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Auch reife Frauen entdecken Soziale Medien für sich – und was das für die Modeindustrie bedeutet

Von Weixin Zha

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Mode

Instant Shopping über die App von LiketoKnowit. Bild: LTK

Die Nutzung von Sozialen Medien, wie Instagram und Facebook, ist bei den über 35-Jährigen in den vergangenen Jahren rasant angestiegen. Nicht zuletzt während der Pandemie, wandten sich Frauen in höheren Altersgruppen vermehrt der digitalen Welt zu und das eröffnet neue Wege für Content Creators und Modeunternehmen.

„Guten Morgen ihr Lieben… aus dem hohen Norden. Bei uns scheint die Sonne, megacool, aber es ist auch arschkalt”, begrüßt Ula Hoffmann ihre Follower auf Instagram am Montag mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Sie erzählt, dass sie wegen der aktuellen Nachrichten zum Ukraine-Krieg am Wochenende nicht gut schlafen konnte, aber versuche weiterzuleben und zu arbeiten.

„Vielleicht möchtet ihr euch auch mit etwas Schönem ablenken?”, fragt Hoffmann, bevor sie in ihrer Story einen Rabattcode für den Onlineshop des Husumer Modehauses CJ Schmidt bewirbt.

Nahbare Trendsetter

Ihr Plauderton und die angesprochenen Themen, die alle beschäftigen, machen die 54-Jährige aus Flensburg nahbar. Ebenso zugänglich ist ihr Stil: eine Mischung aus Pullovern und Mänteln von günstigeren Bekleidungsmarken wie H&M und Zara, sowie Accessoires von Luxushäusern wie Chanel oder Celine – stets gepflegt, aber nicht unmachbar. So übersetzt sie Modetrends in tragbare und erschwingliche Outfits für Frauen ihres Alters.

Und so könnte sich vielleicht ihre mittlerweile stolze Followerzahl von 577.000 auf Instagram erklären. Seit der Pandemie nahm vor allem die Altersgruppe ab 45 Jahren bei ihren Followern stark zu. Früher unterschied sich die Anzahl ihrer Follower zwischen den Altersgruppen ab 35 Jahren und ab 45 Jahren nur um 2 bis 3 Prozent. Jetzt beträgt der Anteil der 35- bis 44-Jährigen etwa 24 Prozent, und der 45- bis 54-Jährigen 37 Prozent.

Sie merkt, dass Frauen, die aktiver auf den Sozialen Medien geworden sind, auch beginnen über diese einzukaufen. Und sie beobachtet, dass Marken vermehrt mit Influencer:innen zusammenarbeiten, um diese Altersgruppen zu erreichen.

„Ältere Frauen sind früher in den Laden gegangen, aber hatten dann mit der Pandemie keine Wahl außer online einzukaufen“, erzählt Hoffmann, die in Modeboutiquen und für Onlineshops gearbeitet hat bevor sie sich als Content Creatorin selbstständig machte. „Die Marken haben ihre Onlineshops ausgebaut, früher waren es fast wie Webseiten, nur zum zeigen, dass man einen Internetauftritt hat. Jetzt sind es große Onlineshops geworden.”

Wie werden sich Modetrends bilden?

Bei der Generation der Großeltern, die mit ihren Enkeln chatten, hat sich die Facebooknutzung seit der Pandemie verdoppelt, stellt Ulla Ertelt, die Geschäftsführerin des Frankfurter Marktforschungsunternehmens HML Modemarketing fest.

Laut ihren Untersuchungen sei vor der Pandemie kaum eine Frau über 30 Jahren auf Instagram aktiv gewesen, über 70 Prozent des Marktes habe sich gar nicht mit der Plattform beschäftigt. Denn die Menschen unter 30 Jahren geben nicht so viel für Mode aus, wie gemeinhin angenommen; es sind die über 50-Jährigen, die mehr als 50 Prozent des deutschen Modemarktes ausmachen.

Interessante Entwicklungen bei der Nutzung Sozialer Medien, Erhebung von HML Modemarketing Januar 2021:

  • Bei den 50- bis 69-jährigen Frauen gibt es mittlerweile eine 46-prozentige Facebook-Nutzung. Sie ist damit genauso hoch wie bei den 14- bis 19-Jährigen. Das ist stark gewachsen während der Pandemie.
  • Videokanäle wie Youtube werden von rund 25 Prozent der 50 bis 69-Jährigen Frauen genutzt.
  • Gewachsen ist auch die Nutzung der Instagram-Bildnetzwerke. Bei den 30- bis 49-Jährigen liegt sie bei 29 Prozent, bei den 50- bis 69-Jährigen bei 24 Prozent. Bei den über 70-Jährigen sogar bei über 10 Prozent.

Aber Soziale Medien wie Facebook, Instagram oder Tiktok haben nicht nur Potential als Werbe- oder Verkaufskanal für ältere Zielgruppen. Es geht auch um etwas grundlegendes: die Bildung von Modetrends – wo werden sich die Altersgruppen, die traditionell viel für Bekleidung ausgeben, nun über Mode informieren?

„Die alte Einheit der Kommunikation von Fashiontrends ist durch Corona gebrochen worden. Jetzt wird es ganz spannend, wie diese zersprengten, inselförmigen Informationen Trends auslösen”, sagt Ertelt. „Man muss abwarten, welche Influencer sich für die wesentlichen Teile der Märkte, die tatsächlich Umsatz generieren, entwickeln werden.”

Steigende Kaufbereitschaft über Soziale Medien

Mehr Influencer ab 40 Jahren sind seit der Pandemie aktiv und haben teils schon rasante Umsatzsteigerungen generiert, beobachtet das US-amerikanische E-Commerce-Unternehmen LTK. LTK ist bekannt für seine App Liketoknowit, über die Menschen Kleidungsstücke, die in den Looks von Influencer:innen verlinkt sind, direkt kaufen können. Wenn ein verlinktes Kleidungsstück gekauft wird, bekommen Content Creators eine Kommission ausgezahlt.

Seit Ende 2019 bis September 2021 konnten Influencerinnen ab 40 Jahren Umsatzsteigerungen zwischen 70 und 960 Prozent erzielen, beobachtet LTK. Ein Beispiel ist die Modebloggerin Natasha Gibson. Etwa die Hälfte ihres Publikums ist zwischen 45 und 64 Jahren alt, ein Fünftel zwischen 35 und 44 Jahren und 15 Prozent mehr als 64 Jahre.

„Ich verzeichne bei meinen Zuschauenden seit der Pandemie ein erhöhtes Bedürfnis nach Online-Shopping-Inspiration, und die Conversion Rate ist überdurchschnittlich hoch”, erzählt Gibson. Außer auf LTK ist sie aber vor allem bekannt über ihre Styling-Videos auf Youtube, wo sie 141.000 Abonnent:innen zählt.

Ihre Schweizer Kollegin Audrey Bible merkt aber auch, dass gerade ältere Frauen noch zögerlich sind. „Ich verlinke nur über LTK. Es gibt sicher viele bei den Älteren, die nur schauen. Gerade die Älteren zögern noch, wenn es darum geht, eine App herunterzuladen”, sagt Bible. Die Anzahl ihrer Follower auf Instagram hat sich seit Beginn der Pandemie, von 3000 bis 13.400, mehr als vervierfacht.

„Ich bin dieses Jahr 40 geworden. Mein Kaufverhalten ändert sich und ich tendiere mehr dazu Älteren zu folgen und entferne mich von den 25-Jährigen. Es gibt auch einen Zuwachs an 35 bis 40-Jährigen, die auf Social Media mehr aktiv sind”, erklärt sich Bible den starken Zuwachs bei ihren Followern.

Bild: Screenshot mit freundlicher Genehmigung von LTK

LTK hat seit der Pandemie einen Anstieg an Bewerbungen für seine Plattform erhalten und darunter auch mehr von Content Creators über 40 Jahren. Das hat auch die Anzahl der Inhalte um 60 Prozent zu vorher gesteigert. Auch im deutschsprachigen Raum lief das Geschäft entsprechend gut. Der Umsatz in der DACH-Region ist zwischen 2020 und 2021 um 20 Prozent gestiegen.

Nicht erst seit der Pandemie

Die Tendenz zur höheren Nutzung Sozialer Medien unter reifen Frauen zeichnete sich bereits vor der Pandemie ab. Bereits ab 2019 hat die Video-Bloggerin Natasha Gibson ältere Follower hinzugewonnen, als sie begann mehr unterhaltsame Styling-Tipps, Typ- und Farbberatung zu posten.

Auch das Modeunternehmen Gerry Weber führt den Anstieg seiner Follower nicht nur auf die Pandemie zurück. „Ich denke hier kommen einige Dinge zusammen”, sagt Verena Kleinohl, Director Marketing & Brand Communication. Dazu gehören der Megatrend Digitalisierung, das generelle Wachstum der Zielgruppen auf den sozialen Medien, gepaart mit den Herausforderungen des stationären Handels während der Pandemie. Gerry Weber merkt auch, dass Stylingtipps und Kombinationsmöglichkeiten gut ankommen und Frauen helfen, sich im Onlineshop zu orientieren.

„Diese Themen möchten wir noch weiter ausbauen und unseren Content noch kundenorientierter und inspirierender gestalten”, sagt Kleinohl. Auch das von Mitarbeitenden moderierte Liveshopping kam gut an.

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