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Der Sneaker kehrt zurück – aber nicht in diesem Jahr

Von Reinhold Koehler

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Mode |KOMMENTAR

Der Sneaker: Seit dem Siegeszug der HipHop-Kultur in den späten 70er Jahren steht wohl kaum ein Schuhmodell so sehr im Fokus der Öffentlichkeit wie er. Seine Entwicklung von der reinen Funktionskleidung zum relevanten Stilmittel zeigt nicht nur beispielhaft die Geschichte der Sport- und Streetwear, sie steht für eine Kultur, die stets im Wandel ist und dennoch ein generisches Gefühl von Jugendlichkeit verspricht. Sneaker wecken nicht nur Sehnsüchte, sie erfüllen sie auch: Man ist Teil der großen Popkultur, Teil einer modischen Elite, Verfechter eines globalen künstlerischen Anspruchs.

Es gibt wohl kaum ein Kleidungsstück, mit dem so viel gespielt wurde wie mit Turnschuhen. Kaum ein moderner Künstler, Musiker oder Designer ließ es sich in den letzten Jahren nehmen, eigene Modelle zu kreieren, zu bearbeiten, zu inszenieren. Wie relevant Sneaker für die Popkultur sind, zeigt sich an einem mittlerweile weltweit agierenden Sammler-Netz, in dem einzelne, streng limitierte Modelle für Tausende von Euro den Besitzer wechseln.

Was kommt nach dem Craftsmanship-Hype?

Dabei verlief die Entwicklungsgeschichte des Sportschuhs eher inkohärent: Während sich Marken und Hersteller in ihrem Image-getriebenen Marketing-Kampagnen immer mehr auf exklusive Designer-Kooperationen und limitierte Sondermodelle konzentrierten, stieg zugleich der Massenmarkt für Standardausführungen exorbitant an. In den Nullerjahren erreichte der globale Sneaker-Wahnsinn dann seinen Höhepunkt: Immer buntere, ausgefallenere Modelle kamen auf den Markt, die Abstände zwischen den Releases verringerten sich ständig und neue Materialmixe machten den Sneaker zu einem der lebendigsten Versuchslabore für zeitgemäße Mode. Online-Generatoren, mit deren Hilfe jeder Kunde seinen eigenen Sneaker gestalten konnte, eroberten zudem die Webshops der großen Anbieter.

2012 war es dann allerdings erst einmal vorbei mit dem kindlichen Spieltrieb der Sneaker-Gestalter. Ein neuer Trend namens „Craftsmanship“ eroberte die Modewelt und plötzlich sollte auch jeder Turnschuh aussehen wie von einem mittelalterlichen Schuster mit grobem Werkzeug und über offenem Feuer gefertigt. Derbes Leder, Hanf und andere – teilweise auch nur scheinbar natürliche – Materialien bestimmten plötzlich das einst so plastikbunte Sneaker-Universum und mancher alteingesessene Turnschuh-Liebhaber sah schon das Ende der Ära Sneaker für gekommen.

Nachdem die große Natur-Hysterie in den vergangenen Monaten ein wenig an Fahrt verloren hat, machten sich viele Sneakerheads wieder Hoffnungen auf eine Rückkehr zum Spieltrieb früherer Tage. Wie sich nun auf der Schuhmesse GDS in Düsseldorf zeigt, dürfte die neueste Entwicklung auf dem Markt die Puristen der Szene jedoch erneut enttäuschen. Zwar ist von der Craft-Shuh-Ästhetik der letzten Jahre nicht mehr viel zu sehen, dafür setzen die Hersteller auf puren Kitsch.

Glitzer ist auch keine Lösung

Glitzersteine, Pailletten und funkelnde Lacke in Silber, Gold und anderen Metallicfarben bestimmen die Sneakerwelt 2016. Geht man durch die Hallen der GDS, könnte man meinen, ein russischer Schuhfilialist hätte seine Lagerbestände ausgestellt: Überall blinkt, leuchtet, blitzt es. Ist es etwa die Sneakerindustrie, die den angeschlagenen Glasperlen-Fabrikanten Swarovski vor der Pleite gerettet hat?

Manche Turnschuhliebhaber sehen diese Entwicklung als späte Rache der Frauen an einer über Jahre männerdominierten Modebewegung, andere haben die Hoffnung auf die Rückkehr glorreicher Sneaker-Epochen bereits ganz aufgegeben. Dabei war die Bling-Bling-Schwemme vorauszusehen, wenn man bedenkt, dass ein modischer Hype meist von einer gegensätzlichen Strömung abgelöst wird. Auf den Purismus der Craftsmanship-Jahre musste also ein Gegenentwurf folgen.

Zudem wird 2016 ein Sneaker-Jahr, das durch sportliche Großereignisse wie die Fußballeuropameisterschaft in Frankreich und die Olympischen Spiele in Brasilien geprägt sein wird. Die Sportartikelbranche wird massenhaft sportlich-funktionale Modelle auf den Markt bringen und diese mithilfe ihrer Werbeikonen global kommunizieren. Für echte Turnschuhliebhaber ist dies nur ein schwacher Trost. Schließlich erscheinen die modernen Schnitte und Designs oft so hässlich, dass auch ihre knallbunte Optik keinen modisch interessierten Urbanisten überzeugen wird.

Die nächste Entwicklungsstufe in der Sneaker-Evolution ist also erst für 2017 zu erwarten. Hoffnung macht hier, dass es dann keine sportlichen Großereignisse geben und der Glitzer-Wahnsinn des laufenden Jahres angeklungen sein wird. Vielleicht wird 2017 sogar das beste Jahr, das dem Sneaker seit 2005 passiert ist.

Foto 1: Adidas

Foto 2: Vans

Foto 3+5: Nike

Foto 4: GDS


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