Ispo-Chef Tobias Gröber: „Jedes Unternehmen wird in Zukunft eine Sportstrategie brauchen“
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Am 28. November beginnt in München die Sportartikelmesse Ispo Munich, auf der die Neuheiten für die kommende Saison Herbst/Winter 2024/25 vorgestellt werden. Auch in der Sportbranche ist die Lage angesichts der Konsumzurückhaltung angespannt. Dennoch geben die aktuellen Zahlen der Messe Anlass zu Optimismus. Und der ist auch angebracht, ist Tobias Gröber, Head of Ispo Group und langjähriger Kenner der Branche, überzeugt. Sport ist nicht nur ein riesiger globaler Wirtschaftsmarkt, er hat vor allem eine immer größere gesellschaftliche Relevanz, der sich auch immer mehr Unternehmen bewusst werden. Wir haben mit Tobias Gröber darüber gesprochen, wie sich der Sportmarkt entwickelt, was das für die ISPO bedeutet und mit welchen Highlights er uns auf der ISPO Munich überraschen möchte.
Die Ispo Munich steht vor der Tür – wie ist der aktuelle Buchungsstand? Wie viele Aussteller werden zur Messe kommen?
Es freut uns sehr, dass wir mit einer deutlichen Steigerung zu 2022 die diesjährige Ispo Munich eröffnen. Wir wachsen von 1.500 auf 2.300 Aussteller und auch die Internationalität legt nochmal deutlich zu.
Auf welche neuen oder länger nicht anwesenden Aussteller dürfen wir uns freuen?
Neu dabei sind die Oberalp Gruppe mit den Marken Wild Country & Evolv und LaMunt sowie Bauerfeind und Plein Sport. Zudem konnten die Outdoor- und Bergsportbrand Blackyak aus Südkorea, Leki, Bench, Casco Helme, die L-Fashion Group mit Luhta, Icepeak, Rukka, Dachstein und Torstai wieder als Aussteller gewonnen werden. Und in den neuen, kuratierten Plattformen ISPO520M by Highsnobiety und Zeitgeist beispielsweise die Brands The North Face, Salomon, Faction, Being Hunted, Mammut, Slam Jam, AndWander, Snowpeak und Fila.
Wie sieht es mit Ausstellern aus Asien aus? Haben Sie das Niveau von vor der Pandemie wieder erreichen können?
Wir sehen seit Ende 2022, jetzt wo das Reisen wieder möglich ist, ein deutliches Wachstum – auch aus Asien. Deswegen haben wir statt der zehn Hallen wie im letzten Jahr, dieses Jahr auf elf Hallen erweitert. Alle Hallen sind sehr gut gebucht und unsere Konzeptanpassung mit Maximalgrößen (maximal 200 Quadratmeter pro Brand) und drei statt vier Messetagen und dem neuem Termin Ende November/ Anfang Dezember geht voll auf.
Welche Neuerungen und Highlights wird es auf der Messe geben?
Nach dem gelungenen Kick-off im Vorjahr wird das Future Lab in der Halle B1 nochmals deutlich weiterentwickelt und erweitert – als zentrales Element der Messe finden die Besucher:innen hier sechs Themenbereiche rund um Innovationen und die Transformation der Sportindustrie: in der Brandnew Area präsentieren sich Startups und aufstrebende Marken, die vielleicht in Zukunft die Sportbranche revolutionieren werden. Auch die Preisträger:innen des prestigeträchtigen ISPO Award sind hier zu sehen.
Neu ist die erweiterte Mainstage im Future Lab mit Platz für bis zu 500 Zuschauer:innen, weitere Themenbühnen und der Erweiterung des Konferenzprogramms mit interaktiven und inspirierenden Key Notes sowie Interviews und Workshops mit dem Who-is-who der internationalen Sportbranche.
Im Sports Travel Hub diskutieren wir die Zukunft des nachhaltigen Tourismus und Wintersports, und mit dem GTS (Global Trainer Summit) bieten wir Trainer:innen im internationalen Leistungssport zukünftig eine Möglichkeit zum Austausch.
Als globale Plattform für die Sports Business Community haben wir spannende Partner wie den Yunus Sports Hub, die Laureus Foundation, den Deutsche Nachhaltigkeitspreis und Change Now sowie Medienpartner wie die Sport Illustrated in das Konzept integriert.
Auch die Modewelt wird immer sportlicher. Was könnte Mode-Professionals besonders interessieren?
Modetechnisch hat die diesjährige ISPO Munich gleich zwei Highlights zu bieten: Die Zusammenarbeit mit dem berühmten Fashion Powerhouse Highsnobiety wird auch dieses Jahr weitergeführt. In der kuratierten Area ISPO520M by Highsnobiety, benannt nach der höchsten Stelle Münchens, entsteht hier eine Schnittstelle zwischen Sport, Outdoor, Fashion und Kultur. Gemeinsam mit der Expertise, die Highsnobiety mitbringt, wollen wir die fashion-orientierte GenZ und Cultural Pioneers ansprechen und als neue Zielgruppe für Sportfashionbrands gewinnen. Und auch unsere neue Plattform Zeitgeist bekommt im Future Lab eine eigene Area: Hier kommen die kreativsten Köpfe verschiedener Branchen zusammen, um Sportsfashion zu revolutionieren – ausgestellt werden Produkte und Brands, die das bereits jetzt machen.
Gibt es einen neuen Hype im Sportbusiness, zum Beispiel eine neue Sportart, die gerade viele Menschen begeistert?
Eine neue Sportart, die in Deutschland durchstartet, ist nach wie vor Padel. Das führt zu spannenden Wachstumspotentialen, deswegen erhält die Sportart auch dieses Jahr eine eigene Fläche auf der ISPO.
Das Thema Gesundheit gewinnt spätestens seit der Pandemie permanent an Bedeutung: Jedes Unternehmen, egal ob groß oder klein, Handwerksbetrieb oder global Player, benötigt heute eine Sportstrategie. Der Hintergrund: die Gesellschaft wird immer älter, dadurch explodieren die Gesundheitskosten und das wiederum bedeutet, dass wir länger arbeiten müssen, ergo: länger gesund bleiben müssen. Bewegung und Sport sind das natürlichste Mittel dafür. Deshalb ist auch die WHO bei uns vor Ort und Teil unseres Konferenzprogramms.
Sprechen wir über den Sportmarkt: Wie geht es aktuell der Sportindustrie? Mit welchen Themen beschäftigt sie sich gerade?
Die Situation ist, wie in vielen Konsumgütermärkten, angespannt: die Lager sind aktuell gut gefüllt, aber gleichzeitig halten sich die Konsument:innen zurück, was Ausgaben angeht. Der Grund dafür ist die Unsicherheit wegen des Kriegs und der Konflikte in der Ukraine sowie in Israel, nach wie vor die Inflation und die allgemeine Atmosphäre an Unsicherheiten. Auch der Klimawandel und seine Folgen belasten die Branche, vor allem das Segment Wintersport. Das merkt man vor allem bei der Hardware. Nichtsdestotrotz geht es der Sport- und Outdoorbranche doch recht gut, die letzten Jahre war trotz allem das Wachstum da.
Welche Signale bekommen Sie aus dem Handel?
Die Situation bei der Warenverfügbarkeit hat sich entspannt. Die vollen Lager und die Kaufzurückhaltung bereiten vielen Händlern Sorgen. Und auch die Themen Fachkräftemangel und Nachfolge werden im Moment als Herausforderung angesehen.
Der Handel hat in der Pandemie gelernt, dass es auch ohne Messe geht. Wie mobilisieren Sie die Händler:innen, nach München zu kommen?
Die Pandemie hat vor allem eines gezeigt: physische Treffen sind digital nicht zu ersetzen. Das zeigen seit Ende des Lockdowns nicht nur die Zuwächse der Messen innerhalb der Messe München, sondern auch die vergangenen Veranstaltungen innerhalb der ISPO Group. Die OutDoor by ISPO ist 2022 super gestartet und auch dieses Jahr sind die Besucher:innenzahlen gewachsen, auch die internationalen. Unsere chinesischen Messen haben ebenfalls ein deutliches Besucher:innenwachstum erlebt, und die ISPO Munich 2022 war trotz der Lockdowns in Asien und der generellen Reiseunwilligkeit letztes Jahr auch schon super besucht.
Aber auch wir verändern aktuell unsere Struktur. Dabei bleiben Sportartikel unsere Basis - das ist unsere DNA und unsere Herkunft. Doch wir nehmen aktuell wahr, dass immer mehr Zielgruppen aus dem breiteren Sportmarkt, wie beispielsweise aus dem Bereich Gesundheit und Tech, aber auch aus dem Tourismus, eSports, Infrastruktur, Ausbildung, Verbände und Vereine sowie Investor:innen die ISPO als Plattform für sich entdecken. Und diesen Trend nehmen wir über neue Formate und Angebote auf: das Future Lab und seine Themen sowie die neuen Formate wie Innovation Labs, Masterclasses, Scenario Planning etc. sind Beispiele dafür.
Der Onlinehandel hatte in den letzten Jahren enorme Wachstumsraten und stagniert jetzt erstmals. Gleichzeitig sehen wir, dass viele Konsument:innen eben doch noch gerne stationär einkaufen. Beruhigt Sie das als Messebetreiber?
Viele Unternehmen, die vor oder vor allem während Corona geglaubt haben, dass D2C das einzige wahre ist, stellen jetzt fest, dass die Komplexität nochmal deutlich zugenommen hat und sie Probleme lösen müssen, die vorher der Händler vor Ort übernommen hat.
Die Milchmädchenrechnung, dass D2C auf Dauer billiger ist, geht nicht auf, da mit zunehmender Internationalisierung im Vertrieb beispielsweise Probleme wie Cross-Boarder Returns, SEO und SEA in x-Sprachen und x-Kundendienst gelöst werden müssen. Hier gilt wie so oft: es gibt keinen „entweder oder“ Weg oder die „eine“ Strategie, sondern immer ein „sowohl als auch“. Daher braucht es einen gesunden Multi-/Omnichannel Ansatz inklusive Physical Retail. Davon bin ich überzeugt.
Was bedeutet das für Sie als Messebetreiber? Auch Messen konkurrieren heute mit digitalen Lösungen.
Das gilt auch für Messeplattformen: Nur physisch geht heute nicht mehr. Genauso wenig wie ausschließlich die physische Größe, die „Quadratmeter“ ein Indikator sind. Dieses Jahr beteiligen sich Unternehmen an der ISPO Munich, für die ein Messestand keinen Sinn (mehr) macht und die ein anderes Ziel verfolgen, als die gesamte Kollektion dem Fachhandel zu präsentieren. Die transaktionale Funktion ist vielen Kund:innen zwar immer noch wichtig, aber es gibt eine zunehmende Anzahl an Kund:innen, die ihre Reichweite erhöhen möchten oder die Marke neu positionieren. Dazu benötigt es andere Formate und eine andere Art der Präsentation. Nicht mehr die komplette Kollektion muss ausgestellt werden, sondern Highlights. Mehr Kreativität in der Inszenierung und dem Vor-Ort Erlebnis wird gebraucht, um neue Dimensionen und Zielgruppen zu erreichen. Wir sind davon überzeugt: Unternehmen, die sich nur über ein Produkt definieren, werden es zukünftig schwer haben - denn dann sind sie austauschbar. Konsument:innen wollen Brands mit einer echten Geschichte und einem emotionalen Mehrwert. Und hier ist die Sport- und Outdoorbranche per se im Grunde schon im Vorteil, da es hier so viele authentische und echte Geschichten zu erzählen gibt. Das beweisen allein die diesjährigen Sprecher:innen im Future Lab und ihre Lebensgeschichten.
Sie haben das Thema Gesundheit schon erwähnt und betonen schon lange, dass die Themen Sport und Gesundheit zusammengehören. Wie entwickeln Sie diese Verbindung weiter?
Im Jahr 2022 fand erstmals die Therapie München – eine Kooperation mit der Messe Leipzig – parallel zur Ispo Munich statt. Diese Kooperation werden wir fortführen, alle zwei Jahre findet die Therapie München parallel zur ISPO Munich statt. Die Zielgruppe: Physiotherapeut:innen und Sportmediziner:innen.
Mit dem Gamechanger Sports Hub inszenieren wir das Thema Bewegung & Gesundheit im Kontext von Technology. Von AI/KI Anwendungen über VR-Tools bis hin zu physischen eSports zeigen wir, wie Bewegung und damit Gesundheit durch Technologie gefördert werden kann.
Dieses Jahr findet erstmals die JOMPVention statt: die Joy of Movement Pioneers Convention. Hier entwickeln internationale Verbände, Universitäten und Vereinigungen spielerische Reize zur intrinsischen Bewegungsmotivation in Städten, ländlichen Gebieten, Unternehmen oder Bildungsstätten wie Schulen. Über den Weltverband der Sportartikelindustrie arbeiten wir am MOU (Memorandum of Understanding) der WHO mit. Das alles vor dem Hintergrund der absehbar explodierenden Gesundheitskosten. Die WHO-Schätzungen gehen von einer Steigerung in Höhe von 300 Milliarden US-Dollar Mehrkosten für die Regierungen bis 2030 aus, wenn die Aktivitätsrate nicht bald nach oben geht.
Wir launchen nächstes Jahr ein neues Format mit dem Global Trainer Summit, um disziplinenübergreifend den Top-Ausbilder:innen und Trainer:innen eine Plattform für den Kompetenz- und Erfahrungs-Austausch zu bieten, was auch wieder positive Auswirkungen auf den Breitensport haben wird. Und wir bereiten gerade weitere Partnerschaften und Aktivitäten vor, um die Themen Corporate Fitness & Corporate Health auf unseren Plattformen zu integrieren und zu promoten. Wie gesagt, jedes Unternehmen wird eine Sportstrategie brauchen.
Sie haben vor Jahren damit begonnen, die unterschiedlichsten Veranstaltungen der Messe München stärker miteinander zu vernetzen, weil gerade aus diesen Verbindungen Neues entstehen kann. Sie selbst beschreiben sich auf LinkedIn als Industry Connector. Wie hat sich das Cross Industry Projekt entwickelt?
Der Gedanke, innerhalb einer Branche die wichtigsten Stakeholder zu vernetzen, liegt nahe. Wir als Messe München haben den großen Vorteil, dass uns nicht nur das Messegelände gehört, sondern auch die wichtigsten Branchenmessen. Damit haben wir direkten Zugang zu neuen Technologien und Lösungen, die von Konsumgüter-Kund:innen gesucht werden. Wir bieten mit dem Netzwerk von Now.Partners ganzjährige Innovation-Labs zu den größten Herausforderungen der Branche an, sowie vor Ort auf unseren Messen neue Formate wie Scenario Planning und Mini-Innovation Labs. Immer im Mix mit Brancheninsider:innen, Branchenteilnehmenden und externen Themenexpert:innen. Ziel ist es immer, dass Lösungen, die in einer Branche bereits existieren und in einer anderen Branche gesucht werden, dort aber nicht bekannt sind, schneller in die Anwendung kommen können. Dadurch entsteht ein Mehr-Wert und ein USP.
Neben der Ispo Munich gibt es auch die beiden Ispo Veranstaltungen in China, Ispo Beijing und Ispo Shanghai. Wie haben sich diese Messen entwickelt?
Corona war in vielerlei Hinsicht ein positiver Booster für unsere Veranstaltungen in China: Auch hier möchten die Menschen raus in die Natur, um sich zu bewegen. Wie wichtig Gesundheit ist, hat sich durch die Pandemie in das kollektive Bewusstsein der chinesischen Bevölkerung eingebrannt.
Für mich ist es besonders spannend zu sehen, wie sich die Konsument:innen in den letzten Jahren verändert haben. Deutlich sportiver im Aussehen und der Bekleidung, kreativer im Mix - hier passt inzwischen auch der Begriff „Cultural Pioneers“ mit sichtbaren großen Tattoos und einem guten Stylemix aus Outdoor und Fashion.
Beide Veranstaltungen in Beijing und Shanghai rennen gerade von einem Besucher:innen-Rekord zum nächsten. Dabei sind die internationalen Brands aktuell noch nicht direkt, sondern hauptsächlich über ihre Vertriebspartner:innen vertreten. Und: In der Coronazeit haben die lokalen chinesischen Brands eine starke Entwicklung erfahren. Mit eigenem Design, Innovationen und Qualität. Darüber hinaus gibt es bereits Ideen und Konzepte, weitere Städte in China mit ISPO-Plattformen zu bespielen. Die Nachfrage ist auf jeden Fall da. Nicht nur in China selbst, sondern auch in den angrenzenden Regionen.