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Bunte Stoffe, grüne Inseln: Harris-Tweed belebt die Hebriden

Von DPA

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Harris-Tweed-Weber Ian Mackay arbeitet an seinem pedalbetriebenen Webstuhl in seinem Webschuppen in Shawbost auf der Isle Of Lewis. Foto: Andy Buchanan / AFP

Die Äußeren Hebriden kennt wohl kaum jemand in Deutschland - aber was dort hergestellt wird, ist weltbekannt. Harris-Tweed heißt der Stoff, der die schottischen Inseln zusammenhält. Das Garn ist nicht nur wirtschaftlich von Bedeutung. Ein Besuch.

Nicht einmal eine Sekunde lang darf Iain Martin den Blick abwenden. Sonst müsste er bei seinem filigranen Handwerk wohl von vorne anfangen. Sorgfalt und Genauigkeit sind gefragt, wenn Martin in seiner kleinen Werkstatt die Spindel einlegt. Faden für Faden webt er ein, und langsam entstehen die charakteristischen bunten Karos, für die Martins Heimat bekannt ist: Harris-Tweed. Für die Äußeren Hebriden, einen Archipel im äußersten Nordwesten Großbritanniens, ist es mehr als ein Stoff. Harris-Tweed treibt die Wirtschaft auf den schottischen Inseln an und hält die Gesellschaft in der abgelegenen Region zusammen.

Knapp zwei Millionen Meter Stoff stellen die Äußeren Hebriden jedes Jahr her. «Das fühlt sich gut und richtig an», erzählt Lorna Macaulay, die Chefin des Branchenverbands Harris Tweed Authority (HTA). Denn die Umstände setzen dem Geschäft Grenzen. Nur solcher Stoff darf sich Harris-Tweed nennen, der im Haus eines Webers aus reiner Schurwolle gewoben sowie auf den Äußeren Hebriden gefärbt und versponnen wurde. So hat es das britische Parlament 1993 per Gesetz festgelegt. Ob in Stornoway oder eine halbe Fahrtstunde weiter bei Iain Martin: Sie sind stolz auf dieses Alleinstellungsmerkmal. Der Verband prüft die Herstellung und bestätigt die Echtheit, indem das Markenzeichen, ein Reichsapfel, aufgedruckt wird.

Die meisten der insgesamt 200 Weber arbeiten im Auftrag von Fabriken, die ebenfalls auf den Äußeren Hebriden ihren Sitz haben. Aber Iain Martin und ein paar Dutzend andere sind ihre eigenen Chefs. Die Pandemie hat sein Geschäft angetrieben, berichtet Martin - 20 Prozent Plus in den vergangenen zwei Jahren. Vor allem viele junge Leute würden nun seinen Tweed kaufen. «Sie haben während der Lockdowns ihre Fähigkeiten entdeckt, mit Nähmaschinen etwas Eigenes herzustellen. Vor allem, wenn es etwas Bleibendes ist.» Das sieht auch der Verband so: «Der Weltmarkt hat sich entschleunigt. Handarbeit, Expertise und Genauigkeit werden anerkannt», sagt HTA-Chefin Macaulay. In Zeiten, in denen viele Menschen Stoff wahllos im Internet bestellen und nie erfahren, wo er wie hergestellt wurde, setzen die Hebriden auf Individualität.

Auch die drei Fabriken - wörtlich die Mühlen (mills) - hätten ihren Ausstoß deutlich um bis zu 40 Prozent erhöht, erzählt Martin. Doch das bringt Probleme mit sich. Normalerweise erhalte er seinen verarbeiteten Stoff nach drei Wochen zurück. «Dieses Jahr haben wir Verspätungen von bis zu sechs Monaten», klagt der Weber. «Das bereitet uns Unabhängigen erhebliche Kopfschmerzen.» Denn wenn er keinen Stoff verschicken kann, bekommt er auch kein Geld.

Deutschland ist wichtiger Markt für Harris-Tweed

Harris-Tweed ist weltweit bekannt und begehrt. Deutschland ist seit jeher ein wichtiger Markt, wie Verbandschefin Macaulay bei dem Gespräch in der Inselhauptstadt berichtet. Möglicherweise auch deshalb, weil Millionen Deutsche die charakteristischen Vierecke etwa aus Rosamunde-Pilcher-Filmen kennen. Doch auch Modeikone Vivienne Westwood, die den Stoff erstmals 1987 für eine Kollektion nutzte, und der Modeartikelgigant Nike, der den Hebriden 2004 einen Großauftrag bescherte, haben zum Aufstieg von Harris-Tweed beigetragen.

Hoch und Tief des Harris-Tweeds

Denn der Stoff hat schwere Jahre hinter sich her. Mitte der 1960er Jahre wurde noch fast das Vierfache der heutigen Produktion hergestellt. «Jedes Haus dürfte eine Verbindung zu unserem Wirtschaftszweig gehabt haben», sagt die Verbandschefin. Doch bis 2009 sank die Menge auf ein historisches Tief von nur noch 450 000 Metern. Die Massenproduktion nennt Martin als Hauptübel. Nicht nur der besondere Tweed habe gelitten, sondern die Industrie weltweit.

Längst hat sich die Branche auf die neuen Anforderungen eingestellt. «Accessoires, Einrichtungsgegenstände, Heimtextilien, Polstermöbel - all diese Dinge sind in Europa wieder stark nachgefragt», sagt Macaulay. Eine Menge Stoff werde für Tablet-Schutzhüllen und Laptop-Taschen benutzt. «Es sind neue, jüngere Märkte im Vergleich zu denen, die wir traditionell im Blick hatten», erzählt sie.

Mit diesem Rückenwind will die Branche auch eine andere Rolle erfüllen: ein Pfeiler der Gesellschaft zu sein. War die Herstellung von Harris Tweed einst anstrengend und schlecht bezahlt, finden hier nun auch junge Leute gute Arbeit und Löhne. Die Abwanderung konnte gestoppt werden - und damit auch ein Aderlass der Inseln mit ihren 26 500 Einwohnern. Die Weber leben fast ausschließlich außerhalb des Hauptorts. «Müssten sie auf der Suche nach Arbeit nach Stornoway kommen, würden die Dörfer aussterben, würden die Dorfschulen schließen, würden die Dorfläden schließen», sagt Macaulay.

Vom Tweed-Boom profitiert vor allem die Hauptinsel Lewis and Harris. Sie ist das wirtschaftliche Zentrum des Archipels, hier stehen die Fabriken, hier wohnen mit Abstand die meisten Menschen. Bis in die 1980er Jahre kam der Stoff auch noch von anderen Inseln, etwa von Uist. Doch auch Topographie und Wetter erschwerten den Transport - denn die dafür nötigen Fähren können nicht immer fahren. Nun liegt die Produktion fast brach. Mit Uist Wool ist noch eine Fabrik übrig. Hergestellt wird aber längst nicht mehr für den Weltmarkt, sondern nur noch für den Eigenbedarf.(dpa)

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