Abercrombie & Fitch: Eine Marke schafft sich ab
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Eigentlich ist es für eine Marke unentbehrlich, dass jeder weiß, wofür sie steht. Beim US-amerikanischen Modelabel Abercrombie & Fitch war das lange keine Frage: Die Jungen, Coolen und Schönen wollte das Unternehmen einkleiden. Das hatte Mike Jeffries, der die Firma zwölf Jahre lang leitete, auch ganz unverblümt so gesagt – und dafür heftige Kritik einstecken müssen.
Unterstrichen wurde der elitäre Anspruch durch eine unverwechselbare Außendarstellung: Halbnackte, durchtrainierte Models dominierten die Werbung, in den Läden sorgten oberkörperfreie Jungs mit definierten Muskeln dafür, dass die Kampagnen zum Leben erweckt wurden. Und die T-Shirts und Sweater, die das Label verkaufte, machten mit riesigen Logos klar, dass sich die Träger selbst dem elitären Kreis dieser typisch amerikanischen Jeunesse Dorée zugehörig fühlen durften.
Diese Strategie ließ das Unternehmen weltweit Erfolge feiern. Doch nachhaltig war sie nicht. Angesichts der allzu großen Eindeutigkeit verlor die Marke ihre Strahlkraft, die Zahlen rutschten in den Keller. Allein im vergangenen Geschäftsjahr sank der Umsatz des Konzerns, zu dem auch das Label Hollister und die Kindermodelinie abercrombie gehören, um neun Prozent auf rund 3,7 Milliarden US-Dollar (3,4 Milliarden Euro). Als die Resultate verkündet wurden, war Jeffries schon nicht mehr da. Der umstrittene Manager, der trotz seiner siebzig Jahre keine Mühen gescheut hatte, die Unternehmensphilosophie von ewiger Jugend und Schönheit zu verkörpern, hatte im Dezember aufgegeben und seinen Rücktritt erklärt. Seither muss die Firma ohne CEO zurechtkommen. Am Image, das Jeffries über Jahre aufgebaut hatte, waren schon im Herbst angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Veränderungen vorgenommen worden. Zur neuen Strategie gehörte, auf die zuvor so plakativen Logos zu verzichten. Denn die taugten einfach nicht mehr als Statussymbol.
Abercrombie & Fitch will künftig auf „sexualisierte Werbung“ und halbnackte Models verzichten
Nun soll auch der zweite Eckpfeiler der Identität gekappt werden: Ende vergangener Woche verkündeten die Verantwortlichen, künftig auf die halbnackten Männermodels, die Ikonen der Marke, verzichten zu wollen – nicht nur auf die leibhaftigen in den Läden, sondern auch auf die zweidimensionalen in der Werbung. Denn „sexualisiertes Marketing“ soll bei Abercrombie & Fitch der Vergangenheit angehören.
Zudem werden die zuletzt hart kritisierten Regeln für die Angestellten reformiert. Das Verkaufspersonal wird nun nicht mehr nach dem Aussehen gecastet, die Mitarbeiter dürfen im Laden ihre eigene Kleidung tragen – so lange sie denn hinreichend ordentlich ist und dem cleanen Image der Marke nicht widerspricht. Auch die Anforderungen an das Erscheinungsbild werden gelockert. Die Verkäufer müssen nun nicht mehr dem eng umrissenen Schönheitsideal entsprechen, sondern lediglich „nett, smart und optimistisch“ wirken. In der Sprachregelung des Unternehmens heißen sie daher auch nicht mehr „Models“ sondern ganz unspektakulär „Markenrepräsentanten“.
Die Marke muss nun eine neue Nische in einem schwierigen Markt finden
Abercrombie & Fitch wird also künftig ohne Logos und zur Schau gestellte Muskeln auskommen. Bleibt die Frage, wofür die Marke eigentlich in Zukunft stehen will – und wie sie Jugendliche dazu bringen möchte, ihr Geld in den Läden zu lassen. Denn nun muss sich das Label ein ganz neues Image aufbauen. Das dürfte nicht leicht sein, zumal in einer Zeit, in der sich das Kaufverhalten der Zielgruppe entscheidend gewandelt hat: Generell hat hochpreisige Kleidung ihre Rolle als Statussymbol bei jüngeren Kunden ein Stück weit verloren. Größere Ausgaben werden eher für Smartphones und andere elektronische Gadgets getätigt, beim Modekauf ging die Tendenz zuletzt in die Richtung „viel, aber billig“, auch um aktuelle Trends möglichst schnell aufgreifen zu können. Und da sind internationale Ketten wie Hennes & Mauritz, Zara oder der irische Discounter Primark, der in diesem Jahr erstmals den US-Markt betreten will, für Abercrombie & Fitch, was die Infrastruktur und Preispolitik angeht, uneinholbar. Aber auch im Segment der hochwertigeren, ur-amerikanischen Preppy-Mode tummeln sich bereits Konkurrenten, die über eine klare Markenaussage verfügen. Das Label muss also eine Nische finden – wenn es die den überhaupt noch gibt.