Der Pionier hinter dem wiederbelebten Modehaus Poiret
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Das Wiederbelebungs-Experiment des französischen Modehauses Poiret ist wahrscheinlich eines der meist beachtetsten Ereignisse der laufenden Pariser Modewoche. Hinter dem Traditionshaus Poiret, das mithilfe von Mode-Mäzenin Anne Chapelle reanimiert wird, steht der wohl einflussreichste Modeschöpfer zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Paul Poiret hat zahlreiche Rituale eingeführt nach denen die Modeindustrie auch heutzutage noch operiert. Vor beinahe 100 Jahren befreite er Frauen in Europa vom Korsett und diktierte Modetrends, führte den Laufsteg für die Präsentation seiner Kollektionen ein und verkaufte seine eigene Parfümlinie.
Pionier des frühen 20. Jahrhunderts
Paul Poiret wurde 1879 als der Sohn zweier Pariser Tuchhändler geboren und arbeitete zunächst bei zwei renommierten Couturiers, Doucet und Worth, bevor er seine gleichnamige Marke gründete. Seine hochtaillierten Kleider, die er “La Vague” nannte und ohne Korsett getragen wurden, gaben Frauen im gleichen Maße Bewegungsfreiheit wie sie Schockwellen durch die damalige Modewelt sendeten.
Poiret soll auch den Laufsteg eingeführt haben um seine Kollektionen zu präsentieren, die er an eine wohlhabende Oberschicht als einzigartige Kunstobjekte vermarket hat. Er versuchte seine Werke gegen Fälschungen zu schützen, aber gleichzeitig auch Kopien seiner Entwürfe an weniger vermögende Fans zu verkaufen und damit eines der ältesten Widersprüche im Modegeschäft gewinnbringend für sich zu lösen.
Frau als Muse
Poiret heiratete Denise 1905 und seine Frau wurde sein bestes Modell. “Schlank, dunkel, jung, ungeschnürt und unberührt von Schminke oder Puder”, beschrieb Poiret sie 1913 in der Modezeitschrift Vogue. Ihr Typ repräsentierte einen Gegensatz zu den ausladenden und in Korsetts eingeschnürten Schönheiten der Belle Époque.
Der Kunstsammler
Paul Poiret hat eine eindrucksvolle Kunstsammlung aufgebaut und verstand es einige der begabtesten Künstler seiner Zeit, wie Paul Iribe und den Fotografen Man Ray, um sich zu versammeln. Sie halfen ihm seine Arbeiten zu entwickeln und gingen bei seinen extravaganten Festen ein und aus. Nicht zuletzt sah sich Poiret auch selbst als Künstler und seine Kleider als Kunstwerke. “Bin ich ein Narr, wenn ich davon träume meine Kunst in meine Kleidung zu tragen, und ein Narr wenn ich sage, dass Schneiderei eine Kunst ist?”, schrieb Poiret in seinen Memoiren.
Gesamtkunstwerk
Der Einfluss von Poiret erstreckte sich dank seines Geschäftssinns über die Modewelt hinaus. Zehn Jahre vor Coco Chanel führte er seine eigene Parfümlinie ein, die er nach seiner Tochter Rosine benannte. Als einer der ersten Modeschöpfer, die ein Gesamtkunstwerk anstrebten, prägte Poiret weit mehr als die Form seiner Kleidung. Seine Boutique Maison Rosine de Poiret verkaufte auch Accessoires und Inneneinrichtung. Er gründet auch Maison Martine, eine Werkstatt, die von Künstlern entworfene Stoffe, Möbel und andere dekorative Objekte fertigte. Für manche stand er auch im Zentrum der Art Déco Bewegung in Paris.
Tausend und zwei Nächte
Es soll nie an Champagner, Hummer oder Kokain bei Poirets ausschweifenden Kostümfesten gemangelt haben, die ihren Höhepunkt 1911 erreichten. Als Sultan und seine Lieblingsdame verkleidete sich das Paar Poiret und luden 300 Gäste zu ‘1002 Nächten’ ein. Die Gäste wurden nur eingelassen, wenn sie entsprechend persisch gewandet kamen, am besten in Poirets eigenen Kreationen. Damals befand sich ganz Paris in einem exotischen Fieber nach einer Aufführung des Ballets Russes mit seinen orientalischen Kostümen von überwältigender Farbenpracht und Ausschmückung. Auch Poiret feierte Ornamente und Opulenz bei den Entwürfen seiner Kimonos und Haremhosen. Dabei entfernte er sich von der befreienden Einfachheit seiner anfänglichen Kleidungsstücke.
Insolvenz
Nach dem ersten Weltkrieg kam ein neuer Stil auf, den die schlanken und beweglichen Jersey-Kleider von Coco Chanel verkörperten. Poiret versuchte 1925 bei der Pariser Art-Déco-Austellung wieder ins Geschäft zu kommen. Er stattet drei Boote auf der Seine mit einem Couture-Salon, einem Luxusrestaurant und einer Boutique mit Parfüms, Accessoires und Möbeln aus. Aber die Rückkehr gelingt ihm nicht und Poiret ist bald bankrott. Von seiner Frau verlassen, zieht sich Poiret als Maler in die Provence zurück, wo er 1944 verarmt stirbt.
Wiedergeburt - 4. März, 2018
Chung Yoo-Kyung, die Präsidentin des südkoreanischen Kaufhausbetreibers Shinsegae, erwirbt die Marke Poiret und schließt sich mit der belgischen Geschäftsfrau Anne Chapelle zusammen um sie wiederzubeleben. Chapelle ist für ihre Unterstützung von Modedesignern wie Ann Demeulemeester und Haider Ackermann bekannt. Unter der kreativen Leitung der chinesisch-französischen Designerin Yiqing Yin versucht Poiret wieder das Comeback. Dieser Sonntag wird wohl zeigen, ob die Marke dort anküpfen kann, wo Poiret vor 90 Jahren gescheitert ist.