Die Mailänder Modewoche für Männer im Überblick

Die Mailänder Männermodewoche hat sich als eine der wichtigsten Bühne für Designer und Marken etabliert, auf der die Kreativität und die kommerzielle Seite der Mode gleichberechtigt nebeneinander stehen. Es gibt nichts Besseres als einen maßgeschneiderten Anzug, der in einem italienischen Atelier handgefertigt wurde, mit Stoffen aus einer der edlen Webereien des Landes.

Zegna

Dies war der Fall bei Zegna, wo der künstlerische Leiter Alessandro Sartori die einzigartigen Eigenschaften des wichtigsten Sommerstoffs zelebrierte: Leinen. Der Flachs für Zegnas Leinen stammt aus Frankreich. Nach der Ernte werden die Fasern nach Italien geschickt, wo sie in eigenen Fabriken zu der luxuriösen Leinenstoffserie Oasi Lino verarbeitet werden. Auf dem Laufsteg wurde die Kollektion in verschiedenen leichten Anzügen und raffinierten Schnitten in einer Farbpalette von blassen Beige- und Ockertönen bis hin zu warmen Sonnenuntergängen und Marineblau präsentiert. Lederjacken und Accessoires waren ebenso weich, wobei Sartori die Silhouette von Steifheit befreit und stattdessen eine entspannte Raffinesse für Zegnas treue Kundschaft geschaffen hat.

Giorgio Armani

Bei Giorgio Armani hat eine einzigartige Vision des dekonstruierten Schneiderhandwerks die Marke über die Jahrzehnte hinweg durch die verschiedenen Strömungen der zeitlosen Mode begleitet. Der erste Look von Giorgio Armani auf dem Laufsteg für den Frühling/Sommer 2025 – eine Jacke mit aufgenähten Taschen in grauem Melange über einem Jersey-T-Shirt und einer locker sitzenden Hose – fasste die Eleganz dessen zusammen, was es bedeutet, Armani zu tragen. Während die Looks bei Emporio Armani eher jünger und weniger klassisch sind, wurde für SS25 sicherlich mehr Haut gezeigt, aber die gleiche Weichheit und Leichtigkeit der Silhouette kann auf den visionären Gründer zurückgeführt werden. Bei aller Unbeständigkeit der Mode haben sich die Codes von Herrn Armani nie geändert.

Dunhill

Eleganz war auch bei Dunhill angesagt, wo raffinierte britische Klassiker in der Gartenanlage, die gleichzeitig als Laufsteg diente, einen stilvollen Ton anschlugen. Kreativdirektor Simon Holloway brauchte keine Tricks oder Trends, um zu zeigen, dass meisterhafte Schnitte, schlichtes Styling und luxuriöse Stoffe den Mann ausmachen. Und obwohl es sich um Kleidungsstücke für Herren handelt, war es nicht derart pompös, dass es sich nur um eine Garderobe für CEOs oder James Bond handelte. Ein Mantel aus Doubleface-Leinen oder ein Trenchcoat aus karamellfarbenem Wildleder sind die Art von Grundbausteinen, die noch viele Saisons lang zu den Klassikern im Kleiderschrank gehören werden. Auch die Taschen und Loafers finden sich sicherlich auf vielen Wunschlisten wider.

Prada

Am anderen Ende des Spektrums steht die Jugend, die in Mailand immer eine Dichotomie zwischen Raffinesse und urbanem Styling darstellt. Prada hat sich in dieser Saison dem Letzteren zugewandt, indem es die Codes des Unbekümmerten mit verkürzten Pullovern und reduzierten Hemden übernahm und die Looks auf einfachere Art und Weise zusammenstellte. "Wenn man älter wird, fängt man manchmal an, zu viel zu denken und sich selbst einzuschränken", sagte Co-Kreativdirektor Raf Simons nach der Show zu Reportern hinter der Bühne. "Wie frisch der Geist der Jugend. Wenn man jung ist, geht man einfach los - und wir mögen diesen Geist."

Das Ergebnis waren unsichtbare Drähte, die in Hemden eingenäht wurden, um Krägen zu verdrehen, die Länge zu verkürzen und die Perfektion in Schieflage zu halten. Während ein schlichter marineblauer V-Ausschnitt die Schau eröffnete, wirkten bunte Macs mit übergroßen Knöpfen und weit über das Handgelenk geschnittenen Ärmeln eher gekünstelt als begehrenswert, selbst für Jugendliche. Neue Schuhmodelle mischten einen Golfschuh mit einer Mary-Jane-Form, mit Quasten und Schnallen oder flach mit metallischen Zehenkappen. Wollhosen mit Fischgrätmuster und Prinz-von-Wales-Karos wurden extra lang geschnitten, als Gegenstück zu den kurzen Oberteilen, die einen Hauch von Bauch zeigen. Eine Daseinsberechtigung für jede Saisonkollektion zu finden, einen Zweck jenseits von Bekleidung und Anziehsachen, ist eine Aufgabe, mit der sich alle Designer, ob groß oder klein, etabliert oder neu, auseinandersetzen müssen. Jede Marke hat Triumphe und Schwierigkeiten, und Pradas Vorschlag fiel in dieser Saison genau in letztere.

JW Anderson

Bei JW Anderson kommt die jugendliche Kleidung immer mit einem frechen Augenzwinkern daher. Es begann mit dem ersten Look eines übergroßen Steppmantels, komplett mit Matratzen-Nähten, bis hin zu den bauchigen Strickjacken, die mit riesigen gehäkelten Schnüren versehen waren, aber mit Schlabberstiefeln wahrlich jenseitig aussahen. Lederjacken hatten übertriebene Kragen und Schulterklappen, und eine Kaskade von Schleifen in Regenbogentönen zog sich vom Hals bis zum Oberschenkel. Übertreibung ist in der Tat der Schlüssel zu Andersons Stil. Zu den Verkaufsschlagern gehören das Guinness-Bier-Sweatshirt, die Tunika, die Jacken und der Real Sleep-Bomber. Anderson liebt Slogans und beherrscht die Kunst der Neuartigkeit, ohne Käse zu servieren.

Gucci

Die Gucci-Kollektion von Sabato De Sarno, die ein jugendliches und doch raffiniertes Surfthema aufgreift, besteht aus einer Vielzahl von superkurzen Shorts für die untere Hälfte. Spitz zulaufende Loafer, die mit Socken getragen werden, haben sich in den sozialen Medien verselbstständigt, aber Sabato De Sarno ist seiner Idee treu geblieben, tragbare Kleidung zu kreieren, sobald die Kollektion ausgepackt ist. Grafische Surf-Shirts, langärmelige Polos in verschiedenen Texturen und Farben und doppelreihige Softshell-Anzüge waren alle gut verarbeitet und gestylt. Herr De Sarno hat das neue Gucci langsam aufgebaut, was angesichts einer Lawine von Kritik in den Medien nicht einfach sein kann. Ein Gigant von der Größe Guccis muss sich verkaufen, und bisher scheinen die Accessoires und Modeartikel, die in die Läden gekommen sind, bei den Kunden gut anzukommen, wenn nicht auch sogar bei der wankelmütigen Modepresse.

Valentino

Was die Presse in Aufregung versetzte, war das unerwartete Lookbook, das bei Valentino enthüllt wurde, wo Alessandro Michele seine Debütkollektion erst bei der Damenmodenschau im September während der Mailänder Modewoche zeigen sollte. Vielleicht hat Valentino die Pre-Spring-Kollektion 2025 deshalb Avant le Debut genannt.

Insgesamt mehr als 170 Looks für Damen und Herren zementierten einen neuen Weg für Valentino und legten den Grundstein für die Maison unter Micheles facettenreichem Blick. Sein Markenzeichen, Styling mit einem kaleidoskopischen und skurrilen Ansatz, ließ auf den ersten Blick eine ähnliche Ästhetik wie Micheles Designs bei Gucci erkennen. Aber das ist nicht der Fall. Valentino ist in erster Linie ein Haute-Couture-Haus mit einem Atelier, das die kompliziertesten Entwürfe in den kostbarsten Stoffen beherrscht. Das bringt Micheles Mischung aus Verzierungen in eine neue Dimension der Raffinesse, ohne die Schönheit dem Absurden zu opfern. Valentino selbst war nie ein Minimalist, und wenn Michele es schafft, in nur zwei Monaten eine Resort-Kollektion zu entwerfen, dürften die Erwartungen an die Hauptkollektion im September sehr hoch sein.

Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.uk.