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Die italienische Outdoormarke Aku ermittelt den CO2-Fußabdruck jedes Schuhs

Von Regina Henkel

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Die italienische Bergschuhmarke Aku versucht den CO2-Fußabdruck der Produkte zu senken. Foto: Aku

Die Schuhindustrie steht derzeit noch in dem Ruf, beim Thema Nachhaltigkeit ein ganzes Stück hinter der textilen Bekleidungsindustrie zu rangieren. Schließlich sind die Lieferketten von Leder meist noch verzweigter als in der Textilindustrie, und auf einen großen Teil dieser Lieferketten haben Schuhhersteller nicht den geringsten Einfluss. Dennoch gibt es auch in dieser Branche erste Leuchtturm-Beispiele, die sich freiwillig und schon seit Jahren mit dem komplexen Thema beschäftigen und Leder auch in Zeiten des wachsenden Veganismus eine nachhaltige Daseinsberechtigung bescheinigen. Beispielsweise die italienische Outdoormarke Aku, die sich seit zehn Jahren um eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Schuhproduktion bemüht und nicht nur im Outdoormarkt zu den Pionieren ihrer Branche gehört.

Aku erfasst den CO2-Fußabdruck für jedes Paar Schuhe

Wie kommt es eigentlich, dass die Schuhbranche beim Thema Nachhaltigkeit nicht so stark im Fokus der Öffentlichkeit steht? „Ich denke, Footwear wurde irgendwie vergessen“, sagt Guilio Piccin, CSR & Product Manager der italienischen Outdoorschuhmarke Aku. „Jedenfalls ist die Schuhindustrie nicht so stark unter Druck wie die Bekleidungsindustrie.“ Dabei verursacht die Schuhindustrie keineswegs weniger Probleme. Das weiß man bei Aku schon lange. Aber dass dem Schuhhersteller Nachhaltigkeit wichtiger war als anderen Schuhherstellern erfuhr Aku vor zehn Jahren eher per Zufall. Die „Stiftung Warentest“ kürte damals einen Aku-Schuh bei einem Produkttest unter anderem deshalb zum Testsieger, weil bei der Analyse der Materialien besonders wenige chemische Schadstoffe gefunden wurden. Damit hatte Aku nicht gerechnet. Das Urteil bestätigte die Marke darin, jenen Weg, den sie offenbar bereits eingeschlagen hatte, weiter zu verfolgen. Zum wollte Aku als Unternehmen der Outdoor-Branche auch darüber nachdenken, wie man die Umwelt schützen kann.

Doch schnell zeigte sich, dass das gar nicht so einfach ist. Am Anfang hatte Aku noch den Begriff Nachhaltigkeit verwendet, aber mit der Zeit verstanden, dass Aku – genausowenig wie alle anderen Schuhhersteller - nicht nachhaltig ist und es so schnell auch nicht werden kann. Der Grund: „Wir stellen Dinge her, wir benötigen Energie, wir verursachen Abfall und wir verkaufen ein Produkt, das sich nicht recyceln lässt. Das kann nicht nachhaltig sein“, sagt Piccin unverhohlen ehrlich. Was macht man mit so einer Erkenntnis? Piccin: „Man kann entweder aufgeben oder anfangen, die Dinge zu verändern.“ Das tat Aku und spricht seither lieber von Verantwortung, nicht von Nachhaltigkeit.

Giulio Piccin, Product und CSR Manager von Aku. Foto: Aku

Verändert hat Aku inzwischen viel: Um den eigenen CO2-Fußabdruck kontinuierlich zu reduzieren, hat Aku in den letzten Jahren viel Aufwand betrieben, um die gesamten Prozesse vom Material über die Produktion bis hin zu Transport und Entsorgung transparent und mit Daten messbar zu machen. Inzwischen ist Aku so weit, dass es für jedes Produkt den CO2-Fußabdruck berechnen und darauf basierend bessere Entscheidungen treffen kann.

Leder müsste aufgrund der CO2-Bilanz ersetzt werden – oder doch nicht?

Langlebigkeit und hohe Funktionalität sind wichtige Produkteigenschaften für Aku, deshalb setzt das Unternehmen nach wie vor auf Leder. „Wir haben beschlossen, das Leder nicht aufzugeben. Wir sourcen das Leder so verantwortlich wie möglich und verwenden davon so wenig wie möglich. Wir versuchen auch, im Schuh recyceltes Leder zu verwenden, dessen Impact natürlich viel geringer ist“, so Piccin. Das stammt in erster Linie aus Abfällen der Gerbereien, lässt sich als Upper aber nicht verwenden. Noch habe er keine zufriedenstellende Alternative gefunden, die genauso langlebig sei wie Leder und den völligen Verzicht auf Leder einleiten könnte.

Zudem findet er, dass die schlechte CO2-Bilanz von Leder nur einen Teil der Wahrheit abbilde. Wenn man weiß, dass der CO2-Fußabdruck eines Schuhs zu 80 Prozent auf den verwendeten Materialien beruht, dann lautet die Botschaft aus den ermittelten CO2-Daten von Aku klar: „Am besten kein Leder mehr verwenden, stattdessen lieber recycelte Microfaser“, so Piccin. Recycelte Microfaser hat einen wesentlich geringeren CO2-Fußabdruck als Leder, bei dem mit eingerechnet wird, was und wieviel das Tier frisst, welche Klimagase es verursacht, wie lange es gelebt hat, wo es geschlachtet und wo und wie das Leder hergestellt wurde. Da kommt eine Menge zusammen. „Aber wenn wir das Thema in der Realität betrachten, dann muss man sagen, dass Leder ein Abfallprodukt der Fleischindustrie ist. Es werden keine Kühe wegen des Leders gezüchtet. Wenn die Schuhindustrie aufhören würde, Leder zu verwenden, gäbe es das Leder trotzdem, es wäre Abfall und müsste entsorgt werden. Aber das wird nicht mit eingerechnet“, erklärt Piccin.

So gesehen recycelt die Lederindustrie Abfälle der Fleischindustrie, und so lange Fleisch gegessen wird (global gesehen steigt der Konsum seit Jahren), macht es auch ökologisch Sinn, Leder zu verarbeiten. Gerechter wäre es seiner Meinung nach, den CO2-Fußabdruck erst ab dem Moment zu erfassen, wo die Häute zu Leder verarbeitet würden, denn auf diese Prozesse habe seine Industrie auch Einfluss.

Modell aus der SS23 Kollektion von Aku. Foto: Aku

Italiens Gerbereien arbeiten an nachhaltigeren Prozessen

Gemeint sind die Prozesse in den Gerbereien. Aku kennt seine Lieferanten sehr gut, und diese hätten inzwischen ein großes Interesse daran entwickelt, nachhaltigere Prozesse zu etablieren. „Schließlich spart eine verantwortliche Produktion auch Kosten, weil Chemikalien, Abfall, Abwasser und Energie gespart werden können“, so Piccin. Aku sitzt in Montebelluna, nur eine Autostunde von einem der großen Lederzentren in Italien entfernt. Alle Leder für die europäische Produktion kommen zu 100 Prozent aus Italien, und 75 Prozent des Leders, das Aku heute verwendet, stammt aus LWG (Leather Working Group)-zertifizierten Gerbereien.

Vorzeigebeispiel ist die italienische Gerberei Dani, die ein Gerbeverfahren entwickelt hat, das ohne das übliche Salzen auskommt. Frische Häute müssen zum Konservieren gesalzen werden, damit sie unverdorben vom Schlachthof zum Gerber transportiert werden können. Dieses Salz muss anschließend wieder ausgewaschen werden. Bei Dani werden die Häute jedoch vom Schlachthof gekühlt zur Gerberei transportiert – ohne eine chemische Konservierung. Auch bei anderen chemischen Prozessen tue sich viel, so verwendet Aku metall- und chromfreie Gerbeverfahren, die weniger Energie und andere Ressourcen benötigen.

Für den Aku Klassiker Bellamont Plus konnte eine Minderung der CO2-Emissionen um zwölf Prozent im Vergleich zum Jahr 2017 erreicht werden. Foto: Aku

Robustheit widerspricht zirkulären Prozessen

Gerade bei Bergstiefeln, die besonders robust und strapazierfähig sein müssen, gestaltet sich das Thema Kreislaufwirtschaft besonders schwierig. Verrottung schließt sich von vorne herein aus, weil die Häute ja genau davor gerettet wurden. Auch beim Thema Recycling wird es nicht besser. Die Schuhe bestehen nicht nur aus vielen verschiedenen Materialien, wie Leder, Textilien, Metall, Schaumstoff, Gummi und so weiter, zudem sind sie fest zusammengeklebt und -genäht, damit sie möglichst lange halten. Sie wieder auseinanderzunehmen und in ihre Bestandteile zurückzuzerlegen ist eine komplexe Aufgabe. Piccin: „Nur die Sohle zu recyceln ginge noch, aber das Upper zu recyceln ist schwierig.“

Vor allem kann Aku dieses Recycling-System nicht allein aufbauen, dafür braucht es die gesamte Industrie und eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Industrien. Das wäre ein Meilenstein, denn, „wenn wir ein Recycling System hätten“, so Piccin weiter, „könnte es die Parameter dafür definieren, wie man Schuhe designen und konstruieren muss, damit sie recyclingfähig sind. Das wäre hilfreich.“ Immerhin bietet Aku aber schon immer den Service, Schuhe zu reparieren oder Sohlen zu erneuern.

Am Ende der Nutzungsphase bleibt also auch dem Aku Schuh derzeit nur der Weg in die Verbrennungsanlage.

Die Produktion in Italien von Aku. Foto: Aku
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