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Pitti Uomo: Florenz wird zur Hauptstadt der Menswear

Von Isabella Naef

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Messen

Florenz, die Hauptstadt der Herrenmode, so scheint es zumindest nach der jüngsten Pitti Uomo, die dort am 11. Januar in der Fortezza da Basso ihren Abschluss gefunden hat. Während die Mailänder Modewoche den Herren gerade mal drei Tage widmet, gelingt es der Pitti Uomo Jahr um Jahr, den Erwartungen der Modehäuser, der Einkäufer und der Presse gerecht zu werden, indem die Messe ein „All inclusive“-Paket an Präsentationen, Modeschauen und Events zusammenstellt, bei denen alteingesessene Traditionslabels mit aufstrebenden Newcomern, Nischenmarken und Sportswear-Brands vermischt werden. Modischen Trends wird so großer Raum gegeben und die Pforten zur ökologischen Revolution, die die Modebranche inzwischen auf jeder Ebene durchdringt, wurden weit geöffnet.

Zum diesjährigen florentinischen Spektakel, das vom 8. bis 11. Januar stattfand, strömten insgesamt 36.000 Besucher, die sich die Herbst/Winter-Kollektionen 2019-2020 stolzer 1230 Marken ansahen. 542 dieser Unternehmen (44 Prozent) sind außerhalb Italiens ansässig.

Was hingegen die ausländischen Besucherzahlen betrifft, so bleiben die Gäste aus Deutschland weiterhin die Spitzenreiter, während die Zahl der Besucher aus der Schweiz, Belgien, Skandinavien, Kanada, Hongkong, Indien und Taiwan weiter steigen. Weniger gut sah die Zahl der Italiener aus, von denen 8 Prozent weniger zur Messe kamen.

Die Gesamtzahl der Einkäufer belief sich auf 24.000. „Es scheint, als hätte sich die gesamte Kette der Modeindustrie – und nicht nur der Herrenmode – von der Konzeption und der Planung über die Produktion bis zur Präsentation der Kollektion auf das Ziel fokussiert, den stets anspruchsvolleren Herausforderungen gerecht zu werden. Wir Organisatoren wissen es, die Aussteller wissen es, und die Händler, also diejenigen, die letztendlich die Emotionen der Endkunden erleben, wissen es: Seit Monaten lesen wir heikle Meldungen über die Wachstumsprognosen, den Handelsaustausch und die Endverbrauchszahlen in Italien, Europa und dem Rest der Welt. Aber anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, dass die schlechten Zeiten vorübergehen, hat sich die Branche der Situation gestellt, um ihr Bestes zu geben. Auch dafür steht die Pitti. Und wenn ich daran denke, was dies bedeutet, an den Wert, den dies darstellt, dann muss ich sagen, dass einige Prozentpunkte weniger bei den Käuferpräsenzen mich wirklich überhaupt nicht beunruhigt“, erklärt Raffaello Napoleone, Geschäftsführer der Pitti Immagine, und unterstreicht damit seine Bewunderung für die fantastische Arbeit, die die Unternehmen machen.

Laut einer Schätzung des Studienzentrums der italienischen Arbeitgeberorganisation Confindustria Moda kann die italienische Menswear-Industrie für 2018 ein moderates Wachstum verzeichnen. Vorsichtig überschlagen sei insgesamt ein Anstieg von 1,5 Prozent zu erwarten – auf wahrscheinlich über 9,4 Milliarden Euro. Die Herrenmode nimmt dabei 17,5 Prozent des von der italienischen Textil- und Modeproduktion erzielten Gesamtumsatzes ein und 27,9 Prozent der reinen Bekleidungsbranche.

Trotz des kräftigen Wachstums im ersten Halbjahr ergibt sich für den Export aufgrund der ab dem Sommer einsetzenden Konjunkturschwäche voraussichtlich nur ein Wachstum von 3,9 Prozent, was immerhin noch einer Gesamtsumme von Exporten ins italienische Ausland von über 6,3 Milliarden Euro entspricht. Was das geografische Profil betrifft, so sind für die EU positive Trends zu verzeichnen, sowohl, was den Export (+1,6 Prozent) als auch den Import (+22,4 Prozent) betrifft. Die Märkte außerhalb der EU schwächeln hingegen beim Import (-0,4 Prozent), während der Export wächst (+9 Prozent).

Ästhetik und Funktionalität

Betrachtet man nun die Zahlen der Pitti Uomo, so zieht die Veranstaltung sowohl internationale als auch italienische Marken an, zu denen auch große Labels wie Barbour gehören, das die Messe zum Schauplatz seiner 125-Jahres-Feier erkoren hat. Am Stand des 1894 im Nordosten Englands gegründeten Traditionshauses hat das britische Label eine in Zusammenarbeit mit dem japanischen Designer Daiki Suzuki entstandene Capsule-Kollektion präsentiert.

Barbour zeigte seine Linie „Stormfront“, die speziell für sehr kalte Temperaturen und widrige Witterungsbedingungen entworfen wurde. Der Trend, stets technischere und ausgeklügeltere Kleidungsstücke zu kreieren, die sich für alle Temperaturen eignen, auch wenn sie vorwiegend in der Stadt getragen werden, wird von zahlreichen Marken verfolgt. Blauer USA hat beispielsweise seine eigene, typisch amerikanische DNA auf zeitgemäße, winterliche Weise neu interpretiert.

Die in den Farbtönen Khaki, Navy, Armee-Grün, Rot, Off-White, Lime und Bordeaux gehaltene Kollektion hat die Verbindung von Blauer USA zu seinen eigentlichen Wurzeln erneuert – schließlich handelte es sich ursprünglich um eine Marke, die Uniformen für die amerikanische Armee herstellte. „Auch für die nächste Saison denken wir an Kollektionen aus Nylon und recycelten Daunen. Auf diese Weise passen wir uns an einen Markt an, der vermehrt auf die Nachhaltigkeit ausgerichtet ist“, sagte Enzo Fusco, Präsident der FGF Industry, in einem Interview mit FashionUnited. Das Unternehmen besitzt seit 16 Jahren die weltweite Lizenz für die Produktion, den Vertrieb und die kreative Verantwortung von Blauer USA.

Das Unternehmen erzielt 40 Prozent seiner Umsätze auf dem ausländischen Markt und 60 Prozent auf dem italienischen Markt. „Bezüglich der Nachhaltigkeit muss ich sagen, dass die ausländischen Kunden dieser Thematik sicherlich mehr Aufmerksamkeit schenken“, fügt Fusco hinzu.

Als die Schlüssel zum Erfolg gelten auch Funktionalität und Ästhetik bei der Marke Herno, die von Claudio Marenzi geleitet wird, der gleichzeitig auch als Präsident der Pitti Immagine und der Confindustria Moda fungiert.

Das Label hat anlässlich der diesjährigen Pitti Uomo die Capsule-Kollektion ‘Herno Laminar Sartorial Engineering’ präsentiert. Das Projekt, eine Weiterentwicklung der 2012 entstandenen Kollektion ‘Laminar’, zeichnet eine Modelinie neu, die sich an die neuen Bedürfnisse des Markts anpasst und eine Richtung verfolgt, die inzwischen als Mission gelten kann: „Funktionalität neben Ästhetik“.

Genauer gesagt vereinen die Kleidungsstücke dieser Linie die Klassizität traditioneller Herrenstoffe mit speziellen Ausrüstungen und Innenmembranen, die den Charakter dieser Stoffe umwandeln und sie funktional und originell werden lassen. Wollstoffe und Flanell, Karos und Hahnentritt werden mit speziellen 2Layer- und 3Layer-Membranen kombiniert und wasser- und windfest ausgerüstet. Reißverschlüsse mit Polyurethanbeschichtungen schützen traditionelle Nähte und erschaffen Kontraste zwischen matt und glänzend, die klare Linien definieren. Versiegelungen im Inneren garantieren die Wasserfestigkeit.

Wie bereits erwähnt hat die jüngste Pitti Uomo jedoch auch Talenten Raum geboten, die sich gerade erst ihren Weg durch die Welt der Mode bahnen. Dazu gehört auch Glenn Martens, der die Kollektion Y / Project Herbst/Winter 2019 Menswear im Gran Chiostro der florentinischen Basilika Santa Maria Novella vorgestellt hat.

Auch Aldo Maria Camillo hat sich für das Debüt des nach ihm benannten Labels Aldomariacamillo für Florenz entschieden. Nach einer beruflichen Laufbahn, die zahlreiche Kollaborationen umfasste, von Ermenegildo Zegna, über Valentino und Cerruti, bis zu Berluti, stellte der italienische Designer im Rahmen eines Special-Events seine erste Kollektion vor, die er als ideale Garderobe für den Mann von heute entworfen hat.

„Jacketts, wie sie aus dem Kleiderschrank meines Vaters stammen könnten und in denen ich zum Gymnasium gegangen bin, um mich wie die Figuren aus den Filmen zu fühlen, die ich damals anschaute, wie die Sänger der Bands, die ich hörte, und wie die Künstler, über die ich las”, sagte der italienische Designer über seine Kollektion mit dem Titel „Radici“ (zu Deutsch „Wurzeln“), die er in der florentinischen Stazione Leopolda vorstellte. Auf dem Laufsteg sah man Armeemäntel, weiße T-Shirts mit V-Ausschnitt, Hosen und Jacken mit zwei Knöpfen, weit geschnittene Redingoten und Mäntel aus Drillich.

Puristische, minimalistische Linien, dunkle Farben und ärmellose Wollrollis zeichnen hingegen den Stilcode der Londoner Designerin Eleanor McDonald (Jahrgang 1990) aus, die im vergangenen Juni den ITS Award und den Preis der gemeinnützigen Organisation Camera Nazionale della Moda Italiana einheimsen konnte und die dank der Unterstützung der Abteilung Tutorship der Pitti Immagine in den Räumlichkeiten innerhalb der Fortezza da Basso von Unconventional eine Capsule-Kollektion vorstellen konnte.

„Im Sommer findet meine Modenschau in Mailand statt; aktuell werden meine Kreationen in einem Showroom in Mailand und einem in Paris gezeigt“, erklärt die Designerin, die auf No-Gender-Kleidungsstücke, also für Herren und Damen geeignete, und den High-End-Modemarkt setzt.

Tailoring, jedoch großzügiger als in den vorherigen Saisons geschnitten, steht wiederum im Mittelpunkt einer der am meisten gesehenen Kollektionen der Pitti Uomo, der von Brunello Cucinelli. Am großen Stand im Untergeschoss der Fortezza da Basso, der vor Einkäufern und Pressemitgliedern nur so wuselte, präsentierten die Schneiderpuppen eine Kollektion aus klassischen und sportlichen Kleidungsstücken in einer herbstlichen Farbpalette, die hier und da von kräftigem Weinrot akzentuiert wird. Dekonstruierte Mäntel und Pullover sorgen für genau die geordnete Lässigkeit, die seit jeher zum Erbgut der Marke gehört, die für 2018 einen Umsatz von 553 Millionen Euro verzeichnet hat, ein Plus von 8,1 Prozent gegenüber 511,7 Millionen Euro im Jahr 2017.

Foto: FashionUnited, Homepage foto: Vanni Bassetti and AKAstudio - collective, courtesy of Pitti Uomo

Barbour
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