CEO Havaianas: 'Von Fuß bis Kopf gekleidet'
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„Ein Freund bat mich einmal, ein Paar Havaianas aus Brasilien mitzubringen, und ich erinnere mich, dass ich überrascht nachfragte: ‚Was, du willst, dass ich Dir ein Paar Plastiklatschen aus Brasilien mitbringe?’ Aber als ich dort hinzog, kapierte ich, wie weit ich mich über den Einfluss dieser Marke geirrt hatte“, erzählt Guillaume Prou, Präsident und CEO von Havaianas EMEA (Europe, Middle East, and Africa) mit einem Lachen, als er seine ehemalige Vorstellung der Brand Revue passieren lässt. Die Marke aus Brasilien hat aber auch eine wirklich beachtliche Entwicklung hingelegt seit der Lancierung ihres ersten Flip-Flops vor 55 Jahren.
Seither ist die Marke zu einer international bekannten geworden, die ikonisch für die Zelebrierung des Carioca Lifestyles steht. Am besten bekannt ist Havaianas wohl für seine bunten Schuhe, aber seit kurzem gibt es auch Bademoden, Bekleidung und Accessoires von den Brasilianern. Außerdem ist derzeit der Europa-Rollout in vollem Gange. Am 26. Juli soll der erste Store in Deutschland eröffnen – auf der Kurfürstendamm in Berlin.
„Die Kunden haben Lust auf mehr von Havaianas”
“Wir sagen ‚von Fuß bis Kopf’, nicht anders herum, weil wir mit einem einfachen Flip-Flop angefangen haben“, so Prou, den FashionUnited im Conservatorium Hotel in Amsterdam traf. Aber er erinnert sich auch an eine Zeit, zu der es nicht angemessen gewesen wäre, in solch einer Umgebung Flip-Flops zu tragen. „Ich habe eine gute Geschichte auf Lager, die den brasilianischen Blick auf Havaianas gut veranschaulicht. Ich arbeitete für L’Oreal in Brasilien während der Wirtschaftsboom-Jahre, zwischen 2004 und 2009. Ich erinnere mich, dass ich eines Tages Lunch hatte mit einem brasilianischen Kollegen und man sich über ihr Outfit belustigte. Hast Du gesehen, was sie heute anhat? Wer trägt denn so etwas zur Arbeit? Also sehe ich mir das Outfit der Dame an und sie trägt weiße Havaianas.“
Fast-forward ins Jahr 2017, als Prou seine ehemaligen Kollegen im Büro besucht: „ich schwöre, ich sah mindestens fünf Mädchen mit Havaianas Luna Sandalen und Flip-Flops und keiner sagte verlor nur einen Gedanken darüber. Zwölf Jahre später haben die Brasilianer eine völlig veränderte Wahrnehmung der Marke Havaianas.“ Doch nicht nur die Brasilianer haben ihre Meinung zu Havaianas geändert. Auf der ganzen Welt tragen mehr und mehr Kunden die Marke: „Kunden kommen in den Laden und fragen, ob sie die Shirts unserer Verkaufsangestellten kaufen können“, sagt Prou. „Ich denke, die Kunden haben Lust auf mehr von Havaianas – ein Komplett-Look von Flip-Flops über Board-Shorts bis hin zum T-Shirt.“
Nachdem der Testballon mit Bekleidung im Heimatmarkt Brasilien erfolgreich war, folgte eine Belieferung von fünf eigenen Läden in Portugal und Italien mit der Kollektion. Andere europäische Länder sollen folgen: „Momentan testen wir Bekleidung in Europa und nutzen die Stores als Schaufenster, um zu sehen, was hier funktioniert und wie Havaianas als Lifestyle-Brand für den Sommer ausgebaut werden kann.“ Prou glaubt, dass die aktuelle Kleidungskollektion das Sortiment von Havaianas gut ergänzt. Allerdings bildet die Saisonaliät besonders in Europa noch immer ein Problem: “Wir müssen noch ein bisschen an unserer Kollektion arbeiten, den Schnitt anpassen und besser auf die Bedürfnisse der europäischen Kunden eingehen. Wir wollen größer werden.“
“Man muss seinen Markt mit der richtigen Innovation füttern, den Kunden mit Neuheiten überraschen”
Um größer zu werden, muss Havaianas seine Kunden weiterhin locken. Deshalb investiert die brasilianische Brand in Produkt- und Retail-Innovationen. „Man muss seinen Markt mit der richtigen Innovation füttern, den Kunden mit Neuheiten überraschen. Zum Beispiel hat Havaianas zusammen Safilo eine Sonnenbrillen-Kollektion entworfen. „Ich finde, dass Safilo wirklich die Brand-DNA be- und aufgriffen hat. Das zeigt sich in den Details.“ So verfügt die Sonnenbrille über den für Havaianas typischen ‚Rubber-touch’, ebenso wie ein erhöhtes Logo und die Flagge in leuchtenden Sommerfarben. Die Kollektion wurde im Frühling in den Havaians-Läden gelauncht und kam gut an: „Die Leute waren überrascht und sie mochten es.“
Außerdem versucht die Marke, seine Kunden auch nach 55 Jahren noch im Schuhsegment zu überraschen, auch wenn sie für das wohl simpelste Schuhwerk bekannt ist. „In Sachen Produktinnovation haben wir uns umgesehen und versucht, andere Schuhmodelle auf unsere Weise zu überarbeiten, so zum Beispiel den Espadrille.“ Den klassischen Sommerschuh hat Havaianas mit der typischen Gummisohle versehen, auch das kam gut an. Sandalen wie die Modelle Luna, Freedom und Allure haben ebenfalls Fans gewonnen, insbesondere wegen des Einsatzes von verschiedenen Materialien wie Öko-Leder. „Ich mag die Kombination von traditioneller Form mit Gummisohle, das ist sehr klar die Formsprache von Havaianas. So kreiert man ein Produkt, das einzigartige und bequem ist und zugleich funktional.“
Retail-Location ist aber ebenso wichtig, wie Produktinnovation: „EMEA ist das Zuhause der wichtigsten Modewochen der Welt, es verfügt über wichtige Metropolen wie London, Paris, Rom, Berlin… das alles sind Arenen internationalen Einflusses für die Brand. Es ist für uns und jede Marke immens wichtig, hier zu sein“, sagt Prou. Neben Stores in London, Paris und Rom folgt deshalb nun der Store in Berlin: „Wir freuen uns sehr, in Deutschland vertreten zu sein. Das ist Teil unserer Strategie. Wenn man dem Kunden die ganze Breite des Sortiments zeigen will, ist ein eigener Laden eben das beste. Dort kann man den ganzen Regenbogen an Farben präsentieren, all unsere Prints und Produktsegmente.”
“Das Vereinigte Königreich ist unser zweitgrößter Markt in EMEA, auch wenn es angesichts des Wetters schwer zu glauben ist”
Havaianas plant, die Anzahl seiner eigenen Stores und Franchises in den kommenden Jahren auf 200 zu erhöhen, und will in allen wichtigen Städten in Europa und dem Mittleren Osten vertreten sein. In Europa sind die größten Absatzmärkte von Havaianas Portugal, Italien, Spanien, aufgrund des Wetters, aber überraschenderweise auch das Vereinigte Königreich: “Das Vereinigte Königreich ist unser zweitgrößter Markt in EMEA, auch wenn es angesichts des Wetters schwer zu glauben ist” Dieser Umstand ist dem starken Vertriebssystem dort geschuldet: „Wenn man mit großen Playern wie Office, Schuh oder JD zusammenarbeitet, bekommt man automatisch eine gute Bekanntheit im Markt.“ Weitere Schlüsselmärkte sind Dubai, Saudi Arabien und Israel: „Man muss nur durch die Straßen von Tel Aviv gehen, um zu sehen, um zu sehen, wie groß wir dort sind. Durchschnittlich findet man alle 50 Meter ein Paar Havaianas in einem Laden. Das ist auch mein Traum für den Rest Europas”, fügt Prou mit einem Lächeln hinzu.
In Afrika wächst die Marke ebenfalls beständig. „Afrika ist für uns kein jungfräuliches Territorium, aber wir sind dort immer noch recht neu. Es ist ein großes Stück in unserem Puzzle, aber wir müssen uns erst einmal gut aufstellen, bevor wir weiter wachsen.“
“Eine der größten Herausforderungen in Europa ist der Retail-Standort”
"Eine der größten Herausforderungen in Europa ist der Retail-Standort. Wir sind eine hauptsächlich im Sommer aufgestellte Brand, die für ihre Flip-Flops bekannt ist. Das ist ein Produkt, das oft impulsiv gekauft wird. Deshalb ist es für uns wichtig, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Zum Beispiel wollen wir die Kunden mit ausgefallenen Locations überraschen, beispielsweise an Bahnhöfen. Aus kommerzieller Sicht laufen diese Standorte, zum Beispiel in Italien sehr gut für uns.“
Havaianas ist sich aber bewusst darüber, dass Shopping-Gewohnheiten sich in europäischen Ländern unterscheiden. Andernorts liefen Läden in Bahnhöfen gar nicht, merkt Prou an. „Aber wenn man den richtigen Ort zur richtigen Zeit findet, verkaufen wir unsere Produkte wie Eiscreme. Man plant seinen Eiscreme-Kauf nicht unbedingt, aber wenn man den Eicreme-Verkäufer sieht, kauft man. So ist es auch mit Flip-Flops.“
Fotos: Havaianas