Berlin Fashion Week: Die Designer halten noch die Stange
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Die Berliner Modewoche ging vergangene Woche relativ entspannt über die Bühne. Mancher Taxifahrer wunderte sich „Schon wieder Fashion Week? Hat man gar nichts von mitbekommen, diesmal“. Nun gut, vielleicht kein Gradmesser, der Herr. Aber dass die Anzahl der Schauen schrumpft, die internationalen Highlights ausbleiben und die „Woche“ im Titel eigentlich nicht mehr rechtfertigbar ist, ist kaum zu leugnen. Wie bei alldem dennoch Schauen gleichzeitig stattfinden können (William Fan und Kilian Kerner!) bleibt organisatorisch rätselhaft. Die Designer jedenfalls halten der Berliner Modewoche nach wie vor die Stange.
Odeeh: Workwear meets Brokatstoffe
Den Auftakt machten am vergangenen Montagabend die Designer von Odeeh. Das Modelabel von Jörg Ehrlich und Otto Drögsler ist eine feste Größe der Berliner Modewoche und enttäuscht auch diesmal nicht. Die Models formieren sich hinter dem schweren Metallvorhang der Bühne der Berliner Festspiele - allerdings verkehrt herum. Das Publikum sitzt auf der Bühne, die Armee von Models steht zwischen den Sitzreihen. Die Kollektion selbst ist ein Potpourri an Farben und Mustern und ein wilder, aber stimmiger Materialmix.
Ivanman: Sportlich ins neue Jahr
Wie der Designer selbst, so hat auch die Kollektion von Ivanman eine sportliche Wendung genommen. Das Menswearlabel zeichnet sich durch klare Strukturen und Formen aus und schreckt auch vor Farben nicht zurück. In vergangenen Kollektionen wurden Bauhaus-Einflüsse und Uniformen zitiert, in dieser waren Inspirationen aus dem Lauf- und Radsport klar zu erkennen. Schade nur, dass es nicht für die große Bühne gereicht hat. Die Showcase-Format in der Loungeseite der Venue war äußerst zuschauerunfreundlich.
Lou de Betoly: Luxus trifft Recycling
Die erste eigene Laufsteg-Modenschau zeigte Odély Teboul, die früher eine Hälfte des Designerduos Augustin Teboul ausmachte, unter ihrem Anagramm Lou de Bètoly. Die Kollektion mit dem Titel „Eaux-Fortes“ vereinte zum Teil wiederaufbereitete Materialien wie Cashmere, Plastik, Angora und Nylon-Stretch- Elemente und bewies so, dass Luxus und Recycling sehr wohl zusammen gehen. Die patchwork-artigen Arrangements, die in liebevoller Handarbeit hergestellt werden, nennt die Designerin „Ethno Dada“.
William Fan: Evergreens auf der Bühne
Eine starke Kollektion zeigte William Fan. In seiner typischen Handschrift gab es bei der Kollektion mit dem Titel „It’s Your Time To Shine“, die passenderweise in der Karaokebar „Knutschfleck“ gezeigt wurde, jede Menge Glanzstücke zu sehen. Die Models stiegen in Paillettenoutfits erst auf die Bühne der Bar, anschließend führte der Laufsteg über deren Tresen. Die Inspiration entspringt tatsächlich einer Karaokebar, allerdings in Hong Kong. Die bunte Mischung derer, die das abendliche Ritual anzieht, darunter auch ernste Anzugträger und heimliche Showtalente, bringt Fan mit Hilfe von Animal Prints, Cocktailkleidern und Cordstoffen zum Ausdruck.
Dawid Tomaszewski: Feiern, bis die Polizei kommt
Mit der Herbst/Winter 19/20 Kollektion "Colour Screens" feierte Dawid Tomaszewski sein 10-jähriges Bestehen als Marke. Da die Aftershowparty nach der Präsentation der Mode nicht angemeldet war, rückte um 22.30 die Polizei an. Die gezeigte Kollektion „Color Screens“ feierte Bauhaus-Anklänge, Muster und Farbkombinationen. Seide, Pailletten, aufwendige Drucke und Applikationen rundeten die Kollektion ab.
Marina Hoermanseder: Volle Breitseite 90er Jahre
Die dezenten Klänge sind nicht so ihre Sache. Marina Hoermanseder setzt in ihrer Kollektion “Hi, nineties!“ lieber auf knallige Farben, klare Ansagen und die volle Breitseite 90er Jahre. Von Peggy Bundy aus der Sitcom „Eine schrecklich nette Familie“, die als Spirit Animal über die Kollektion wachte, über Cowgirl-Inspirationen bis hin zu einem Rollergirl-Intermezzo war alles dabei, was 90er-Nostalgie erweckt. Die Fans der Designerin werden es sicherlich feiern. Dass hinter der Kollektion Team-Effort steckt, wurde beim Finale der Show deutlich. Dort teilte Hoermanseder das Rampenlicht mit ihren Mitarbeitern - ein feiner Zug.
Bilder: Odeeh: Instragram, Lou de Bétoly: Trevor Good, Ivanman: Ivanman, William Fan: Rachel Israela, Dawid Tomaszewski: Andreas Rentz (Getty) , Marina Hoermanseder: Stefan Kraul