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Rekordzahlen für die Techtextil: So ist die Zukunft der Produktion

Von Regina Henkel

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Messen

Wer glaubt, die Textilbranche in Europa habe keine Relevanz mehr, wurde auf den gerade in Frankfurt am Main. zu Ende gegangenen Messen Techtextil und Texprocess eines Besseren belehrt.

Aufbruchstimmung mit großen Themen

Die Techtextil und Texprocess sind nicht gerade Messen, die bei Modeverantwortlichen Begeisterung hervorrufen. Ihnen fehlt auch der wohlklingende Name, den die klassischen Modemessen haben, wie Premium, Panorama, Neonyt. Statt CI-Ständen gab es nüchterne Standbauten, statt dekorativer Inspiration viel Text zum Lesen und statt stimmungsvoller Musik ratterten Maschinen. Die beiden Textilmessen, die nach vier Tagen am 17. Mai zu Ende gingen, zeigten genau das, was man erwartete. Und dennoch fühlte man eine nahezu ansteckende Aufbruchstimmung. Große Themen beherrschten die Messe: Nachhaltigkeit, technische Innovation und die Digitalisierung. Zum Abschluss meldeten die Organisatoren aus Frankfurt die bislang größte und internationalste Ausgabe der beiden Messen. 1.818 Aussteller aus 59 Ländern und insgesamt rund 47.000 Fachbesucher aus 116 Ländern besuchten das Messe-Doppel. Besonders interessant: Viele der hochinnovativen Unternehmen stammen aus Europa.

Digitalisierung: Von der Prozesskette zum Netzwerk

Der Digitalisierung und Automation der Produktion gehört die Zukunft. Nähmaschinen wurden präsentiert wie Luxuswagen, erste automatisierte Produktionseinheiten wurden vorgeführt, beispielsweise die automatisierte Herstellung von Jeans, die aber längst noch nicht vollständig automatisiert werden kann. Pfaff präsentierte mit dem Roboterhersteller Kuka eine „Robotics Case Study für Jeans Pockets“, wobei es nur ums Aufnähen der Gesäßtaschen ging, allerdings diesmal komplett ohne menschliche Handreichung. Erste Roboter können also Stoffe greifen oder ansaugen, anheben und neu positionieren. Bisher geht das nur mit besonders festen Stoffen oder Leder. Zwei Demo-Produktionsstraßen der Microfactory präsentierten in Kooperation mit verschiedenen Unternehmen der gesamten Prozesskette die digitalisierte Herstellung von Taschen und T-Shirts. Bei den Taschen stellten Roboter das Nähgut direkt am Zuschneidetisch für die nächsten Produktionsschritte zusammen und transportierten es über KI-gesteuerte Fahrzeuge direkt dorthin.

Strickmaschinen spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, Digitalisierung, Automation und Produktion von Bekleidung zusammenzubringen – ganz besonders im Bereich der Footwear. Der deutsche Strickmaschinenspezialist Stoll präsentierte neue Möglichkeiten des 3D-Strick, wie er z.B. für Sneaker-Upper verwendet werden kann. Algorithmen berechnen jetzt auf der Basis einfacher Bilddateien die weiteren Prozesse. Solche Maschinen zu bedienen wird in Zukunft immer weniger klassisches Fachwissen benötigen. „Die Digitalisierung und die Automation von Prozessen sind derzeit unser wichtigstes Entwicklungsthema“, sagte Goran Sidjimovski, Technical Designer bei Stoll.

War die Prozesskette der Bekleidungsproduktion bisher linear - vom Design zum Stoffhersteller zur Näherei, zum Versandlager, zum Händler und zum Kunden – so wird sie sich in Zukunft zu einem Netzwerk entwickeln, wobei alle Bereiche miteinander verknüpft sind. So können Produkte beispielsweise vom Kunden personalisiert werden, es geht aber auch darum, insgesamt mehr automatisierte Prozesse zu entwickeln, die eigenständig auf Veränderungen in der Prozesskette reagieren und viel schneller zu guten Lösungen kommen.

Textile Innovation & Nachhaltigkeit

Die branchenübergreifende Vernetzung ist der Motor textiler Innovation. Zahlreiche Institute haben sich genau diesem Thema verschrieben und arbeiten gezielt daran, neue Schnittstellen zwischen der Bekleidungsbranche und beispielsweise der Elektronik, der Kosmetik oder auch Lebensmittelherstellern zu schaffen. So geht einer der Preisträger des Techtextil Innovation Awards 2019 auf eine solche Kooperation zurück. In der Kategorie Nachhaltigkeit gewann das Projekt „Picasso“, eine Kooperation portugiesischer Projektpartner zur Entwicklung eines Färbe- und Funktionalisierungsverfahren für Kleidung auf Basis von Pilz- und Pflanzenextrakten sowie Enzymen. Partner des Projekts sind unter anderem das Centre for Nanotechnology and Smart Materials (CeNTI), das Textilunternehmen Tintex und der Gewürz- und Kräuterproduzent Ervital. „Wir haben die Unternehmen zusammengebracht, weil wir mit ihnen schon in anderen Forschungsbereichen zusammen gearbeitet haben“, erklärt Carla Silva von CeNTI. Auch Kosmetikunternehmen, Elektronikhersteller und Textilproduzenten hat das Institut schon zusammengebracht und präsentiert beispielsweise Unterwäsche mit Nanokapseln, die bei Neurodermitis helfen, oder klassische Baumwoll-Handtücher, die sich über nicht spürbare, eingewebte Elektronik erwärmen.

Innovative Elektronik

Nicht unbedingt nachhaltig aber technisch faszinierend: Die Integration von Licht in Textilien wird uns in Zukunft immer häufiger begegnen. Gedruckte Elektronik oder elektrisch leitfähige Garne lassen sich inzwischen problemlos in Textilien integrieren und ermöglichen dort völlig neue Anwendungen, die schon bald auch im Bereich der Bekleidung ankommen werden. Bewegte Lichtsequenzen durchlaufen Jacken, Taschen oder Rucksäcke, dezente Lichtspots verzieren Unterwäsche oder Gardinen: Licht fügt dem Design eine völlig neue Dimension hinzu. Amann, einer der führenden Hersteller von Garnen, präsentierte „Smart Yarns“. Die intelligenten Fäden arbeiten als Sensoren, Datenleiter und Stromlieferant und können so z.B. flächig Wärme erzeugen oder Feuchtigkeit, Druckpunkte und Temperatur messen. Als eingewebter RFID-Antenne können sie auch Auskunft geben über die Nutzung von Produkten, beispielsweise wie oft sie gewaschen werden.

Fotos & Video: Fashion United

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