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Performance Days: Das Angebot von nachhaltigeren Funktionsstoffen auf Industrie-Level wächst rasant

Von Regina Henkel

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Messen

Die Sustainability Lounge auf den Performance Days. Credits: Performance Days

Mit rund 3.000 Besucher:innen und einem Besucher:innenplus von rund zehn Prozent gingen gestern die ausgebuchten Performance Days in München zu Ende. Das Fazit der zweitägigen Fachmesse für Funktionsstoffe: Die Transformation der Branche ist im vollen Gange.

Die Performance Days, die am 20. und 21. März auf dem Münchner Messegelände stattfanden, hatten wie in den Vorjahren ein zentrales Thema: Nachhaltigkeit. Der Wandel der Branche ist in vollem Gange. Viele - wenn nicht alle - Aussteller präsentierten weiterentwickelte Materialien, die dazu beitragen können, den CO2-Fußabdruck der gesamten Bekleidungsindustrie zu reduzieren, darunter Herstellergrößen wie etwa Lenzing, Polartec, Primaloft, Pertex, Pontetorto, Schoeller, Sympatex, Toray oder Thermore. Der Druck ist groß: „Alle Marken wollen besser werden und ihren CO2-Fußabdruck bis 2030 reduzieren“, sagt Jean Hegedus, Sustainability Director bei The Lycra Company. Der größte CO2-Fußabdruck von Bekleidung entsteht nun mal bei der Herstellung der Stoffe, somit liegt für die Marken hier der größte Hebel. Die Zeit drängt - auch angesichts der bevorstehenden gesetzlichen Änderungen. Immerhin waren auf der Messe schon die Stoffe und Zutaten für die Saison Frühjahr/Sommer 2026 zu sehen.

Recycling auf Industrie-Level und neue Recyclingfasern

Das Bemühen war überall zu spüren. „Meine größte Freude ist es, zu sehen, dass die Industrie so viel Aufwand betreibt, um bessere Produkte zu entwickeln“, sagte Alexa Dehmel von Active Sports Design & Consulting nach ihrem Vortrag über die Trendmaterialien für Frühjahr/Sommer 2026. Immer mehr Stoffhersteller haben ihre nachhaltigeren Lösungen aus dem Laborstadium auf Industrieebene gebracht. Der Faserhersteller Coolmax hat bereits vor drei Jahren auf chemisches Recycling von Pre-Consumer-Stoffabfällen umgestellt und wird ab 2024 nur noch recycelte Fasern verkaufen. Dadurch kann die Stoffmarke die CO2-Emissionen ihrer Produkte um 29 Prozent reduzieren. Immer mehr synthetische und natürliche Recyclingfasern erobern den Markt. Auch BASF hat mit Loopamid eine neue Recyclingfaser und Fasermarke auf den Markt gebracht. Loopamid ist ein Polyamid 6, das durch chemisches Recycling aus Produktionsresten hergestellt wird. „Dabei spielt es keine Rolle, wie viel andere Fasern enthalten sind, auch Elasthane stören den Prozess nicht“, erklärt Frank Reil, Leiter Marketing & New Business Development & Sustainability Polyamides bei BASF.

Integration von mehr Naturfasern

Gleichzeitig feiern Naturfasern ein Comeback, vor allem bei den Baselayern, also der ersten Bekleidungsschicht. Vorgestellt wurde beispielsweise ein seamless Baselayer aus Kapok und Tencel, der in Zusammenarbeit zwischen dem niederländischen Kapoklieferanten Flocus, dem italienischen Strickproduzenten Mia Group und dem deutschen Produktentwickler Protective entstanden ist. „Kapok ist die leichteste Faser der Welt, ihre natürlichen Eigenschaften sind sensationell, sie ist eine hervorragende Alternative für viele Anwendungen“, ist Jeroen Muijsers von Flocus überzeugt. Auch bei Midlayern und hochtechnischen Stoffen werden immer mehr Naturfasern wie Wolle, Baumwolle oder andere Zellulosefasern mit technischen Funktionen gemischt, wie beispielsweise laminierte Wollstoffe oder natürliche Fasern auf der Rückseite von Stoffen, die nah am Körper für mehr Komfort sorgen. Zudem spielen neue Rohstoffe eine wichtige Rolle, wie Fasern aus Ananasblättern und Viscose aus Pilzen.

Seamless Kapok Credits: Regina Henkel / FashionUnited

Neue Abfallströme werden genutzt – sogar Kohlendioxid

Aber auch völlig neuartige Rohstoffe finden ihren Weg in die Textilindustrie, wie beispielsweise recyceltes Polyamid aus alten Autoreifen von Bluefibre oder eine Membrane aus recyceltem Elektroschrott von BenQ. Auch im Bereich der biobasierten und biologisch abbaubaren synthetischen Fasern hat sich viel getan. Gearbeitet wird vor allem daran, dass biologisch abbaubare Fasern nicht nur unter Sonderbedingungen zerfallen, sondern das bereits im natürlichen Umfeld tun, beispielweise im Meer oder auf Müllkippen in Entwicklungsländern, wo zahlreiche Bekleidungsstücke aus westlichen Ländern am Ende ihres Lebens tatsächlich landen. So hat beispielsweise G Loft eine biologisch abbaubare Polyester Insulation mit Cradle-to-Cradle Gold Standard vorgestellt, die ohne chemische Zusätze auskommt und 60 Grad waschbar ist. Große Hoffnung setzt die Branche auch auf sogenannte CCU Fasern (Carbon Capture Utilization). Diese stehen für eine fortschrittliche Technologie, bei der Kohlendioxidabfälle aus Stahlwerken oder petrochemischen Anlagen aufgefangen und durch Fermentation in Ethanol umgewandelt und recycelt werden, das als Monomer für neues Polyester dient.

Bei Climatex lösen sich die gelben "Fäden" auf, danach lassen sich beide Stofflagen einfach voneinander trennen. Credits: Regina Henkel / FashionUnited

„Textile Schraube“ zum Trennen von Mischgeweben

Der schweizerische Textilspezialist Climatex hat hingegen eine überraschend simple Lösung zum Trennen von Materialmischungen als Vorstufe fürs Recycling vorgestellt: Eine „textile Schraube“, die zwei beliebige Stofflagen fest miteinander verbindet, kann unter bestimmten Verhältnissen (Wasser, Druck, Temperatur) gelöst werden. Danach lassen sich beide Lagen einfach voneinander abziehen. Auch Nähte und Zipper lassen sich lösen, indem mit einem Spezialnähgarn genäht wird. „Dafür müssen Webstühle nur minimal umgerüstet werden, jeder Hersteller kann das umsetzen“, erklärt Patric Rupp, Co-CEO von Climatex. An einer ähnlichen Lösung für Strickmaschinen wird bereits gearbeitet.

Viele Probleme müssen noch gelöst werden

Aber es sind längst noch nicht alle Probleme gelöst. Beispielsweise sind Elasthane beim Mischfaser-Recycling oft noch ein Problem, und Lycra kann noch nicht recycelt werden. „Wir arbeiten intensiv am Recycling von Lycra/Baumwolle und Lycra/Polyester“, erklärt Jean Hegedus von The Lycra Company. „Wahrscheinlich wird beides nicht mit der gleichen Methode funktionieren.“ Im Laborstadium ist es immerhin bereits gelungen, Lycra als Rezyklat in neues Lycra zu integrieren, wenn auch nur zu rund 30 Prozent. Hegedus: „Im Moment ist Lycra beim Recycler noch Abfall, es kann nicht weiterverarbeitet werden. Das soll sich ändern.“

Gleichzeitig arbeitet die Branche daran, neue Lösungen für Elasthane zu finden, beispielsweise biobasierte, biologisch abbaubare und recycelbare/ recycelte Elasthanfasern.

Stoffe aus der Innovation Zone der Messe. Credits: Regina Henkel / FashionUnited

Größter Diskussionsbedarf: Post-Consumer Recycling

Den größten Gesprächsbedarf auf der Messe lieferte das Thema Post-Consumer-Recycling. Obwohl die Technologien längst da sind, mangelt es nach wie vor an der praktikablen Umsetzung, wie man Altkleider zurück in die textile Lieferkette bringt. „Vor allem mangelt es an den nötigen finanziellen Mitteln“, bringt es Cyndi Rhoades, Gründerin von Worn Again Technologies, auf den Punkt und bezeichnet die Insolvenz von Renewcell oder die finanzielle Situation von Spinnova als einen „Schock für die ganze Branche“. Beides sind einstige Vorzeigeprojekte des Textilrecyclings. Beide Unternehmen hatten begonnen, mit hohen Investitionen das Recycling von Mischfasern in den Griff zu bekommen. „Dabei müssen wir dieses Problem lösen, wir haben gar keine Wahl“, so Rhoades weiter. Sie verlangt von der Industrie deshalb mehr finanzielle Unterstützung und verlässliche Abnahmemengen.

Menge an sortierten Altkleidern noch zu gering

Viele Unternehmen würden sogar gerne schon Post-Consumer-Abfälle recyceln, wenn sie nur an genug Material herankämen. Die Verwendung von Produktionsabfällen lässt sich wesentlich einfacher sicherstellen. „Wir können unser Polyamid jederzeit aus Post-Consumer-Textilien recyceln, aber wir finden noch nicht genügend Abfall“, erklärt Frank Reil von BASF. Er braucht für seine Anlage nicht ein paar Hundert Kilo, sondern mehrere Tausend Tonnen. Zum einen fehlen in asiatischen Ländern, wo die Fasern produziert werden, oft noch die nötigen Sammelstrukturen, zum anderen sortieren hiesige Sammelunternehmen noch nicht nach Faserzusammensetzungen, sondern vor allem nach der Verwendbarkeit als Secondhand.

Immerhin, auch erste automatische Sortieranlagen existieren bereits, sogar in China, wo es die Sammelstrukturen noch gar nicht in dem Maß gibt, wie beispielsweise in Deutschland. Auch immer mehr Unternehmen integrieren RFID-Chips in ihre Kleidung, wodurch die Kleidung in der Sortieranlage einfach nur abgescannt werden muss, um die Faserzusammensetzung zu erkennen. „Frankreich ist da schon sehr weit – Decathlon macht das inzwischen mit allen Produkten“, erklärt Cédric Vanhoeck, CEO bei Resortecs, das sich auf Lösungen spezialisiert hat, die das Recycling einfacher machen. Auch alle anderen großen Modehersteller würden sich in diese Richtung bewegen und damit die gesamte Supply Chain bis zum Recycling kontrollieren können, sagt Vanhoeck und ergänzt: "Beim Thema Recycling ist derzeit wirklich viel Bewegung in der Branche."

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