Berliner Upcycling-Label MOOT: „Wir suchen und finden den Kontakt in die Mitte der Gesellschaft”
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Das Berliner Label MOOT, kurz für Made Out Of Trash, setzt auf Upcycling, also auf die vollständige Wiederverwendung bereits produzierter Textilien. Die Re-Design-Produkte werden in Berlin hergestellt, sie bestehen zu 100 Prozent aus entsorgten Textilien, sind aber nicht nur tragbar, sondern auch trendy. Das Upcycling ist wohl die nachhaltigste Art, in der heutigen Zeit noch neue Kleidung zu produzieren. Daneben legt MOOT auch Wert auf vollständige Preistransparenz – wie sich der Verkaufspreis jedes Kleidungsstücks zusammensetzt, wird im Onlineshop präzise aufgeschlüsselt.
Im Gespräch erzählt Mitgründer Michael Pfeifer, wie das Label Upcycling-Mode massentauglich macht und was ein Concept Store im Berliner Ostbahnhof damit zu tun hat.
Können Sie uns erklären, wie es zur Gründung von MOOT kam?
Der Gründungsprozess von MOOT hat mehrere Schritte durchlaufen. Im Sommer 2019 haben mein Co-Gründer Nils Neubauer und ich während eines gemeinsamen Urlaubs zum ersten Mal über das philosophiert, was heute nun MOOT heißt. Während seiner Ausbildung zum Modedesigner am Lette-Verein Berlin mit Abschluss im Juli 2020 wurde für Nils schnell klar, dass ein "Weiter so" in der Modeindustrie nicht mehr tragbar ist.
Warum?
Kleidung ist für viele zu einer Wegwerf- und Einwegware geworden. Nils wollte und will kein Teil davon sein. Im gleichen Atemzug hatte er mir damals erzählt, dass er aus bereits bestehenden Materialien “neue” Kleidung produziert – also Upcycling betrieben hat. Als Betriebswirt wusste ich zwar wenig über Upcycling, dafür aber umso mehr über Finanzen und Geschäftsmodelle. Nils’ Überzeugung, die Modeindustrie nachhaltiger zu gestalten und Upcycling massentauglich zu machen, begeisterte mich direkt. Im Frühjahr 2020 wurde aus der Urlaubsidee zweier, bester Freunde dann die MOOT GbR. Seit April dieses Jahres firmieren wir als MOOT Upcycling GmbH.
Sie haben Ihr Unternehmen im April 2020, als die erste Covid-Welle die Welt fest im Griff hatte, gegründet. Wie würden Sie als Betriebswirt die vergangenen zweieinhalb Jahre beschreiben?
Die Idee zu MOOT entstand natürlich schon vorher, aber der Zeitpunkt der Unternehmensgründung war wirklich herausfordernd. Eine Woche nach Unternehmensgründung standen wir aufgrund des Lockdowns in Deutschland erstmal ohne Textillieferanten da. Doch wir haben Lösungen gefunden, um diese Herausforderung zu meistern und sind gestärkt aus der ersten Phase der Krise gekommen. Seitdem kamen mehrere Corona-Wellen und Lockdowns; jetzt gibt es Krieg in der Ukraine und eine hohe Inflation.
Rückblickend haben wir in eine sehr schwierige Zeit hinein gegründet, aber wir haben bisher jede Herausforderung lösen können. Keiner von uns hat eine Glaskugel, aber wir haben bei MOOT trotzdem einen klaren Plan, wie wir weiter wachsen und Upcycling massentauglich machen wollen. Besonders wenn man die bisherigen Rahmenbedingungen berücksichtigt, bin ich sehr zufrieden mit unserer Entwicklung.
Mit einem T-Shirt aus alter Bettwäsche fing alles an. Inzwischen verkaufen Sie mehr als zehn Produkte vom Mantel bis zum Gürtel über den eigenen Online-Shop. Auf welche Produktkategorie setzen Sie als Nächstes?
Wir sind extrem stolz auf die rasche Ausweitung unseres Produktportfolios. Nachdem wir in letzter Zeit viele neue Produkte herausgebracht haben, arbeiten wir derzeit an neuen Schnitten. Dieses Jahr werden wir allerdings noch zwei bis drei weitere Produktkategorien für die Winterzeit launchen. Details zu den neuen Produkten kann ich jetzt allerdings noch nicht preisgeben.
Zum Online-Shop kam noch ein Concept Store im Berliner Ostbahnhof dazu. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn?
Anhand des Concept Stores im Berliner Ostbahnhof und der Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn erkennt man sehr gut, dass MOOT kein herkömmliches Modelabel ist. Wir suchen und finden den Kontakt in die Mitte der Gesellschaft – und welcher Ort steht für die Mitte der Gesellschaft so exemplarisch wie ein Bahnhof? Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn begann, nachdem wir das Startup-Programm, die “DB mindbox”, gewonnen haben. Aus dem Wettbewerb heraus hat sich mittlerweile auch eine tolle Partnerschaft mit der Bahn entwickelt, die weit über den Ladenbetrieb hinausgeht; zum Beispiel waren wir gemeinsam mit der Deutschen Bahn auf dem Greentech Festival und bieten unsere Produkte im Bahnshop an.
Wie hat der direkte Kontakt zu Kund:innen Sie beeinflusst?
Der direkte Kundenkontakt im Concept Store – vor allem über alle Gesellschaftsgruppen hinweg – ist für uns extrem wertvoll. Aufgrund des direkten Feedbacks haben wir nun einen weiteren Schnitt für einige unserer Produkte herausgebracht. Wären wir rein online unterwegs, wäre dieses Feedback nicht so einfach zu bekommen.
Das Konzept von MOOT beruht auf dem Upcycling von Textilien. Wie bewerten Sie den Modestandort Deutschland hinsichtlich Nachhaltigkeit und Zirkularität?
Die Modeindustrie ist und – wenn sie sich nicht radikal ändert – bleibt eine der dreckigsten Industrien in Deutschland. Wir begrüßen, dass sich mittlerweile immer mehr Modeunternehmen mit Nachhaltigkeit und Zirkularität auseinandersetzen, jedoch vermisse ich hier die letzte Entschlossenheit.
Was muss noch passieren?
Da die Begriffe “nachhaltig” und leider auch “Upcycling” schon fast inflationär genutzt werden, habe ich die Sorge, dass vieles mehr Greenwashing als wirkliche Innovation ist. Bisher sehe ich extrem wenig Labels, die sich mit Post-Consumer Waste beschäftigen. Diese Entschlossenheit vermisse ich übrigens auch auf der anderen Seite des Ökosystems: Nachhaltigkeit und Zirkularität müssen deutlich stärkere Kriterien zu Grunde gelegt werden, wenn öffentliche Fördergelder und -programme vergeben werden. Es ist noch viel zu tun, um die Modebranche nachhaltig und kreislauffähig zu gestalten.