Frankfurt Fashion Week: Internationalisierung nicht ausgeschlossen
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So ungewohnt es noch klingt: Ab Juli 2021 wird sich die deutsche Modebranche wohl zweimal jährlich in Frankfurt am Main treffen. Mit dem Umzug der Berliner Messen Premium und Seek ist der Messe Frankfurt ein wahrer Fashion-Coup gelungen. Wie der Messe-Gigant nun mithilfe eines weitläufigen, internationalen Netzwerks sein Engagement in der Mode vertieft, darüber sprachen Geschäftsführer Detlef Braun und Vice President Textiles & Textile Technologies Olaf Schmidt. Auch Smart Textiles auf Frankfurter Laufstegen, und eine zukünftige Internationalisierung der Zusammenarbeit mit der Premium Group schlossen die beiden nicht aus.
Die Modebranche reibt sich wohl immer noch die Augen über Ihren Coup, die Premium nach Frankfurt zu bringen. Mit welchem Hauptargument haben Sie Frau Tillmann zum Umzug bewogen?
Detlef Braun: Es waren mehrere Argumente. Ich kenne Frau Tillmann aus meiner Zeit als Geschäftsführer der Joop Gmbh. Die Wege haben sich dann gekreuzt, wir haben uns eigentlich nie aus den Augen verloren.
Anita und ich haben uns im Herbst letzten Jahres zum ersten Mal getroffen. Da ist die Idee gegoren, dass die Fashion Week einen Neuanfang braucht und dass Frankfurt eine Stadt ist, die unverbraucht, überraschend und international ist. Die Messe Frankfurt bringt eine enorme textile Expertise mit, die auch ein wichtiger Punkt für die zukünftige Kooperation Frankfurt Fashion Week 2021 war.
Gab es denn einen Moment, wo Sie beide gedacht haben: Das ist es?
Detlef Braun: Das Ganze hat sich entwickelt von Oktober bis jetzt. Da waren natürlich auch verschiedene Klippen und Hürden zu überwinden. Die Premium Group hat verschiedene Shareholder, ich hatte das Vergnügen erst vor vierzehn Tagen bei ihnen präsentieren zu dürfen, bis sie uns vor acht Tagen das endgültige ‘Ok’ gegeben haben. Dankbar sind wir auch für die Unterstützung unserer Gesellschafter, die sich finanziell für die Frankfurt Fashion Week engagieren. Hier ging es sehr schnell, weil die Verantwortlichen gesehen haben, wie das Thema Mode eine Stadt befruchten kann.
Olaf Schmidt: In diesem Zusammenhang muss man auch klarstellen: Wir als Messe Frankfurt haben der Premium Group kein Geld gezahlt, sie ist bei uns Mieter auf dem Messegelände. Das heißt sie ist auch ein Kunde von uns und natürlich ein integraler Teil der Frankfurt Fashion Week.
Wie wird die künftige Arbeitsteilung zwischen Ihnen, der Messe Frankfurt, und Anita Tillmann von der Premium Group aussehen? Bringt Frau Tillmann die Mode nach Frankfurt und Sie stellen die Messefläche?
Olaf Schmidt: Wir, das heißt die Premium Group und Messe Frankfurt, sind die Initiatoren der Frankfurt Fashion Week mit der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen als Gastgeber. Unsere Zielsetzung ist es, das Produkt und die Marke Frankfurt Fashion Week gemeinsam zu kreieren und unsere jeweilige Expertise einzubringen.
Wir haben eine extrem große textile Kompetenz, und das wird sich in der Ausgestaltung der Themen bei der Fashion Week zeigen. Wir haben die großen Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die Neonyt ist die wichtigste Plattform für nachhaltige Mode in Europa, wenn nicht weltweit. Aber bevor die Mode auf dem Laufsteg ist, brauchen Sie die Vorprodukte, die Stoffe, die Produktionsverfahren, die Digitalisierung. Und da sind wir als Messe Frankfurt mit Texpertise Network, mit allen unseren Produkten, die absolute Nummer Eins. Diese Expertise werden wir natürlich auch in der DNA der Frankfurt Fashion Week verankern. Wir sind weit entfernt davon, ein reiner Flächenvermieter zu sein, sondern sind ein starker Partner in der Mitgestaltung der Marke.
Können Sie veranschaulichen, wie das Knowhow aus Ihren Messen, die die Vorstufen der textilen Lieferketten abdecken, konkret in die Frankfurt Fashion Week einfließen soll?
Olaf Schmidt: Die Techtextil ist die wichtigste Plattform für technische Textilien, beispielsweise mit Textilien für die Automobil- oder Flugzeugindustrie. Jede Menge Produkte im Bereich Performance und Smart Textiles, sehen Sie hier als Vorprodukte. Wir haben Einkäufer aus dem High Fashion Bereich, die sich Materialien anschauen, die dann auch hinterher in den Produkten verarbeitet werden, die Sie hinterher auf den internationalen Laufstegen sehen. Was auf dieser Messe gezeigt wird, sehen Sie eigentlich ein oder ein halbes Jahr später erst auf dem Laufsteg. Unsere Zielsetzung ist nicht, dass während der Fashion Week diese Messen stattfinden, aber wir haben die Möglichkeit hier mehr Content reinzubringen.
Heißt das, wir könnten bald eine Modenschau mit Smart Textiles in Frankfurt sehen?
Olaf Schmidt: Absolut. Genau das ist es, was ich sage. Während der Fashion Week wird Mode gezeigt, die Funktionalität hat eine hohe Bedeutung, aber es geht sehr stark um Ästhetik und Mode. Auf der Techtextil, geht es eher um Produktentwicklung. Diese Kombination – welche Produkte nehme ich, um Mode so zu zeigen, wie ich es möchte – das ist einmalig in Frankfurt. Sonst konzentrieren Sie sich auf ein Segment. Hier haben Sie gesamte Wertschöpfung.
Bisher lag der Schwerpunkt der Messe Frankfurt auf Textil und Lieferkette. Ist der Schritt mit der Premium zu kooperieren auch so zu verstehen, dass Sie nach der Neonyt Ihr Engagement bei Mode vertiefen möchten?
Detlef Braun: Wir decken im Textilbereich mit fast 60 Messen die gesamte Textilkette ab. Wir haben die internationalen Leitmessen in fast jedem Segment, von der Heimtextil, Texprocess bis zur Intertextile. Das, was uns noch gefehlt hat, und was wir begonnen haben im Nachhaltigkeitsbereich aufzubauen mit der Neonyt, ist der Modebereich in unserer gesamten Wertschöpfungskette. Das ist natürlich das Sahnehäubchen und image-mäßig total wichtig, aus diesem Grunde haben wir auch diese Kooperation gegründet. Wenn Sie sehen, wie expansiv Olaf Schmidt mit seinem Textil-Portfolio in Frankfurt und international ist, dann war das nicht das Ende der Fahnenstange.
Die Messe Frankfurt ist ja bestens international vertreten, die Fashionsustain fand nach Berlin als Konferenz bereits in Shanghai statt. Ist es denkbar, die Zusammenarbeit mit der Premium Group auch international auszubauen? Haben Sie schon Pläne?
Detlef Braun: Es gibt kein Messeunternehmen auf der Welt, das ein so extensives Vertriebsnetz wie die Messe Frankfurt hat. Wir sind in 188 Ländern präsent, das ist auch ein weiteres Argument, das die Messe als Kompetenz in die Kooperation einbringt. In diesen 188 Ländern werden auch die Vertriebsorganisationen damit beauftragt, Aussteller und Besucher nach Frankfurt zu bekommen.
Wenn Sie Investoren haben, die an einer Wachstumsstory interessiert sind, kann es durchaus sein, dass diese Stories über Deutschland hinausgehen. Es gibt Überlegungen, die aber momentan sekundär sind. Das Erste, was wir gemeinsam machen wollen, ist die Frankfurt Fashion Week zu etablieren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir das Ganze in Zukunft noch internationalisieren. Die Strukturen hat die Messe Frankfurt auch, und anders als sie bisher am Standort Berlin geboten werden.
Mit der Intertextil in Shenzhen haben Sie im Juli während der Coronavirus-Pandemie bereits eine physische Messe ausgerichtet. Wie sehen Sie die digitale Zukunft der Messen?
Olaf Schmidt: Unabhängig von den momentanen Reisebeschränkungen haben wir uns schon lange mit digitalen Plattformen beschäftigt. Meine Aussage dazu ist immer: Ein digitales Produkt ersetzt keine Messe. Es ist ein ergänzendes Produkt, eine Hybridlösung - zusammen kann das gut funktionieren, aber singulär nicht. Wir brauchen weiterhin eine physische Messe um sich zu treffen, besonders wenn es um Textilien geht. Wir wollen aber Kunden kurzfristig Lösungen bieten, wenn sie nicht zusammenkommen können.
Die ergänzenden Produkte sind also da, man muss aber immer schauen, was will man damit erreichen: Möchte man eine Produktpräsentation oder eine Matchmaking-Plattform oder geht es darum, über Neuigkeiten aus dem Markt zu informieren. Wir gehen mittlerweile über dezentrale Lösungen. Das heißt nicht wir als Messe Frankfurt bieten ein übergreifendes digitales Tool für unsere Textilmessen an, sondern wir schauen uns an, welche Player in den jeweiligen Märkten eine hohe Akzeptanz haben und versuchen dort zu kooperieren, aber nicht ein Produkt neu zu stricken.
Sie haben viele Brands für die Frankfurt Fashion Week angekündigt, von rund 2000 war die Rede. Berlin hatte im Sommer vor der Insolvenz der Panorama rund 1800 Brands, im Januar waren es schon deutlich weniger. Bedeutet Ihre Prognose, dass Sie auch Brands von anderen internationalen Messen anwerben wollen?
Detlef Braun: Wir veranstalten eine Fashion Week in Frankfurt, und eine Premium kommt hierher, weil wir das Thema insgesamt ausbauen wollen.
Olaf Schmidt: Wir erleben aktuell eine Erosion, ja Veränderung in der Handelslandschaft und im Einkäuferverhalten. Unsere Zielsetzung war es nicht etwas zu kopieren, sondern mit der Frankfurt Fashion Week neu zu kreieren - aus DOB, HAKA und arrondierenden Produktgruppen. Das werden wir uns jetzt anschauen. Wir werden diese Kunden ansprechen, und sagen, das ist für euch eine Plattform über die ihr eure Zielgruppen erreicht. Wir wollen aber auch nicht verschweigen, dass es durch den Coronavirus eine nicht unerhebliche Anzahl an Insolvenzen auf der Produzenten- und Händlerseite gab. Wie sich das auf der Messe darstellt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.
Bild: Detlef Braun / Frankfurt Fashion Week