• Home
  • Nachrichten
  • Messen
  • Ispo München: Weniger Stände, viele Besuchende, nachhaltige Innovationen

Ispo München: Weniger Stände, viele Besuchende, nachhaltige Innovationen

Von Regina Henkel

Wird geladen...

Scroll down to read more
Messen
Ispo Munich 2022. Foto: FashionUnited

Verunsicherung und Zuversicht: Die Stimmung auf der Ispo Munich, die heute nach drei Tagen zu Ende geht, ist wechselhaft aber zuversichtlich und spiegelt die Herausforderungen der aktuellen Situation im Handel und in der Industrie wider.

Viele kamen mit gemischten Gefühlen zur Ispo Munich, die am Montag nach fast dreijähriger Zwangspause erstmals wieder eröffnete. „Ich bin wirklich gespannt, wie es wird“, sagt Otto Leodolter, Geschäftsführer von Löffler gleich zu Beginn. Denn schon vor der Messe war klar, dass sie anders sein würde als die vorigen Veranstaltungen. Rund 1.500 Aussteller:innen aus 55 Ländern hatten sich diesmal angekündigt. Das sind etwa halb so viele wie noch im Januar 2019 (2.943 Aussteller:innen) und im Januar 2020 (mehr als 2.800 Aussteller:innen). Statt zwölf vollbelegten A- und B-Hallen waren es diesmal nur sechs, plus vier C-Hallen, die den Themen Sourcing, Textrends und Health vorbehalten waren.

Viele große Marken aller Kategorien fehlten, im Bekleidungsbereich genauso wie in der Hardware, Skimarken genauso wie Outdoormarken. Während Marken wie Bogner, Mammut oder Columbia fernblieben, tummelten sich auf den Ständen von Jack Wolfskin, Vaude, Patagonia, Scott, Maloja, Gore-Tex oder Schöffel umso mehr Besucher:innen. Denn auch das wurde schnell klar: voll und fröhlich war es trotzdem. Nicht nur auf den Ständen, sondern auch auf den Eventflächen und Vortragsbühnen. Das Fazit: Der Wunsch, sich und die Branche endlich mal wieder gemeinsam und live zu erleben ist groß!

Die neue FW23/24 Kollektion von Montura. Foto: FashionUnited

Konsumflaute trifft Sport- und Outdoorbranche

Die Herausforderungen der Branche sind aktuell groß. Zwar haben viele Marken und Händler die Pandemie gut, manche sogar glänzend überstanden, umso unerwarteter trifft jetzt aber viele die anhaltende Kaufzurückhaltung bei gleichzeitig steigenden Kosten. Zudem war der Herbst vielerorts zu warm, die klassischen Wetterschutz-Themen liefen nicht gut. „Was die nächste Saison bringt weiß keiner“, sagt Peter Räuber, CEO von Maloja. Wenn der Wintersport (noch) teurer wird, weil Bergbahnen und Hotels ihre Preise anheben müssen, rechnen viele damit, dass die Menschen eher an der Ausrüstung sparen und keine neuen Produkte kaufen. „Gerade für Familien wird Wintersport immer mehr zum Luxus“, sagt Ingo Jost, Director Central Europe der finnischen L-Fashion Group, zu der die Marken Icepeak und Luhta gehören. Es ist heute schon viel Ware im Handel aufgelaufen, und viele gehen davon aus, dass sich daran auch in den kommenden Wochen nichts ändert. Das ist immer ein Risiko.

Neue Farben und Web/Strickstrukturen bei Helly Hansen. Foto: FashionUnited

Ruf nach kürzeren Lead-Times

Ingo Jost sieht die Gefahr, dass immer weniger Kinder ihren Weg in den Sport finden, wenn die Produkte immer teurer werden. Zudem bevorzugt die junge Zielgruppe andere Verkaufskanäle. Jost: „Ich bin davon überzeugt, dass die junge Zielgruppe noch nicht genug im Fachhandel einkauft.“ Dieser müsse attraktiver werden und vor allem auch näher an den Bedarf rücken. „Die Winterware hängt zu einem Zeitpunkt im Laden, zu dem viele noch gar nicht an den Wintersport denken.“ Dieses Thema müsse die Branche gemeinsam angehen. Problematisch sehen auch viele die langen Lead-Times. Die Sport- und Outdoorbranche hat schon lange erkannt, dass ihre vergleichsweise langen Lead-Times ein Risiko sind, weil sie ein agiles, bedarfsorientiertes Handeln erschweren. Während der Pandemie, als die Nachfrage nach Outdoorprodukten plötzlich explodierte, kam man gar nicht hinterher, die Waren zu produzieren. Heute verhindert die träge Lieferkette, dass unbenötigte Ware gar nicht erst produziert wird.

Megatrend Nummer 1: Nachhaltigkeit

Der große, alles überragende Trend der Branche ist nach wie vor das Thema Nachhaltigkeit. Während sich in den letzten Jahren vor allem die Bekleidungsmarken damit beschäftigt haben, nachhaltiger zu werden, gehen jetzt auch immer mehr Schuhmarken und Hardware-Anbieter in diese Richtung: Vom Ski, der anteilig aus Spinnova-Fasern hergestellt wurde von Pusu, über die Stirnlampe mit einem Gehäuse aus Hanfgemisch von Silva, bis hin zu Sneakern aus ungefärbter, teils recycelter Wolle und einer Sohle aus 31 Prozent FSC-zertifiziertem Naturkautschuk von Icebug. Die innovationsfreudige Sport- und Outdoorbranche hatte einige neue Entwicklungen im Gepäck.

Schuhe aus recycelter Wolle von Icebug. Foto: FashionUnited

Neue Faserkombinationen

Das trifft natürlich auch auf die die Bekleidungshersteller zu. So präsentierte beispielsweise der italienische Strickspezialist UYN Sportunterwäsche, die zu 100 Prozent aus regenerativen, biobasierten Materialien besteht. Die innovative Faserkombination: Kapok, Biolight-Garn (aus Buchen-Zellulose), Flexicorn (Spandex-Alternative, die aus Mais gewonnen wird) und Natex (hergestellt aus der Rizinuspflanze). „Das Tolle ist: Diese Fasern sind in Bezug auf Festigkeit, Trocknungsgeschwindigkeit und Atmungsaktivität den erdölbasierten Fasern sogar überlegen“, sagt Marco Redini, CEO von UYN.

Die Bestandteile der neuen Seamless Wäsche bei UYN. Foto: FashionUnited

Auch Tencel hatte ein Seamless-Yoga-Set aus Shirt und Legging als Prototyp dabei, der zu 100 Prozent aus Tencel und Tencel Luxe, der neuen Filamentfaser von Tencel, hergestellt wurde.

Pink und Orange bei Jack Wolfskin. Foto: FashionUnited

Farben: Braun und Rottöne im Kommen

Bei den Farben zeigten sich wie immer ähnliche Trends, wie auch in der Mode: Nach wie vor stehen Nudetöne hoch im Kurs, dazu erdige Farben, ungefärbte Optiken und gleichzeitig knalliges Pink, in Kombination mit Rot oder Orange. Je auffälliger, desto besser, lautete hier die Devise. Richtig stark wurde das Thema Braun, zumindest bei den ausgestellten Produkten. Braun zeigte nicht nur bei den progressiven Snowboard- und Freeskimarken wie beispielsweise Picture Organic Clothing oder Scott, sondern auch bei Outdoor-Klassikern wie Jack Wolfskin. Ob auch der Handel die Farbe für sporttauglich hält, bleibt jedoch abzuwarten.

Braun Allover bei Picture Organic Clothing. Foto: FashionUnited

Fokus auf Vielseitigkeit

Und noch ein Thema poppte bei vielen neuen Kollektionen auf. Vielseitigkeit. Während man früher Produkte anbot, die zu genau einer Sportart passten und bis in das kleinste Detail nur für diesen Zweck designt wurden, entwickeln jetzt viele Marken Produkte, die mehr als einem Zweck dienen und stattdessen vielseitig nutzbar sind. Damit reagieren die Hersteller einerseits auf ein neues Bewusstsein der Konsument:innen, die weniger konsumieren wollen, und gleichzeitig liefert sie gerade in angespannten Zeiten wie diesen ein gutes Verkaufsargument, weil Menschen sparen wollen.

ispo munchen