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Community statt Engelsflügel: Ehemalige Mitarbeiterin von Victoria’s Secret baut eigenes Multi-Millionen-Dollar-Dessous-Geschäft auf

Von Jackie Mallon

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Mode

Foto: WeAreLively.com

Michelle Cordeiro Grant gründete 2015 praktisch über Nacht ihre Direct-to-Consumer-Marke für Unterwäsche Lively. Als langjährige Mitarbeiterin von Victoria's Secret, deren weltweiter Erfolg auf Exklusivität, unerreichbaren Schönheitsidealen und Männerfantasien beruhte, wollte sie die Dinge anders machen. Ihr Produkt feiert Komfort, Community und Inklusion. Während der Erfolg von Victoria's Secret einbrach und das Image der "Engel" in der Bedeutungslosigkeit versank, wuchs und gedieh ihr Unternehmen. 2019 verkaufte Cordeiro Grant Lively für 105 Millionen US-Dollar (98,64 Millionen Euro) an das japanische Dessous-Unternehmen Wacoal.

„Ich gründete Lively, da ich die Notwendigkeit für eine Marke sah, die die Einzigartigkeit des Menschen in den Mittelpunkt stellt, Produkte anbietet, die sich unserem Körper anpassen und nicht umgekehrt, und die soziale Medien nutzt, um direkt mit den Kund:innen in Kontakt zu treten", so Cordero Grant gegenüber FashionUnited. Im Gegensatz zu den mit Edelsteinen besetzten, mit Bügeln versehenen Push-up Dessous von Victoria's Secret, schuf sie eine neue Kategorie namens Leisurée. Eine Mischung aus Lingerie und Athleisure, die es Frauen ermöglichen soll, sich in ihrem Alltag selbstbewusst zu fühlen, ohne Kompromisse bei Funktion oder Mode einzugehen.

Markenbotschafter:innen statt Engel

Anfänglich wurde das Wachstum von Lively durch eine ganze Armee von Online-Markenbotschafter:innen angekurbelt. Es waren echte Menschen, die das Produkt auf natürliche Art und Weise präsentieren, keine Parade von idealisierten Supermodels auf einem glitzernden Laufsteg. Das Unternehmen begann mit 100 Botschafter:innen und einer E-Mail-Kampagne zur Weiterempfehlung an Freund:innen. „Wir wussten vom ersten Tag an, dass wir einen gemeinschaftsorientierten Ansatz verfolgen würden, also veranstalteten wir Events, um Menschen zusammenzubringen und eine Verbindung über gemeinsame Interessen und Leidenschaften aufzubauen", sagt Cordeiro Grant. „Bereits 48 Stunden nach dem Start haben wir über 100.000 E-Mails erhalten, und nach etwas mehr als einem Monat haben wir in alle 50 US-Bundesstaaten geliefert."

Der hohe Stellenwert der Gemeinschaft zeigt sich auch in der Wertschätzung des Teams, das sie persönlich ausgewählt hat. „Bei der Rekrutierung war ich sehr strategisch darauf bedacht, Leute einzustellen, von denen ich überzeugt war, dass sie eine natürliche Neugierde haben, zu lernen und mit der Marke zu wachsen", sagt sie. „Ich habe mich nicht unbedingt auf Lebensläufe mit der höchsten Ausbildung oder den größten Auszeichnungen konzentriert. Das hat sich für mich in hohem Maße ausgezahlt. Ich habe dieses unglaubliche Team aufgebaut, das klein, aber wendig ist und sich dem Klima und den Anforderungen unserer Kund:innen anpassen kann. Wir waren schon immer sehr flexibel, und es macht uns Spaß, gemeinsam eine Lösung zu finden."

Foto: WeAreLively.com

Storytelling als Herzstück des Erfolgs der Lingerie-Marke

In der Welt der Unterwäsche ist Kommunikation das Wichtigste. Es ist schwer, BHs und Slips radikal umzugestalten. Daher ist die Geschichte einer Marke und die Art und Weise, wie diese bei den Kund:innen ankommt und sie anspricht, im heutigen Einzelhandelsklima alles. Cordeiro Grant hat das von Anfang an verstanden. Sie lancierte die Marke, bevor sie ein Produkt entwickelt hatte, und bezog ihre Botschafter:innen in die Entscheidungsprozesse, das Produktangebot und das Marketing mit ein, um schließlich Kampagnen um sie herum zu entwickeln. Trotz des Wachstums des Unternehmens und auch nach dem Verkauf ist sie als Gründerin nach wie vor bestrebt, den Kontakt zur Gemeinschaft zu pflegen.

„Wir sagen immer, dass das Botschafter:innenprogramm ein “Geben und Nehmen” ist. Sie teilen uns ihre Leidenschaften und Interessen durch direkte Nachrichten, E-Mails und Umfragen mit, und wir fragen sie, was sie sich für kommende Produkteinführungen, Veranstaltungen und Inhalte wünschen", so Cordeiro Grant. „Dann gehen wir auf diese Interessen ein, indem wir ihnen Gelegenheiten bieten, sich auszutauschen und sich im echten Leben zu vernetzen, Veranstaltungen auszurichten oder von Expert:innen aus bestimmten Branchen zu lernen."

Die von ihr bereits im Vorfeld der Markteinführung in den sozialen Medien ausgelöste Bewegung führte zu einer Flut von Direktnachrichten und Kommentaren von Frauen, die teilhaben wollten. „Frauen mit wilden Herzen und Chefinnen-Gehirnen", sagt Cordeiro Grant. „Sie haben uns buchstäblich geholfen, den Slogan zu finden! Sie entwickelte einen revolutionären Ansatz für die Preisgestaltung: Alle BHs sollten dasselbe kosten, und zwar 45 US-Dollar."

Von Männerfantasien bei Victoria's Secret zur frauenfreundlichen Dessousmarke

Wenn Cordeiro Grant auf ihre Erfahrung als Senior Merchant bei Victoria's Secret von 2008 bis 2012 zurückblickt, sieht sie eine Zeit enormen Wachstums. Sie glaubt, dass alles zusammenkam, um sie dorthin zu bringen, wo sie heute ist. Trotz des angeschlagenen Rufs von Les Wexner lobt Cordeiro Grant seinen Geschäftssinn. „Er weiß, wie man Marken aufbaut. Durch eine wirklich starke Disziplin, die darin besteht, präzise, konsequent und konzentriert zu sein", sagt sie. „Er sprach oft davon, dass der Aufbau einer Marke wie die Produktion eines Films ist. Das hat mich immer fasziniert. Er sagte immer: 'Die Models, die Sie ablichten, das sind Ihre Schauspieler:innen. Und die Worte, die Sie in Ihre Texte schreiben, das ist Ihr Drehbuch. Was für einen Film schreiben Sie?'"

Diese Erfahrung überzeugte sie davon, dass sie sich in diesem Bereich einen neuen Platz erobern konnte, eigentlich war sie sogar gezwungen, dies zu tun. Sie hatte die Macht der markenbezogenen Erzählung verinnerlicht, aber der Film, den sie kreieren wollte, war eher ein Indie-Liebling mit unbekannter Besetzung als ein Big-Budget-Blockbuster mit Gisele Bündchen oder Gigi Hadid in der Hauptrolle. Und das Publikum war begeistert. „Wir sprechen tatsächlich über die Dinge, die wir tun wollen, und wir unterstützen uns gegenseitig dabei, diese verrückten Dinge, unsere Träume, zu verwirklichen", sagt Cordeiro Grant über ihre Community. „Was kann in dieser Welt passieren, wenn Frauen ihr volles Potenzial ausschöpfen, statt in ihrer Komfortzone zu leben?"

Eine Vision für die heutige Zeit

Allerdings muss es sich wohl seltsam anfühlen, wenn man bedenkt, wo Lively jetzt steht, im Gegensatz zu Victoria's Secret. Das Unternehmen steht unter neuer Führung und versucht verzweifelt, seinen Aktienwert zu steigern, sowohl in finanzieller als auch in kultureller Hinsicht. In Anbetracht von Wexners engen Beziehungen zu dem millionenschweren Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und der eisigen Reaktion des Unternehmens auf die Nachfrage der Verbraucher:innen nach Vielfalt in Bezug auf Hautfarbe, Geschlecht und Körperbau mögen manche aus diesem David-und-Goliath-Szenario eine gewisse poetische Gerechtigkeit ableiten. Aber Cordeiro Grant hat dafür keine Zeit.

Aus ihrer Sicht war Victoria's Secret eine Marke, die Wexner mit seiner Vision von dem, was die Welt damals brauchte, aufgebaut hatte. Was er schuf, war über Jahrzehnte hinweg unbestreitbar beliebt. Als sich die Welt zu verändern begann und die Einkaufszentren schlossen, wurden die sozialen Medien zur vorherrschenden Möglichkeit für Marken, direkt mit ihrem Publikum in Kontakt zu treten, aber Victoria's Secret änderte sich nicht und wurde unnahbar. Der Raum öffnete sich für kleinere, unabhängige, mit den sozialen Medien vertraute und von Frauen geführte Marken. Marken wie Lively.

Den Wettbewerb mit ehemaligen Marktriesen, selbst mit dem, für den sie arbeitete und von dem sie lernte, sieht sie nicht, denn ihr Fokus liegt auf dem Kundenerlebnis. Allein in den Vereinigten Staaten wird der Wert des Wäschesektors auf über 13 Milliarden US-Dollar (12,21 Milliarden Euro) geschätzt. Sie ist überzeugt, dass es in diesem Sektor enorme Möglichkeiten gibt, sich weiter zu vergrößern.

„Meiner Meinung nach sollte der Schwerpunkt nicht darauf liegen, von wem ich Marktanteile übernehme, sondern darauf, wie wir die Branche verändern. Wie bieten wir unseren Kund:innen und unserer Community bessere Möglichkeiten? Wie schaffen wir Produkte für Frauen, bei denen die Frauen selbst im Mittelpunkt stehen?" Es ist eine Strategie, die über BHs und Slips hinausgeht, aber den Ursprüngen des Unternehmens – für das die Gründerin ein Frauenkollektiv um ein anonymes Produkt herum aufgebaut – treu bleibt. Menschen vor Unterwäsche. „Für uns gilt", sagt sie, "wenn die Verbraucher:innen gewinnen, gewinnen wir."

Dieser übersetzte und bearbeite Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.com.

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