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Ispo München 2016: Snowsports schwächelt, Fitness boomt

Von Regina Henkel

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Messen

Die Herausforderungen des Klimawandels gehörten zu den Top-Themen auf der weltweit größten Sportmesse Ispo in München. Über 2600 Marken präsentierten dort Ihre Trends für den nächsten Winter.

Die Fakten sprechen für sich: Vom 24. bis 27. Januar kamen rund 80.000 Fachbesucher aus 120 Ländern auf die Ispo Munich, damit fand die Messe anhaltend hohen Zuspruch wie in den letzten Jahren. Aus Italien, Schweiz und Österreich konnten Besucherzuwächse verzeichnet werden. Ein Plus an Besuchern gab es zudem aus Russland und der Ukraine. Auch die Zahl der Aussteller ist erneut gestiegen: von 2.585 im Vorjahr auf aktuell 2.645 Aussteller. Der hohe Auslandsanteil von 87 Prozent unterstreicht die Internationalität der Messe, die mit ihren 180.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, verteilt auf 16 Messehallen, wieder komplett ausgebucht war. Klaus Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München, betont: „Nach dem schwierigen Vorweihnachtsgeschäft war die Stimmung deutlich besser als erwartet. Die Vielfalt an Innovationen und neuen Produkten, die auf der Ispo Munich gezeigt wurden, hat die Zuversicht der Branche, die aktuellen Herausforderungen durch Klima- und Strukturwandel zu meistern, weiter gestärkt.“ Denn die Situation im Sportmarkt ist durchaus ambivalent. Während die klassischen Wintersportmarken mit dem fehlenden Schnee kämpfen und sich der Outdoormarkt konsolidiert, erfreut sich das Segment Fitness & Health mit steigenden Umsätzen wachsender Beliebtheit.

Mehr Ganzjahreskollektionen

Der Druck wächst auf den Sportfachhandel, denn Schnee gab es auch in diesem Winter nicht genug. Seit Jahren kämpft der klassische Wintersportmarkt mit dem immer unbeständigeren Wetter. Händler, Marken und Verbände suchen stärker denn je nach neuen Möglichkeiten, sich vom Wetter unabhängiger zu machen. Wenn heute die Ispo in München zu Ende geht, war deshalb vor allem ein Trend allgegenwärtig: die Suche nach Multifunktionalität.

Eine Skijacke soll auch für den täglichen Stadtbummel taugen, Skiunterwäsche auch als Homewear oder gar als stylische Legging, wie z.B. bei Peak Performance. Ausgeklügelte, mehrlagige Bekleidungssysteme decken eine Vielzahl von Outdoor-Bedürfnissen ab und lassen sich beliebig variieren. So zeigt Kjus eine Box mit sieben Bekleidungsteilen von der Unterwäsche zur Outerwear, die alle Sportarten und Kältebereiche von -10 bis +10°C abdeckt. Bei den Jacken tauchen immer wieder 3-in-1 Lösungen oder mehr auf, die dem Kunden echten Mehrwert bieten und den Verkaufsberatern in den Geschäften gute Themen.

„Erfinder“ der multifunkionellen Jacke war übrigens Jack Wolfskin, der für den nächsten Winter erstmals eine Heritage Linie herausbringt und dort die erste 5-in-1 Jacket feiert.

Auch Icebreaker, Pionier im Bereich Baselayer aus Merinowolle, versucht sein Geschäft mit mehr modischen Teilen als Ganzjahresprodukt zu positionieren. Peter Ottervanger, Genaral Manager Europe von Icebreaker: „Wir setzen außerdem darauf, das Thema Merino noch stärker als bisher im Frühling zu kommunizieren, da sehen wir derzeit noch viel weiteres Potenzial.“ Urbaner muten auch die Designs und Farben an, so zeigen die Marken neben viel Schwarz auch Farben wie Braun, Grau und insgesamt dunklere Nuancen wie Mountain Force und Toni Sailer. Die klassischen Sportfarben wie Rot, Blau und Grün waren vor allem in ihren gedeckteren, durchaus edleren Variationen zu finden – selbst in den Actionsport-Hallen. Bei den Prints wurden Fadeout-Effekte und grafische Muster gezeigt, ebenso Denim-Prints –die immer echter wirken – und aufwändige Webmuster wie Jacquards. Das Interesse an Optiken und Materialien, die auch im Alltag einsetzbar sind, war allgegenwärtig. Dazu gehört auch, dass Technik zwar zwingend erforderlich ist, aber möglichst unsichtbar bleibt. Natürliche Materialien wie Wolle werden bei den Midlayern gerne verwendet und kommen selbst als Wattierung und technischer Oberstoff zum Einsatz. Marken wie Mover verwenden in ihrer technischen Skibekleidung besonders eng gewebte und wasserabweisende Baumwolle als Oberstoff und Kjus präsentiert in seiner urbanen Linie „Active“ einen Daunenmantel aus Seide.

Das Timing muss verbessert werden

Die verstärkte Suche nach Vielseitigkeit in den Kollektionen ist ein klares Bekenntnis zu den sich ändernden klimatischen Bedingungen. Vielen Marken und Händlern ist bewusst, dass das aktuelle Timing im Handel auf Dauer ruinös ist. Das sieht auch Frank A. Dassler, Chef des Weltverbands der Sportartikelindustrie (WFSGI) so: „Nach meiner persönlichen Meinung könnten Hersteller und Händler das Timing von Produkteinführungen überdenken.“ Die Verschiebung zwischen den Saisons im Geschäft und dem tatsächlichen Wetter draußen beschäftigt viele und die Forderung, dass endlich Ware und Wetter wieder zusammen passen müssten wird immer lauter. Tatsächlich hängt die Ware oft schon mehrere Monate im Geschäft bevor sie zum Wetter passt, das motiviert weder Käufer noch Verkäufer. Viele Marken ergänzen ihre Sportkollektionen deshalb mit mehr Mode, die lediglich sportlich inspiriert und somit als Ganzjahreskollektion verkäuflich ist. Auch gestaffelte Liefertermine, Zwischenkollektionen und stärkere NOS-Programme, wie sie z.B. Brunotti anbietet, werden diskutiert.

Health & Fitness boomen

Derartige Probleme hat der Fitnessmarkt aktuell nicht. Das allgegenwärtige Athleisure Thema bringt neuen Schwung in die Geschäfte und wird von vielen als Zukunftsmarkt bewertet. Während in Deutschland vor allem die großen Player wie Adidas und Nike den Trend bedienen, kommen immer mehr Mitbewerber auf den Markt und profitieren von der Lust der vorwiegend weiblichen Kunden an modischen und technischen Produkten. So hat z.B. die amerikanische Marke Prana ein glänzendes Jahr hinter sich mit viel Potenzial für weiteres Wachstum. Ursprünglich aus dem Klettersport kommend, setzt sie nun auch auf das Yoga-Lifestyle-Thema und präsentiert dafür eine sehr lässige, unkomplizierte und vielseitig einsetzbare Kollektion mit dem Schwerpunkt auf natürliche Materialien. Aber auch die Fashionbrands machen sich den Trend zunutze. So präsentierten wieder Desigual und Only Play auf der Ispo ihre modischen Fitnesskollektionen.

Doch viele halten das erst für den Anfang, die Themen Fitness und Gesundheit werden in Zukunft eine noch größere Rolle spielen. Tobias Gröber, Director der Ispo Group: „Die Sportbranche beginnt gerade erst zu verstehen, dass sie in diesem Bereich neue Produkte anbieten und neue Zielgruppen erschließen kann. Es geht weg vom: Der Berg und ich. Der Berg spricht die Couch Potatoes nicht an. Das ist ein grundlegendes Problem der Sportbranche derzeit: Sie kommuniziert Bilder, die für diejenigen, die zu Hause auf dem Sofa sitzen viel zu extrem sind. Höher, schneller, weiter – Blut, Schweiß und Tränen. Die Anfangshürde, wieder oder überhaupt erst mit dem Sport zu beginnen, ist durch die derzeitige Gestaltung der Werbung viel zu hoch. Wir müssen einen sanfteren Ansatz finden, um einen Menschen vom Sofa herunterzukriegen.“

Nachhaltigkeit bleibt wichtiges Thema

Nachhaltigkeit gehört zu den weiteren wichtigen Themen der Branche. Gerade erst hat Greenpeace seine Detox-Kampagne aktualisiert und damit erneut die Sportbranche aufgerufen, auf die Verwendung toxischer Chemikalien zur Ausrüstung wasserabweisender Oberstoffe zu verzichten. Viele Marken, allen voran Outdoormarken, arbeiten seit mehreren Saisons an Alternativen und versprechen für die nahe Zukunft eine Lösung. Auch recycelte Materialien kommen verstärkt zum Einsatz. Öko-Pionier Patagonia präsentierte auf der Messe das Thema Reuse and Repair und demonstrierte, wie man technische Stoffe reparieren und Produkte zu einem längeren Leben verhelfen kann.

Photos: ispo


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