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Festival FashionClash stellt die Menschlichkeit in der Mode in den Mittelpunkt

Von Nora Veerman

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Kultur|Reportage
Die Kollektionspräsentation von Ruben Jurriën bei FashionClash 2022. Foto: Laura Knipsael | FashionClash

Die internationale Modewelt nimmt sich oft zu ernst. Nur wenige Kreative oder Unternehmen zeigen heute Humor, geschweige denn Selbstironie. Selbst Marken, die es noch manchmal wagen, sich über die Mode lustig zu machen – wie Moschino mit seinen satirischen Anspielungen auf die Konsumkultur – tun dies in Form von groß angelegten Laufstegshows mit hochkarätigen Gästen und seriös wirkenden Topmodels. Das Publikum schaut aus dem Dunkeln zu und kann in der Regel nach einer kontrollierten Verbeugung der verantwortlichen Kreativen wieder nach Hause gehen.

Bei FashionClash, dem Maastrichter Modefestival, dessen 14. Ausgabe am vergangenen Wochenende stattfand, können Modebegeisterte eine Verschnaufpause von der Seriosität der Mode einlegen. Dort geht es nicht nur buchstäblich, sondern auch im übertragenen Sinne menschlich zu. Mit Ausstellungen, alternativen Shows, Performances, Theater und Diskussionen wird das Publikum eingeladen, an der Mode teilzunehmen, die Disziplin zu hinterfragen und manchmal auch darüber zu lachen.

Teamgeist

In der Vergangenheit hatte das Festival manchmal ein Thema, wie zum Beispiel ‚Gender‘ oder ‚Heritage‘. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, zumindest nicht explizit. Die Kampagne, die die Organisation im Vorfeld des Festivals lancierte, schlägt eine klaren Ton an. Die Kampagnenfotos porträtierten die Menschen, die hinter den Kulissen von FashionClash arbeiten: Fotograf:innen, Models, Freiwillige, Praktikant:innen. Sie wurden in Sportuniformen vor der Kulisse einer pastellfarbenen Umkleidekabine fotografiert. „Für uns geht es um die Menschen, um den Teamgeist“, sagt Branko Popovic, Mitbegründer von FashionClash, in einem Interview kurz nach der Eröffnung. „Wir wollen Mode erlebbar und menschlich machen.“

Der menschliche Aspekt ist für diese Ausgabe des FashionClash besonders wichtig, denn es ist die erste physische Veranstaltung seit drei Jahren. Die Ausgaben 2020 und 2021 fanden online statt. Letztes Jahr war das Festival bereits vorbereitet, als auf einer Pressekonferenz klar wurde, dass es physisch nicht stattfinden kann. Enttäuschend für Mitarbeitende und Publikum gleichermaßen, aber vielleicht auch der Moment, in dem das Engagement aller Beteiligten für das Festival am deutlichsten wurde. Schließlich weiß man manchmal erst, was man hat, wenn es ausfällt.

Dass das Team von FashionClash in diesem Jahr besonders im Rampenlicht steht, liegt auch daran, dass es große Veränderungen geben wird. Der Grund dafür ist, dass Nawie Kuiper und Laurens Hamacher, die das Festival seit seiner ersten Ausgabe im Jahr 2009 gemeinsam mit Popovic geleitet haben, zurücktreten werden. Die beiden werden „andere Träume verfolgen“, sagten sie am Eröffnungsabend des Festivals, der auch ihren Abschied markiert.

Für Kuiper und Hamacher war ihr Abschied ein Grund, andere ins Rampenlicht zu stellen. „Wir bekommen sehr oft die Anerkennung, aber alle Freiwilligen leisten so viel. Mit diesem Festival wollen wir all jenen Tribut zollen, die mit am Steuer sitzen“, so Kuiper. Und Hamacher fügte hinzu: „Ein ehemaliger Praktikant, der jedes Jahr aus Berlin kommt, um uns als Freiwilliger zu helfen, Eltern, die hinter den Kulissen Brötchen schmieren. Wir haben im Laufe der Jahre alle gemeinsam etwas aufgebaut, und jetzt kommt es wieder zusammen.“

Shows, aber keine Modeschauen: Open Mic Night und Clash House

Seit dem Start von FashionClash haben sich einige Dinge geändert. Vor allem die Form der traditionellen Laufstegshow wird zunehmend aufgegeben. Alternative Veranstaltungen sind die Open Mic Night am Freitagabend und das Clash House am Samstagabend. Während der Open Mic Night präsentieren junge Modetalente ihre Visionen in einem Format, das an einen Comedy-Abend erinnert. Sechs Designschaffende, die vor kurzem ihren Abschluss in den Niederlanden gemacht haben, zeigen ihre Arbeiten in Form von eher spielerischen Shows oder freien Performances.

So zum Beispiel Lauren Thoonen, die im Sommer diesen Jahres den Kunstbende-Preis in Amsterdam gewonnen hat. Ihre Kollektion mit dem Titel ‚Playing Outside‘ erinnert an ihre eigene Kindheit. Die Models laufen in den farbenfrohen Oberteilen, Röcken und Hosen von Thoonen über die Bühne. Sie spielen Fangen miteinander, manchmal tippt einer von ihnen jemandem in der ersten Reihe auf die Schulter - der dann übrigens nicht mitmacht, sondern perplex bleibt. Vor der Präsentation von Floor Klaassen wird ein Trampolin aufgestellt und eine Grasmatte ausgerollt, auf der ihre Models - darunter ihr eigener Großvater - Fußball spielen.

Ruben Jurriën, der im September den Lichting-Preis gewann, lässt während seiner Show ein großes Plüschtier durch das Publikum laufen: Toetie, das Kuscheltier und die Muse seiner Kindheit. Der Abend wird mit Humor und Bravour von der engagierten Performerin und Sängerin Ariah Lester aufgelockert, die zwischendurch die Kreative interviewt und auch selbst zwei Auftritte hat.

Die Präsentation von Floor Klaassen während der Open Mic Night. Foto: Laura Knipsael | FashionClash

Neben der Spontaneität der Präsentationen ist es bemerkenswert, wie viele der – selbst noch jungen – Kreativen sich in ihrer Arbeit auf ihre Jugend beziehen, nicht selten mit einer gehörigen Portion Nostalgie. Eines von Klaassens Models trägt sogar ein großes Schild mit der Aufschrift ‚Don't grow up‘. In der Welt der Erwachsenen ist das Spiel noch lange nicht vorbei, so scheint ihr Fazit zu sein.

Die Atmosphäre bei Clash House, am Samstagabend, ist etwas weniger verspielt. Die Teilnehmenden des Abends kommen aus ganz Europa und haben in den letzten Monaten mit Unterstützung professioneller Theaterschaffender an Präsentationen gearbeitet, die irgendwo zwischen Modenschau, Performance und Theater angesiedelt sind. Die israelische Designerin und Akrobatin Maya Kaplan zeigt ihre farbenfrohen Bodysuits und Accessoires, während sie wie eine menschliche Marionette an vier Seilen hängt. Britt Liberg und Joline Kwakkenbos vom niederländischen Elliot Collective setzen ihre Models in steifen Anzügen und Kleidern wie Statuen auf Sockel. Liberg und Kwakkenbos, die selbst als Bildhauerinnen in weißen Kitteln gekleidet sind, nehmen die Kleidungsstücke dann mit großen Scheren in Angriff.

Die Elliot Collective Präsentation im Clash House. Foto: Laura Knipsael | FashionClash

Auffallend an diesem Abend ist, dass die Designer:innen sich entschieden haben, nicht hinter den Kulissen zu bleiben, sondern stattdessen eine Rolle in ihrer eigenen Show zu spielen. In der Aufregung schaffen sie es nicht immer, kohärent auszusehen, um eine zusammenhängende Geschichte über ihre Arbeit zu erzählen – aber wenn irgendetwas die Mode menschlich macht, dann ist es ein jemand, der auf der Bühne vor Nerven und Stolz zittert.

New Fashion Narratives

New Fashion Narratives, so lautet der Übertitel für zwei Modeausstellungen an verschiedenen Orten der Stadt. Die erste findet bei Marres, einem Institut für zeitgenössische Kunst, statt. Eine Kombination aus jungen und etablierten Talenten mit einer Verbindung zu den Niederlanden stellt dort aus. Bobbine Berden zeigt ihre künstlichen Pflanzen, deren Blätter aus getragener Kleidung bestehen. In einem Raum hinten links wird mit Pappmaché gebastelt und Samen in Textilien gesät, ein Projekt des Bildungsprogramms Extended, an dem die Gäste teilnehmen können.

Bobbine Berdens Pflanzen. Foto: Laura Knipsael | FashionClash

Die zweite New Fashion Narratives Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Bureau Europa organisiert, einer Plattform für Architektur und Design mit eigenem Ausstellungsraum im Sphinx-Viertel. Zu sehen sind hier die Arbeiten internationaler Designschaffenden, die von FashionClash in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Glamcult ausgewählt wurden und die mit ihren Arbeiten die Grenzen ihres Fachs überschreiten und soziale Fragen aufwerfen. Das Publikum wird von den Entwürfen von Our Shift begrüßt, einem Kreativduo aus Kopenhagen, das auf die groß angelegte Verbrennung von getragener und manchmal auch ungetragener Kleidung aufmerksam macht. Das Künstlerkollektiv BCHMNN führte eine Modekollektion als Klanginstallation auf, die in einem anderen Raum zu hören ist.

Die Präsentation im Bureau Europa wirkt nicht sehr zugänglich, und das hat auch mit dem Kontext zu tun. Die hohen weißen Wände des Bureau Europa geben dem Ort das Flair eines Museums: ein aufregender Ausstellungsort für junge Kreative dank des Status, der damit verbunden ist. Aber für Gäste kann es sich ein wenig distanziert anfühlen. Zum Glück bietet das Festival auch gute Gegenbeispiele, wie die – wenn auch etwas versteckte – Ausstellung in der Pizzeria Da Nonna, anderswo in der Stadt. In der Speisekammer im ersten Stock hängen Entwürfe des Modekollektivs Dominik über Kühltruhen, Personalschränken und Schränken mit Pizzazutaten. Hinten gibt es einen Pop-up-Shop von Dominik, in dem die Gäste die kreativen Modecollagen aus recycelten Materialien anprobieren und kaufen können.

Film, Theater und Partizipation

Neben den Performances und Ausstellungen zeigte FashionClash auch Modefilme. Am Freitagabend wurden dem Publikum die fünf Filme gezeigt, die für den Fashion Film & Video Award des Prins Bernhard Cultuurfonds Limburg und den Kaltblut Magazine Award - Fashion Film and Video ausgewählt wurden. Der erste Preis ging an den Designer Erik Bergrin und den Filmemacher Arkan Zakharov, die den Betrachter:innen in dem Film ‚The 8 Dissolutions‘ in ein Universum aus taktilen Materialien, rituellen Gesten und rhythmischem Tanz ziehen. Der Kaltblut-Preis ging an Hanneke Klaver und Tosca Schift vom Kollektiv Ant Eye Land. In dem Film ‚Sockenmonster‘ entfalten sie ein komisches und fantasievolles Szenario, mit dem sie zu erklären versuchen, wie es möglich ist, dass in jedem Haushalt Socken in der Waschmaschine zu verschwinden scheinen.

Still aus 'Sockenmonster' von Ant Eye Land. Foto: Laura Knipsael | FashionClash

Außerdem gibt es die Filmreihe ‚Moving Portraits‘, Teil von Fashion Makes Sense, dem fortlaufenden Beteiligungsprogramm von FashionClash. Für diese Serie ermöglichte FashionClash die Zusammenarbeit zwischen Modeschaffenden und Filmemachern. Daraus resultierten eine Reihe von Filmporträts, in denen die Kreativen ein Alter Ego von sich selbst porträtieren. Ein weiterer Teil von Fashion Makes Sense ist ‚Who Cares What You Wear‘, eine Theateraufführung für junge Leute über Mode und Nachhaltigkeit. Die Theatermacherin Mayke Roels und die Schauspielerinnen Ilse Geilen und Lindsay Zwaan haben dafür das beliebte, aber auch kritisierte Unboxing-Video als Ausgangspunkt genommen. Das Ergebnis: eine Performance voller hysterischer Schreie und fliegender Shein-Shirts, aber auch ernste Gespräche mit dem (manchmal sehr jungen) Publikum über Rana Plaza und Nachhaltigkeitslabels.

Die vierzehnte Ausgabe von FashionClash ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Organisation versucht, das Publikum aktiv in das Festival einzubeziehen. Dabei werden die Menschen nicht immer sofort in eine Diskussion hineingezogen oder auf eine Bühne gedrängt, schließlich ist das nicht jedermanns Sache. Indem eine Bühne für junge und kritische Talente geschaffen wird und Einblicke hinter die Kulissen gewährt werden – sei es in die Kulissen der Modeindustrie oder in das Festival selbst – wird deutlich gemacht, dass Mode nicht immer spektakulär und unantastbar ist, sondern auch sozial, körperlich und nah.

Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.nl veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ

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