Ispo Munich: Fokus auf Vernetzung und Weiterentwicklung der Sport- und Outdoor Branche
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Knapp 2.300 Ausstellende aus 50 Ländern und über 55.000 Teilnehmende aus 113 Ländern sind in den letzten drei Tagen auf der Sportartikelmesse Ispo Munich zusammengekommen. Im Fokus der Veranstaltung stand neben der Präsentation neuer Kollektionen und Produkte vor allem der Austausch und die Weiterentwicklung der Branche. So prägten Konferenzen und Talkrunden zu unterschiedlichen Sport- und Gesundheitsthemen ebenso die Messe wie Keynotes von Sportlegenden wie der Tennisikone Andre Agassi oder Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Im Thema Gesundheit sieht die Messe schon seit vielen Jahren großes Potenzial für den Sportmarkt. So warnte beispielsweise auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf der Bühne im Ispo Future Lab, dass 81 Prozent der Kinder und Jugendlichen weltweit nicht ausreichend aktiv sind, was jährlich wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe verursacht und enorme Auswirkungen auf das gesamte Gesundheitssystem hat. Bei den Erwachsenen sieht es laut aktuellen Erhebungen des RKI nicht besser aus. „Wenn wir diese Menschen in den Sport bringen könnten, wäre das eine neue Zielgruppe mit einem Marktvolumen so groß wie China oder Indien“, sagte Marina Moguš, Managing Director Adidas Central Europe während der Diskussionsrunde.
Neue Impulse: Fabletics aus den USA und aufstrebende chinesische Marken
Über eine fulminante Ispo-Premiere dürfte sich Fabletics gefreut haben. Die US-Fitnessmarke von Schauspielerin Kate Hudson, die im Heimatmarkt bereits rund 100 Stores betreibt, trat in Europa bislang nur als DTC-Marke in Erscheinung. Das soll sich nun ändern. „Wir wissen, dass wir inzwischen auch in Europa eine hohe Markenbekanntheit haben“, sagt Daniel Klarkowski, VP Brand Marketing von Fabletics Europe, „aber die einzige Möglichkeit, unsere Produkte kennen zu lernen, war das Internet. Darüber hinaus gab es einfach zu wenig Kontaktmöglichkeiten“. Deshalb sucht Fabletics nun Partner im Einzelhandel und im Großhandel, die die Marke aufnehmen und den Konsument:innen präsentieren wollen. Das bisherige Feedback sei großartig, sagt Klarkowski. „Der Handel sucht nach Neuem und der Messestand hier hilft uns sehr.“
Auch die chinesische Brand Uppervoid sucht Händler, die Neues wagen wollen. Erst vor rund vier Jahren gegründet, setzt das Unternehmen auf traditionelle, tibetisch anmutende Looks und kombiniert sie mit Hightech-Materialien. „Klassische Outdoorhersteller sehen eine Jacke nicht als Jacke, sondern als ein Werkzeug“, sagt CEO und Gründer Vis Bi. Diese rein technische Beziehung will er durch eine emotionalere ersetzen, und statt des gängigen Leistungsgedankens im Sport eher die Nähe zur Natur in den Vordergrund stellen. Erste Händler gibt es bereits in Frankreich und Italien. Der Europa-Vertrieb wird von Zürich aus gesteuert. Auch im Bereich des Ispo Awards präsentierten sich zahlreiche chinesische Marken, die hierzulande noch recht unbekannt sind, wie Bosideng, Tanboer oder Kailas.
Zeitgeist & 520 M zeigen die Verbindung von Sport und Mode
Mode und Sport wachsen seit Jahren zusammen. Das gilt in vielerlei Hinsicht: Zum einen in Bezug auf die Materialien, indem Modekollektionen immer mehr den Komfort und Wetterschutz von Sport- und Outdoorkollektionen adaptieren, zum anderen inspiriert die Ästhetik des Sports immer wieder die Modedesigner:innen.
Die Ispo hat der Darstellung dieser Verschmelzung viel Raum gewidmet. So präsentierte die Messe eine vergrößerte „Zeitgeist“-Fläche, die im letzten Jahr Premiere feierte, und durch die Partnerschaft mit der Kopenhagener CIFF Modemesse einige neue Marken mit nach München brachte. Direkt nebenan ergänzte die von Highsnobiety kuratierte Fläche 520 M das Thema mit weiteren Brands und Vorträgen und Diskussionsrunden. Hier stellten Brands wie Veja, And Wander, Quartz Co., Adidas Terrex, Mazine, Vuori, Douchebags etc. aus, und präsentierten sich in einem einheitlichen, cleanen Standbau.
„Für uns war die Messe sehr erfolgreich“, sagt Niko Petrakis von Mazine. Die Brand beliefert mit ihrer modischen und nachhaltig ausgerichteten Kollektion vor allem kleine Boutiquen und Concept-Stores, und sah sich in der Zeitgeist Area gut aufgehoben. „Wir sehen auf alle Fälle, dass sich der Sportfachhandel für modische Kollektionen interessiert, beides gehört inzwischen zusammen“, so Petrakis weiter. „Die ersten zwei Messetage waren wirklich gut.“
Eystein Wang, CEO der Marke Scandinavian Edition, hält den Vertrieb im Mode- und Sporthandel für schwierig. Obwohl er funktionelle Outerwear anbietet, setzt er ausschließlich auf den Modehandel. „Der Sporthandel reduziert einfach viel zu früh und entwertet damit die Produkte“, so Wang. Das sei der Hauptgrund, warum sich Modehändler wieder aus dem Sport zurückziehen und lieber nach alternativen Funktionskollektionen suchen.
Zu den Neuausstellern in der Zeitgeist Area gehörte auch der deutsche Wäschehersteller Mey, der auf der Ispo erstmals seine Performance-Linie vorstellte und damit den Einstieg ins Sportbusiness einläutete. Die Base Layer Kollektion erhielt für ihre innovative Strickkonstruktion mit Microloops und einem Gemisch aus Schurwolle und Polyester Coolmax gleich einen Ispo Award. „Tatsächlich hat schon mein Großvater die Idee zu diesem Material gehabt“, erklärt Matthias Mey, Geschäftsführer der Mey Unternehmensgruppe, „aber damals gab es die technischen Möglichkeiten noch nicht.“
Mehr Emotionen für den Onlinehandel
Die Digitalisierung der Lieferketten und des Handels schreitet weiter voran. Als Innovation im Bereich Handel stellte das Unternehmen Guruu Kooperationen mit Dynafit und Jack Wolfskin vor. Guruu will den Onlinehandel emotionalisieren und hat ein Community-Modell geschaffen, in dem Kund:innen selbst zu Markenbotschafter:innen und Produktberater:innen werden. Über die in den Onlineshop integrierte Guruu-Plattform können Beratungssuchende Kontakt zu Personen aufnehmen, die Jack Wolfskin zuvor im Rahmen seines Loyalty-Programms ausgewählt und zu Produktexperten ausgebildet hat. Diese werden auf Provisionsbasis über einen Chat direkt mit den Shopper:innen verbunden und bieten Beratung an. Dabei entscheidet eine KI, welche Frage an den klassischen Kundenservice oder an die Experten-Community weitergeleitet wird.
Neue Materialien: Weg vom Erdöl
Die Sport- und Outdoorbranche hatte schon immer ein Faible für neue Materialien. Ging es früher vor allem um noch leistungsfähigere oder leichtere Materialien, stehen seit einigen Jahren vor allem nachhaltige Alternativen zu den Hightech-Fasern im Fokus. So präsentierte der Elastanhersteller Lycra seinen Einstieg in die biobasierte Textilchemie und kündigte den Aufbau der weltweit ersten kommerziellen Produktion von „Qira“ in den USA an. Qira wird aus Industriemais hergestellt und kann einen Hauptbestandteil der Elastanfaser ersetzen, was deren ökologischen Fußabdruck im Vergleich zu entsprechenden Produkten aus fossilen Rohstoffen deutlich reduziert. Für die Funktionalität der Faser ändert sich dabei nichts. „Der einzige Unterschied zwischen Lycra auf Erdölbasis und dem neuen Lycra besteht darin, dass der Kohlenstoff im ersten Fall sehr alt und im zweiten Fall sehr jung ist“, erklärt Steven Stewart, Chief Brand & Innovation Officer bei The Lycra Company.
Viele weitere innovative Materialentwicklungen befinden sich in der Pipeline, das zeigte das Material Lab der Messe eindrucksvoll. Dabei ist die Idee, Pilze, Enzyme, Algen und viele weitere pflanzliche Rohstoffe in Garne, Farbstoffe oder textilartige Flächen umzuwandeln, längst keine Spinnerei mehr. So hat beispielsweise das Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University im Rahmen des Biotexfuture Projekts das Material LightLining vorgestellt. Hierbei handelt es sich um einen leichten, superisolierenden Vliesstoff für Sportbekleidung, der aus Zellulose-Aerogel-Vliese besteht. „Bei diesem Projekt startet jetzt die Kommerzialisierung“, sagt Nicole Espey vom Projekt Biotexfuture.