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Der neue „New Look”: was Diors wegweisende Anstellung veranlasste

Von Jackie Mallon

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Mode

Wie Christian Dior sagte, „Ein guter Sitz ist schwer zu erreichen und man kann nie zuviel Zeit darauf verwenden.” Er bezog sich auf den Schnitt eines Kleides, aber das gleiche könnte über die Suche nach einem Nachfolger für Raf Simons als Kreativdirektor des 70-Jahre-alten Modehauses gesagt werden.

Im letzten Jahr hatte ich einen Artikel für FashionUnited mit dem Titel „Fashion sagt 'nein' zu Frauen an der Spitze” geschrieben. Dies war eine Antwort darauf, immer die gleichen Namen männlicher Designer für die gerade frei gewordenen Thronsitze der Pariser Mode, Lanvin und Dior, zirkulieren zu sehen. Der Gebrauch des „Old Boys Club” der Branche wurde langsam alt. Wo sollte unsere nächste Phoebe Philo herkommen, wenn sich nur Männer für die Top Jobs bewerben dürfen? Dann wurde aus dem Linksaußen Bouchra Jarrar für Lanvin angeheuert. Konnte sich eine Abweichung als Norm durchsetzen? Wir warteten ab.

Die Welt im allgemeinen stürzte ins Chaos ab. Dramatische Veränderungen wurden uns in den Bereichen Politik, Klima und internationale Sicherheit auferlegt, ganz zu schweigen von dem Wirbelsturm, der durch die Modebranche rollte und Staub aufwirbelte. All dies zeigte sich in Diors Ankündigung Anfang Juli nach achtmonatiger Suche, Maria Grazia Chiuri als seinen ersten weiblichen Kreativdirektor überhaupt verpflichtet zu haben.

Der neue „New Look”

Genau wie Christian Diors „New Look” von 1947 das Ende der Rationierungen und Einschränkungen der Kriegsjahre feierte und eine Silhouette mit Korsage im Bustier-Stil und Wespentaille sowie ausladenden Hüften und Glockenrock enthüllte, deutet der jüngste Schritt der Führungsspitze bei Dior an, dass sich die Dinge angesichts allgemeiner Kahlheit deutlich kurvenreicher entwickeln könnten. Mode, die sich von ihrer besten Seite zeigt, sollte die Zeiten widerspiegeln, in denen wir leben. In einem Artikel der Washington Post vom 12. Juli mit dem Titel „Here’s why Theresa May will become Britain’s first female leader since Thatcher” von Beckwith und Diana Z. O'Brien fiel mir ein interessanter Punkt auf: „Männliche Kandidaten sind oft erfahren und gut vernetzt und werden häufig als Führungskräfte bevorzugt. Sie entscheiden sich dagegen wesentlich öfter für weibliche Führungskräfte, wenn sie nicht an der Macht sind und Stimmen verlieren. Qualifiziert zu sein ist normalweise nicht genug für Frauen, um Führungskräfte zu werden. Erst eine Krise verschafft die Möglichkeit... Es ist kein Zufall, dass eine Frau jetzt nach vorne gekommen ist...Frauen bekommen normalerweise in Zeiten von Verlust, Niedergang und Kris die Möglichkeit zu führen.”

Theresa May hat seitdem natürlich die Position übernommen, die von David Cameron geräumt wurde, und muss jetzt die Bescherung aufräumen, die er angerichtet hat und vor der er weggelaufen ist, sein inzwischen viral gewordenes Liedchen singend. Ein NPR-Kommentor fasste dies mit einem Vergleich zu Judy Denchs M zusammen, die eingreifen muss, um Bond aus der Klemme zu helfen.

Die Krisen der Modeindustrie sind zahlreich––Nachhaltigkeit, Lieferketten und unter anderem ein unausführbarer Modekalender. Aber auch die Luxusbranche, die für einige Zeit unbeeinflussbar von der Flaute schien, die andere Bereiche des Marktplatzes beeinträchtigte, ist jetzt betroffen. Mehr als ein Jahrzehnt lang war Burberry eines der leuchtenden Beispiele umsichtigen Rebrandings unter der jeweiligen Leitung in den Bereichen Geschäfte und Kreatives von Angela Ahrendts und Christopher Bailey. Die innovative digitale Plattform und robuste Expansion nach China waren nur zwei Wege, durch die das Unternehmen zum Anführer wurde, den andere nachahmten. Angesichts der derzeitigen gebremsten Reiselust nach Europa und die Angst der Kunden vor Terrorismus, Unsicherheit durch Brexit und die schwächelnde Nachfrage in China ist Burberry nur eines der vielen Luxushäuser, deren Aktienkurse stürzen und deren Wachstum sich verzögert hat, was zu einer jüngsten Umgruppierung im Management geführt hat. Vielleicht sollten sie wieder mit Ahrendts ins Gespräch kommen; sie verlies das Unternehmen 2014 für Apple.

Männer, tretet beiseite

Eine ganze Truppe von Frauen wird angeheuert, um Probleme zu lösen oder Strategien aufzustellen. Der französische Luxusriese Kering etwa, Besitzer von Gucci, Bottega Veneta, Saint Laurent und anderen, rekrutierte Sarah Crook vor knapp über einem Jahr als Geschäftsführerin des aufstrebenden Labels Christopher Kane; Hélène Poulit-Duquesne wurde von Boucheron eingestellt und Grita Loebsack für Kerings wachsenden Couture- und Lederwaren-Bereich.

Frauen sind angeblich für 85 Prozent aller Luxusumsätze veratwortlich, also ist es auch nicht überraschend, dass sie sowohl bei der Kreation als auch dem Konsum der Produkte eine Rolle spielen sollten. Überraschend ist allerdings, dass Marken wie Dior so lange gebraucht haben, dies zu begreifen. Eine Bewertung der Firmendemographie durch die digitale Plattform Ethics & Boards fand heraus, dass nur vier Unternehmen von 33 untersuchten einen Anteil von über 40 Prozent weibliche Direktoren aufweisen: Michael Kors, Estée Lauder, Kate Spade und Hermès.

Ein Umdenken bei geschlechtsspezifischen Stereotypen geschieht auch in der Populärkultur. Diese Kritik des aktuellen Ghostbusters-Remakes auf BBC.com trifft den Nagel auf den Kopf, was die Bedeutung des „New Looks” angeht: „Es ist erheiternd, vier erwachsene Frauen in grauen Overalls in den Kampf ziehen zu sehen, im Vergleich zu den knappen Leibchen, die von den meisten Superheldinnen bevorzugt werden. Und es ist inspirierend zu sehen, dass sie ihren wissenschaftlichen Scharfsinn benutzen, um eine Reihe übernatürlicher Bösewichte zu besiegen...auch wenn es umstritten war, als Sony bekannt gab, dass sein neuer Ghostbusters-Film ganz in weiblicher Hand sei, dauert es bis zum Kampf als Höhepunkt des Films um zu verstehen, wie wirklich radikal die Besetzung ist. Es gab einfach bis jetzt keine ähnliche Szene in einem Hollywood- Blockbuster.”

Zeit für einen neuen Ansatz

In ihrer vorherigen Rolle bei Valentino bevorzugte Maria Grazia Chiuri, zusammen mit ihrem kreativen Partner Pierpaolo Piccioli, eine hochgeschlossene, sanfte Sinnlichkeit in ihren Kollektionen, die sich als modern in einer Zeit abhob, in der aggressive, enganliegende Erotik schon fast zwingend war. Während viele Designer in den letzten Saisonen nur in die 1980s and 1990s zurückreisten, hatten Chiuri und Piccioli mit Renaissance-Dichtern und vorrafaelischen Prinzessinen ein ganzes Jahrhundert davor im Visier. Die lyrische Romantik der Kleidung begeisterte Käufer und entzückte Moderedakteure und gewann die Zustimmung des inzwischen zurückgetretenen Gründers des Hauses, Valentino Garavani. Was Sarah Burton bei McQueen geschafft hat, so wird Chiuri ohne Zweifel bei Dior dazu bestimmt sein, die DNA dieses vielgeliebten Hauses, das von Männern gegründet und geleitet wurde, mit der Intimität und dem Charm zu versehen, der instinktiv mit ihrem Geschlecht verbunden wird. Männer können sicherlich Mode für Frauen kreieren, aber Frauen verstehen Frauen. Oder in Sydney Toledanos Worten, Präsident und Geschäftsführer von Dior, als er sich zur Neueinstellung des Unternehmens äußerte: „Sie hat die Herangehensweise einer Frau. Die Augen einer Frau für Dior, für die weibliche Seite, ist wichtig."

In den nächsten Monaten werden wir sehen, ob wir unseren ersten weiblichen Präsidenten wählen werden, und Trump wird alles in seiner Macht stehende tun, um Clintons „Woman’s Card” zu entkräften. Und so wie das Weiße Haus in der Politik der absolute Gewinn in der Politik ist, so gibt es wohl kein wünschenswerters Haus für einen Designer für Luxusmode als Dior. Herzlichen Glückwunsch Maria Grazia Chiuri.

Ein Gastbeitrag von Jackie Mallon, Dozentin mehrerer NYC-Fashion-Programme und Autorin des Romans "Silk for the Feed Dogs", der in der internationalen Modebranche spielt.

Aus dem Englischen übersetzt von Simone Preuss

Alle Fotos von Dior.com

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