.

Ausstellung “Continue this Thread” zeigt die Geschichten hinter dem Handwerk

Der Ausgangspunkt für das Konzept wurde im Depot des Amsterdamer Museums gefunden. Van Zalinge und Adduchi fanden eine Mappe mit 97 Kunsthandwerksmustern, deren Schöpfer:in aber (damals) nicht bekannt war. „Für uns Designer:innen ist unser Name unsere Marke“, erklärte Adduchi bei der Vernissage. „Für uns war es also sehr ungewöhnlich, dass wir den Namen der Person nicht kannten, die das Werk hergestellt hat.“ Van Zalinge fügt hinzu: „Warum hat er oder sie das gemacht? Wie alt war sie? Wie lange hat die Person daran gearbeitet?“ Schließlich stellt sich heraus, dass die Mappe mit den Handarbeiten Bregje Vreugdenhil gehörte. Die Handarbeit war eine Schularbeit. „Das hat uns dazu inspiriert, den Gesichtern und Geschichten hinter dem Kunsthandwerk eine Bühne zu geben und nach Geschichten von damals und heute zu suchen.“

Eines der Werke von Bregje Vreugdenhil. Bild: Amsterdam Museum, Jaimy Gail.

Eine weitere dieser persönlichen Geschichten ist die von Nihat Cevahir. Als er in der Türkei aufwuchs, hinderten ihn die Umstände daran, seine Leidenschaft für Mode zum Beruf zu machen. Als er schließlich nach Amsterdam zog, um in einer Werft zu arbeiten, hatte er den Raum, sich wieder mit der Stickerei zu beschäftigen. Folglich zeigt die Ausstellung einen bestickten Gebetsteppich aus Cevahirs Hand, für die er in türkischen Kreisen in Amsterdam inzwischen recht bekannt ist.

Einer der gestickten Aufnäher, eine Leihgabe des Widerstandsmuseums. Foto Amsterdam Museum, Jaimy Gail.

Ein ergreifender Moment auf dem Weg durch “Continue this Thread” sind die Handarbeiten, die als Leihgabe des Widerstandsmuseums zur Verfügung stehen. Auf einem der ausgestellten gestickten Aufnäher, die in Konzentrationslagern hergestellt wurden, ist zu lesen: „Lieber Papa und liebe Mama, es kann nicht immer Winter sein, Schwester.“ Es ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass die Stickerei in den Kriegsjahren auch eine Möglichkeit war, Gefühle auszudrücken. Die gestickten Aufnäher werden von einem Pullover begleitet, auf den die ukrainische Geflüchtete Liudmyla Tyzhuk einen Baum des Lebens gestickt hat. Sie stickte mit hellem Garn auf einem dunklen Hintergrund. „Dies veranschaulicht das Gefühl der hellen Hoffnung, das ich in diesen dunklen Tagen empfinde“, heißt es im Begleittext.

Wem es schwer fällt, die ergreifenden Emotionen abzuschütteln, kann in einer besonderen Klanglandschaft (einem Audio-Werk) von Otion etwas Ruhe finden. Die Klanginstallation mit dem Titel “Frekti Singi” (“Verwobenes Lied” auf Sranantongo) ist wie eine akustische Bettdecke. Die für das Kunsthandwerk so charakteristischen Klänge (die Geräusche von Stoffen, von Stricknadeln, die sich berühren) sind miteinander verwoben und erzeugen einen fast hypnotischen Klang. Die Installation ist also ein Verweis auf die ‘heilenden Kräfte des Handwerks‘. Die Monotonie der Bewegungen hat eine beruhigende Wirkung; Stricken zum Beispiel soll gut für Körper und Geist sein. Nicht umsonst erlebte das Handwerk während der Pandemie einen Aufschwung, als viele Menschen Entspannung und Ruhe suchten.

Die Besuchenden können selbst handarbeiten und werden aufgefordert, ein Blatt zu sticken. Foto: Amsterdam Museum, Jaimy Gail.

Wenn die verschiedenen beeindruckenden Stücke für die Besuchenden noch nicht motivierend genug sind, um selbst zu Nadel und Faden zu greifen, gibt es auch einen Raum, der dem Sticken von Blättern gewidmet ist. Hier werden Gäste ermutigt, ihre eigenen Blätter zu dem interaktiven Kunstwerk hinzuzufügen. „Und während der Frühling draußen alles zum Blühen bringt, geschieht das Gleiche hier drinnen“, scherzt Martins.

Ein weiteres interaktives Element findet sich am Ende der Ausstellung. Der interaktive Anprobespiegel ermöglicht es, über einen großen Bildschirm ein Van Zalinge-Design anzuprobieren, ebenso wie einen Patchwork-Rock, der die Befreiung der Niederlande 1945 feiert. Alles in allem gibt es in “Continue this Thread” eine Menge zu tun und zu entdecken. Es fühlt sich an, wie eine Abenteuerreise durch die Archive verschiedener Museen. Die Ausstellung dürfte einen Nerv treffen, denn schließlich haben oder hatten viele Menschen Familienmitglieder, die sich mit Kunsthandwerk beschäftigen. Man kann sich fast vorstellen, wie die eigene Großmutter mit einer Tasse Tee zufrieden in der Ecke sitzt und bastelt. Kunsthandwerk kann heilsam sein, Geschichten erzählen und den Menschen eine Stimme geben. Es ist daher besonders und schön, dass das Amsterdamer Museum diese Techniken in einem völlig neuen Licht zeigt und buchstäblich auf einem jahrhundertealten Handwerk aufbaut.

Die Ausstellung ist vom 17. Februar bis zum 3. September 2023 im Amsterdam Museum in der Eremitage zu sehen.

Detailaufnahme eines der Werke von Karim Adduchi. Foto: Amsterdam Museum, Jaimy Gail.

Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.nl veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ

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