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Türkische Künstlerin Deniz Sağdıç macht Kunstwerke aus Textilabfällen

Von Simone Preuss

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Kultur

Deniz Sağdıçs jüngste Ausstellung im Flughafen Istanbul. Bild: FashionUnited

Die türkische bildende Künstlerin Deniz Sağdıç fertigt unter anderem aus Textilabfällen beeindruckende Porträts an. Aus der Ferne sehen sie wie Gemälde aus, die in kräftigen Strichen und Farben ausgeführt sind. Bei näherem Hinsehen stellen die Betrachter:innen erstaunt fest, dass jedes Porträt aus Tausenden von kleinen Objekten besteht, Abfallprodukten wie ausrangierten Reißverschlüssen, Knöpfen, alten Museumstickets, Computerteilchen oder Plastiktüten.

Detailansicht von Deniz Sağdıçs Porträt aus alten Reißverschlüssen. Bild: FashionUnited

Kunst wie diese braucht einen großen Ausstellungsraum, der Betrachter:innen die Möglichkeit gibt, sich in aller Ruhe mit jedem Werk zu beschäftigen, sich ihm zu nähern und es dann aus der Ferne zu betrachten. Welcher Ort wäre besser geeignet als ein Flughafen, um diese Anforderungen zu erfüllen und Sağdıçs Kunst so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen? Sie stolpern über ihre Werke - oft im wahrsten Sinne des Wortes - auf dem Weg zu ihrem Flugsteig, ähnlich wie die verwendeten Materialien - ein unvermeidlicher Teil des Lebens, der in eine upcycelte Existenz übergeht.

Sağdıç ist bekannt für die Verwendung von Abfallmaterialien für ihre Kunstwerke und die Flughafenausstellung “0” Zero Point ist Teil ihres aktuellen Projekts Ready-ReMade. Insgesamt gibt es 31 Kunstwerke zu sehen, die sowohl unbekannte als auch bekannte Gesichter zeigen, wie etwa Naturforscher David Attenborough oder den Schauspieler John Malkovich.

John Malkovich-Porträt von Deniz Sağdıç im Flughafen Istanbul. Bild: FashionUnited

Sağdıç bezog die Materialien aus der Abfallsammelstelle des Flughafens und macht damit auf die Tatsache aufmerksam, wie viel Abfall ein Flughafen, insbesondere ein riesiger wie der Istanbuler, täglich produziert. Mit 130.000 Mitarbeiter:innen, die im Jahr 2021 mehr als 37 Millionen Passagiere abfertigten, ist er der verkehrsreichste Flughafen Europas und der 13. verkehrsreichste der Welt.

Ziel ist es, „neue intellektuelle Bereiche zu schaffen, um die neuen Bedeutungen solcher Objekte zu hinterfragen, indem wir einige Objekte zusammenbringen, die zu Abfall geworden sind, weil sie ihre Funktion verloren haben“, so Sağdıç in ihrem Künstlerinnenprofil.

Detail des John Malkovich-Porträts von Deniz Sagdic. Bild: FashionUnited

Die Herangehensweise bei der Wahl der einzelnen Abfallmaterialien ist nicht einfach, wie die Künstlerin verrät: Sie beobachtet und experimentiert mit jedem Material tagelang, bevor sie genau weiß, wie sie es verwenden soll. „Durch diesen Prozess versuche ich, das Material kennenzulernen; es beginnt, mir ins Ohr zu flüstern, was ich damit machen kann. Dann beginnt unsere Zusammenarbeit mit dem Material, ich erwecke es zum Leben, aber diesmal in Form eines Kunstwerks“, erklärt Sağdıç im Gespräch mit dem Magazin Stir. Auf diese Weise stellt sie auch die Vorstellung davon in Frage, was als Kunst gilt.

Ihre Verwendung von Textilabfällen wie Reißverschlüssen, Knöpfen und ausrangierten Stoffen ist angesichts der Rolle und Abhängigkeit der Türkei von der Bekleidungs- und Textilindustrie besonders treffend. Sağdıç möchte ihre Kunst zu den Menschen bringen, statt sie nur von einigen wenigen in einer Galerie oder einem Museum sehen zu lassen, und stellte 2019 unter anderem auch auf der New Yorker Messe Premiere Vision aus.

Früheres Werk von Deniz Sağdıç. Bild: YKK

Sie hat auch mit Denim experimentiert, einem Material, das sie als „Kommunikationsplattform“ bezeichnet und das sie dafür schätzt, dass es auf der ganzen Welt bekannt ist: „Wenn man keine Textilfachkraft ist, kennt man die Stoffarten vielleicht nicht, aber alle, die Denim sehen, erkennen ihn wieder, denn sie haben ihn mindestens einmal im Leben berührt. Denim gehört nicht nur zu einer bestimmten Kultur oder einem Land“, sagte sie im Gespräch mit dem japanischen Hersteller YKK, der ihre Arbeit unterstützt und ausgestellt hat.

Porträt aus alten Reißverschlüssen von Deniz Sagdic. Bild: FashionUnited

„Ich habe das Ready-ReMade-Projekt als Reaktion oder Antwort auf diesen Ansatz begonnen und revidierte ihn, indem ich ‘Abfallmaterialien’ mit klassischen Kunstmethoden wie dem Bemalen von Objekten mit Ölfarbe verwendete, sie als Skulpturen ausstellte oder sie in einer bestimmten Reihenfolge neu anordnete“, fügt Sağdıç hinzu.

Sağdıç machte 2003 ihren Abschluss an der Fakultät für Malerei der Universität Mersin, einer Hafenstadt an der türkischen Mittelmeerküste und ihrer Heimatstadt. Danach zog sie nach Istanbul und wurde bald für ihren einzigartigen Stil mit Formen, die fast flüssig erschienen, bekannt. Sie erhielt ein volles Stipendium an der Doğuş-Universität in Istanbul und schloss ihr Studium 2015 mit einem Master in Bildender Kunst ab.

Detail eines Porträts von Deniz Sağdıç aus alten Plastikbeuteln. Bild: FashionUnited

Deniz Sağdıçs Ausstellung “0” Zero Point im Istanbuler Flughafen ist noch bis Mitte März 2023 für Besucher:innen zugänglich.

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