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Am Ende der Kette - was Altkleider für Afrikas Wirtschaft bedeuten

Von DPA

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Nähmaschinen rattern, der Rauch von Kohle-Bügeleisen füllt die engen, mit Stofffetzen bedeckten Gänge. Es ist sieben Uhr morgens auf dem Gikomba-Markt in Nairobi, einem der größten Umschlagplätze für Second-Hand-Kleidung in Ostafrika. Händler ziehen große Holzkarren, voll beladen mit gespendeten Textilien, die in etwa 45 Kilogramm schwere, zugeschnürte Plastikpakete gepresst sind. In der heimischen Bevölkerung haben sie einen eigenen Namen: Mitumba. Das ist Kisuaheli und bedeutet so viel wie Bündel oder Ballen.

Wenn diese Kleiderbündel in Afrika ankommen, sind sie von einer Spende längst zur Ware geworden. Der Handel mit Mitumba ist ein riesiges Geschäft, das viele Kritiker hat: Durch den Export von gebrauchten Textilien in Entwicklungsländer würden einheimischen Produzenten die Absatzchancen genommen, sie gingen Pleite, Arbeitsplätze würden zerstört - so der Vorwurf, der vor allem in den 90er Jahren laut wurde. Inzwischen sehen Experten die Folgen der Altkleider-Exporte differenzierter.

David Irungu erhält monatlich zwei Containerladungen mit jeweils rund 630 Mitumbas. Der Händler zahlt umgerechnet rund 80 Euro für ein Bündel, das er auf dem Gikomba-Markt für durchschnittlich 100 Euro weiterverkauft. Davon muss er unter anderem seine rund zehn Angestellten bezahlen, vor allem aber die Importgebühren für die Container: mehr als 10 000 Euro gehen pro Behälter an die kenianische Regierung.

Seine Ware bekommt Irungu hauptsächlich aus den USA, Kanada - und aus Bitterfeld-Wolfen. In der Stadt im Südosten von Sachsen-Anhalt steht das Sortierwerk der Soex Group, nach eigenen Angaben der führende Alttextilvermarkter und -recycler der Welt. Circa 700 Mitarbeiter beurteilen und ordnen täglich bis zu 400 Tonnen Kleidung und Schuhe, was 20 bis 30 Lkw-Ladungen entspricht. Die Textilien kommen etwa aus gemeinnützigen und gewerblichen Containersammlungen.

«Es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Soex Group alle Altkleider erwirbt», sagt Geschäftsführer Axel Buchholz. «Entweder in Form von Ankaufpreisen pro Tonne oder via Stellplatzgebühr für die Aufstellung eigener Sammelcontainer.» Noch tragbare Kleidungsstücke werden an Groß- und Kleinhändler in über 90 Länder weltweit verkauft, Hauptabsatzmärkte sind Afrika, Osteuropa und der Mittlere Osten.

In Nairobi geht Lucy Wangoi zwei bis drei Mal pro Woche auf den Gikomba-Markt, um sechs Uhr früh. Für rund ein bis zwei Euro kauft sie Oberteile, die sie auf dem Toi-Markt am anderen Ende der Stadt wieder anpreist. «Ich suche die Teile einzeln heraus», sagt sie. Francis Muthaka handelt mit Schuhen, die er auf dem Gikomba-Markt kauft. Und in Asien: Etwa drei Mal pro Jahr fliegt er nach China und sucht nach Neuware. Die Qualität sei aber nicht zu vergleichen mit der aus Europa, sagt er.

Billigexporte aus Asien dominieren inzwischen den Textilmarkt auf dem Kontinent. «Die mangelnde Konkurrenzfähigkeit gegenüber asiatischen Produzenten wird mittlerweile als eines der Hauptprobleme der afrikanischen Textilwirtschaft angesehen», sagt Thomas Ahlmann, Sprecher des Dachverbands Fairwertung, einem Netzwerk gemeinnütziger Altkleidersammler. Dazu komme die mangelnde Kaufkraft der Bevölkerung.

Die Bundesregierung nannte vor vier Jahren unter anderem staatliche Eingriffe in Privatunternehmen und die mangelnde Produktivität von Betrieben als ursächlich für den Rückgang der lokalen Produktion auf dem Kontinent. Hinzu kämen Wettbewerbsverzerrungen durch höhere Zollsätze auf Importe von textilen Rohmaterialien gegenüber textilen Fertigprodukten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verweist darauf, dass es in Ländern mit einem Importverbot häufig zu einer Zunahme des Schmuggels von Altkleidern komme.

Die Second-Hand-Ware ist modern, die Qualität gut und der Preis niedrig.

Simbabwe ist einer der Staaten, in dem die Einfuhr von gebrauchten Textilien verboten ist. Doch in der Praxis sieht es anders aus. Etwa 3 Millionen der rund 14 Millionen Einwohner sind nach Angaben des Verbands der simbabwischen Industrie vom Mitumba-Handel abhängig. «Wir haben lediglich in den Zeitungen über das Verbot gelesen», sagt Susan Maka, die auf dem Mupedzanhamo-Markt in der Hauptstadt Harare Socken und Unterwäsche verkauft. Für fünf Euro könne man Klamotten für die ganze Familie erwerben.

Und somit rücken die positiven Folgen der Altkleiderexporte in den Blick. An dem Geschäft mit Mitumba hängen eine ganze Industrie und mehrere hunderttausend Arbeitsplätze - von Händlern, Transportunternehmern, Schneidern bis hin zu Tagelöhnern. Für Menschen mit geringem Einkommen sei Mitumba außerdem die beste Möglichkeit, sich mit Kleidung zu versorgen. «Die Second-Hand-Ware ist modern, die Qualität gut und der Preis niedrig.»

Der Verkauf von gespendeten Pullis und Hosen ist aus Sicht des Verbands nicht verwerflich. «Die Spenden übersteigen den Bedarf in Deutschland um ein Vielfaches - auch wenn man die Flüchtlingshilfe mit einbezieht», sagt Ahlmann. «Wir stellen außerdem fest, dass die Nachfrage nach Second-Hand-Kleidung weltweit wächst». Durch den Verkauf erzielten viele gemeinnützige Organisationen Erlöse für ihre Arbeit. Jedes gespendete Kleidungsstück unterstütze daher mittelbar oder unmittelbar soziale Zwecke.(DPA)

photo: H&M World Recycle Week
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